Entscheidungsstichwort (Thema)

Mögliche Steuerumgehung bei Berlin-Darlehn

 

Leitsatz (NV)

1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob bei Anwendung des § 17 Abs. 2 BerlinFG ein sog. Kombi-Fonds als eine Person angesehen werden muß oder ob die zur Einschaltung von Ehegatten bei ,,Reihumdarlehn" aufgestellten Grundsätze (vgl. Urt. vom 31. Juli 1984, IX R 3/79 BHFE 142, 347 BStBl II 1985, 33) Anwendung finden können.

2. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO 1977) auch dann anzunehmen ist, wenn ein Steuerpflichtiger einerseits eine nach § 17 Abs. 2 BerlinFG begünstigte Baumaßnahme unter Inanspruchnahme eines Berlin-Darlehns durchführt und andererseits ein Berlin-Darlehn für eine begünstigte Baumaßnahme eines Dritten gewährt, ohne daß eine ,,Reihum-Darlehensgewährung" vorliegt.

 

Normenkette

BerlinFG § 17 Abs. 2; AO 1977 § 42

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist geschäftsführender Gesellschafter des Berlin-Darlehen-Fonds X (X-Fonds). Der Fonds hat den Zweck, Darlehen gemäß § 17 Abs. 2 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) zu vergeben. An dem X-Fonds sind 46 Gesellschafter beteiligt. Sie leisteten zusammen 218 000 DM Einlagen. Zur Erreichung des Gesellschaftszwecks bediente sich der X-Fonds eines Treuhänders. Dieser war berechtigt, im Namen und für Rechnung des X-Fonds Darlehen nach § 17 BerlinFG bis zu einer Höhe von 6 Mio DM zu vergeben. Die Finanzierung der Darlehensgewährungen sollte durch Eigenmittel und dadurch erfolgen, daß der Treuhänder im eigenen Namen, aber für Rechnung des Fonds Refinanzierungs-Kredite aufnahm und sie dem Fonds zur Vergabe von Darlehen nach § 17 BerlinFG zur Verfügung stellte.

Der Treuhänder vergab 1982 namens und für Rechnung des Fonds drei Darlehen im Gesamtbetrag von 3 350 000 DM. Die Darlehen wurden 1983 mit 2,03 Mio DM und 1984 mit 1,32 Mio DM ausgezahlt. Die Finanzierung erfolgte durch 74 100 DM Eigenmittel und 3,2759 Mio DM Fremdmittel.

Bis auf eine Ausnahme waren die Gesellschafter des X-Fonds gleichzeitig an der Z-KG mit Einlagen von zusammen 4,35 Mio DM beteiligt.

In den Feststellungserklärungen für 1983 und 1984 erklärte der X-Fonds die Hingabe von Darlehen gemäß § 17 Abs. 2 BerlinFG in Höhe von 2,03 Mio DM (1983) und in Höhe von 1,32 Mio DM (1984) und Werbungskostenüberschüsse von 119 156 DM (1983) sowie 1 095 DM (1984). Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) erkannte in den Feststellungsbescheiden 1983 und 1984 die Darlehen nur in Höhe des eingezahlten Eigenkapitals (1983: 217 500 DM, 1984: 0 DM) sowie Werbungskostenüberschüsse in Höhe von 14 021 DM (1983) und 19 505 DM (1984) an.

Gegen die Feststellungsbescheide legte der Antragsteller Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Das FA lehnte die Vollziehungsaussetzung ab. Daraufhin beantragte der Antragsteller beim Finanzgericht (FG) die Vollziehung der Feststellungsbescheide 1983 und 1984 auszusetzen und die Darlehensbeträge gemäß § 17 Abs. 2 BerlinFG sowie die negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen wie erklärt festzusetzen.

Das FG gab dem Antrag statt und setzte die Vollziehung der Feststellungsbescheide 1983 und 1984 in der Weise aus, daß vorläufig negative Einkünfte aus Kapitalvermögen von 119 156 DM für 1983 und von 1 095 DM für 1984 angesetzt sowie Darlehensbeträge in Höhe von 2,03 Mio DM für 1983 und von 1,32 Mio DM für 1984 als gemäß § 17 Abs. 2 BerlinFG berücksichtigungsfähig festgestellt werden.

Zur Begründung führte das FG aus:

Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, weil das FA Einnahmen und Ausgaben aus Kapitalvermögen sowie die Darlehensgewährung nach § 17 Abs. 2 BerlinFG nur insoweit anerkannt habe, als die hingegebenen Berlin-Darlehen aus eigenen Mitteln stammten; denn nach summarischer Prüfung stelle sich die Zwischenschaltung des X-Fonds in die Darlehensgewährungen nicht als Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 der Abgabenordnung - AO 1977 -) dar, so daß sowohl die erklärten negativen Einkünfte als auch die Berlin-Darlehen vorläufig in vollem Umfang zu berücksichtigen seien.

Das FG gehe mit dem Antragsteller davon aus, daß die Fondszeichner Darlehensnehmer hinsichtlich der Refinanzierungskredite seien. Die Darlehensgewährung durch den Fonds sei zivilrechtlich wirksam und erfülle auch bei wirtschaftlicher Sachverhaltsbeurteilung die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 und 3 BerlinFG. Die Steuerermäßigung nach § 17 Abs. 2 BerlinFG könne dem Fonds nicht wegen der gewählten Gestaltung versagt werden. Wegen des Fehlens eines Kreditaufnahmeverbots für die Fälle des § 17 Abs. 2 BerlinFG hätte der X-Fonds auch ein in vollem Umfang refinanziertes Darlehen hingeben können. Nur dann könne die Vergünstigung nicht gewährt werden, wenn zwischen X-Fonds und dem Bauherrn trotz rechtlicher Selbständigkeit Personenidentität bestehe, weil dann die Baumaßnahme wirtschaftlich mit eigenen Mitteln finanziert worden wäre. Deshalb müsse auch eine Darlehensgewährung von Fondsgesellschaften an andere Objektgesellschaften der gleichen Firmengruppe, die wechselseitig oder im Rahmen eines Ring- oder Kettengeschäfts erfolge, zum Verlust der Vergünstigung führen, weil darin - ähnlich wie in dem Fall des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. Juli 1984 IX R 3/79 (BFHE 142, 347, BStBl II 1985, 33) - ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts liege.

Das FG neige daher dazu, in Fällen sog. Kombi-Fonds gemäß dem Erlaß des Senators für Finanzen vom 8. März 1985 - III C 1 - S 1976 - 3/84 - § 42 AO 1977 anzuwenden.

Ob eine solche Fallgestaltung im Streitfall gegeben sei, lasse sich aufgrund der Feststellungen des FA noch nicht abschließend beurteilen. Die Annahme des FA, im Streitfall liege eine wechselseitige oder eine sich an jeweils andere Gesellschaften der gleichen Firmengruppe wiederholende Darlehensgewährung vor, beruhe auf Vermutungen. Eine Aufklärung müsse im Hauptsachverfahren erfolgen, da bei der im Aussetzungsverfahren lediglich erforderlichen summarischen Prüfung eine Beweiserhebung ausgeschlossen sei.

Zur Begründung der gegen die gewährte Aussetzung eingelegten Beschwerde trägt das FA vor: Das FG sei unzutreffenderweise davon ausgegangen, daß es sich im Streitfall noch nicht abschließend beurteilen lasse, ob ein sog. Kombi-Fonds vorliege. Im vorliegenden Fall sei zwischen den Beteiligten unstreitig, daß ein Kombi-Fonds vorliege.

Ein Kombi-Fonds sei eine Kombination zwischen zwei unterschiedlichen Kapitalanlagen: Einer Beteiligung an einer Personengesellschaft, die ein Gebäude errichte (Objektgesellschaft), kombiniert mit einer Beteiligung an einer anderen Personengesellschaft, die Darlehen nach § 17 Abs. 2 BerlinFG gewähre (Fonds-Gesellschaft). Wenn bei einer solchen Kombination die Gesellschafter beider Personengesellschaften gleichzeitig Darlehensgeber und Darlehnsnehmer von Berlin-Darlehen nach § 17 Abs. 2 BerlinFG seien, liege ein Fall des Mißbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO 1977) vor; denn durch eine solche Gestaltung werde der Bauwirtschaft in Berlin kein zusätzliches Kapitel zur Verfügung gestellt. Diese Gestaltung sei mit dem in dem Urteil in BFHE 142, 347, BStBl II 1985, 33 entschiedenen Fall der Reihumgewährung von Darlehen nach § 17 Abs. 2 BerlinFG vergleichbar.

Im Streitfall sei ein Kombi-Fonds im vorstehend beschriebenen Sinn gegeben. Zwar gehörten die Objektgesellschaften, denen die Darlehen von dem X-Fonds gewährt worden seien, nicht zur selben Firmengruppe wie der X-Fonds. Die an dem X-Fonds (Darlehensfonds) beteiligten Gesellschafter seien aber zugleich an der Z-KG (Objektgesellschaft) beteiligt gewesen. Diese Objektgesellschaft habe Darlehen nach § 17 Abs. 2 BerlinFG von dem Berliner Darlehens-Fonds A-GbR in Höhe von 2 Mio DM erhalten. Diese Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die ebenso wie die Z-KG und der X-Fonds zur Firmengruppe F (F-Gruppe) gehöre, habe sich ihrerseits in Höhe von 400 000 DM von dem ebenfalls der F-Gruppe angehörenden Darlehens-Fonds B-Straße refinanziert. Eine Firmengruppe im vorstehenden Sinn sei immer dann gegeben, wenn Personengesellschaften den gleichen Geschäftsführer hätten.

Das FA meint, die Gesellschafter des X-Fonds und der Z-KG seien bei dieser Konstruktion gleichzeitig Geber und Nehmer von Berlin-Darlehen. Auf diese Weise werde der Berliner Bauwirtschaft kein zusätzliches Kapital zur Verfügung gestellt. Der Sache nach werde also - ohne ersichtliche wirtschaftliche Gründe - ein zur Verfügung gestelltes Berlin-Darlehen durch ein aufgenommenes Berlin-Darlehen refinanziert.

Das FA beantragt,

den angefochtenen Aussetzungsbeschluß aufzuheben.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die vom FG zugelassene Beschwerde (Art. 1 Nr. 3 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -) ist nicht begründet. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß im Streitfall ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Feststellungsbescheide bestehen (§ 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -); denn - selbst wenn man die Sachverhaltsdarstellung des FA zu seinen Gunsten als zutreffend unterstellt - ist es ernstlich zweifelhaft, ob ein Anwendungsfall des § 42 AO 1977 gegeben ist.

1. Zunächst einmal ist der Streitfall mit dem in dem Urteil in BFHE 142, 347, BStBl II 1985, 33 entschiedenen Fall nicht vergleichbar; denn im Streitfall liegt nach dem Vorbringen des FA keine ,,Reihum-Finanzierung" vor. Dies ist schon deshalb nicht der Fall, weil keine Beziehungen zwischen dem zur sog. NN-Gruppe gehörenden Darlehensempfänger und der Z-KG dargelegt worden sind.

2. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Auffassung des FA zutreffend ist, daß bei der von ihm behaupteten Gestaltung - wie das FA meint - der Berliner Bauwirtschaft kein zusätzliches Kapital zur Verfügung gestellt worden sei, denn die Darlehensgewährung des X-Fonds ist in Höhe von 74 100 DM durch Eigenmittel des Fonds und in Höhe von 3 272 500 DM durch Kreditaufnahme finanziert worden. Daß es sich bei diesen Kreditmitteln um Berlin-Darlehen handelte, ist nicht vorgetragen worden.

3. Ernstlich zweifelhaft ist auch, ob ein sog. Kombi-Fonds, also ob im Streitfall der X-Fonds und die Z-KG als eine Person oder wie Ehegatten im Sinne des Urteils in BFHE 142, 347, BStBl II 1985, 33 lediglich deshalb, weil an ihnen dieselben Gesellschafter beteiligt sind, behandelt werden können; denn der X-Fonds und die Z-KG sind je eine selbständige Personengesellschaft und mithin nach den Grundsätzen des Beschlusses vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 406, BStBl II 1984, 751) zwei selbständige Steuerrechtssubjekte, soweit es sich um die Verwirklichung oder Nichtverwirklichung des Tatbestandes einer bestimmten Einkunftsart und das Erzielen von Gewinn oder Überschuß handelt.

4. Ernstlich zweifelhaft, weil in der Rechtsprechung bisher noch nicht geklärt, ist ferner die Frage, ob ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO 1977) auch dann anzunehmen ist, wenn - worauf die Ansicht des FA hinausläuft - ein Steuerpflichtiger einerseits eine nach § 17 Abs. 2 BerlinFG begünstigte Baumaßnahme unter Inanspruchnahme eines Berlin-Darlehens durchführt und andererseits ein Berlin-Darlehen für eine begünstigte Baumaßnahme eines Dritten gewährt, ohne daß eine ,,Reihum-Darlehnsgewährung" vorliegt. Gegen eine solche Auffassung könnte sprechen, daß bei ihrer Bejahung die Gewährung von Berlin-Darlehen die Durchführung begünstigter Baumaßnahmen i. S. des § 17 Abs. 2 BerlinFG durch eine Person ausschließen würden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415054

BFH/NV 1987, 417

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