Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenvorstellung gegen Ablehnung von Prozeßkostenhilfe

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Frage der Zulässigkeit einer Gegenvorstellung gegen eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung.

2. Summarische Prüfung des Vorliegens einer Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Entscheidung, ob die 10jährige Verjährungsfrist für die Nacherhebung von Eingangsabgaben eingreift und Hinterziehungszinsen zu Recht festgesetzt worden sind.

 

Normenkette

EWGV 1697/79 Art. 3; AO 1977 § 169 Abs. 2 S. 2, § 170 Abs. 1, § 235 Abs. 1, § 370 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 142; ZPO § 114

 

Tatbestand

Der Senat wies die im Verfahren wegen Prozeßkostenhilfe (PKH) erhobene Beschwerde des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller) durch Beschluß mit der Begründung zurück, der Antragsteller habe trotz Aufforderung durch das Finanzgericht (FG) nicht in der vorgeschriebenen Form glaubhaft gemacht, daß die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH vorliegen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Gegenvorstellung. Er trägt vor, daß er unter Bezugnahme auf die Aufforderung des FG mit Schriftsatz vom ... die formularmäßige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nebst vier Anlagen vorgelegt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Gegenvorstellung des Antragstellers führt zu keiner Änderung des Beschlusses.

Die Finanzgerichtsordnung (FGO) sieht - wie auch die anderen Verfahrensgesetze - den Rechtsbehelf der Gegenvorstellung nicht vor. Gleichwohl ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, daß eine Gegenvorstellung in bestimmten Ausnahmefällen zu einer Änderung formell rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen führen kann. Voraussetzung hierfür ist stets, daß das Gericht rechtlich zur Abänderung seiner Entscheidung befugt ist. Diese Befugnis besteht nach Auffassung u.a. des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) stets, wenn die Entscheidung auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich dieser Auffassung bisher nicht ausdrücklich angeschlossen (vgl. zum bisherigen ausführlichen Senatsbeschluß vom 23. April 1991 VII B 74/90, BFH/NV 1992, 392 m.w.N.). Auch die vorliegende Gegenvorstellung gibt keinen Anlaß, diese Frage grundsätzlich zu entscheiden, weil die Beschwerdeentscheidung im Tenor auch bei Berücksichtigung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers, durch deren Nichtberücksichtigung sein Recht auf Gehör verletzt worden ist (vgl. dazu Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 96 Rz. 30), nicht anders hätte ergehen können.

Denn - wie das FG in seinem die Bewilligung der PKH ablehnenden Beschluß zutreffend ausgeführt hat - war die PKH schon deswegen nicht zu gewähren, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet nämlich nur dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und deshalb bei summarischer Prüfung für den Eintritt des angestrebten Erfolges (hier der Klage) eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, 217, BStBl II 1987, 217, und vom 15. September 1992 VII B 62/92, BFH/NV 1994, 149). Dabei hat auch der Senat als Beschwerdeinstanz - im Rahmen der gestellten Anträge - die Sache in jeder Hinsicht entsprechend der gegebenen Sach- und Rechtslage zu würdigen.

Nach summarischer Prüfung des Sachverhalts aufgrund des bisherigen Vorbringens der Beteiligten hält es der Senat jedoch für unwahrscheinlich, daß die Klage gegen den Abgaben- und Zinsbescheid des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Hauptzollamt - HZA -) Erfolg haben kann. Denn nach der gebotenen nur überschläglichen Prüfung waren die für den im Namen des Antragstellers ... zum freien Verkehr abgefertigten PKW (Oldtimer) nachgeforderten Eingangsabgaben im Zeitpunkt ihrer Nachforderung ... noch nicht verjährt. Ferner erscheint die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 235 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gerechtfertigt.

Nach Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates (NacherhebungsVO) vom 24. Juli 1979 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 197/1) i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 2 und § 170 Abs. 1 AO 1977 läuft die Frist zur Festsetzung der Eingangsabgaben, wenn diese hinterzogen worden sind, erst zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres ab, in dem die Steuer entstanden ist. Davon ist aber im vorliegenden Fall bei summarischer Prüfung auszugehen, weil der Antragsteller veranlaßt hatte, daß die von ihm beauftragte Firma G (Fa.G) in der in seinem Namen für den eingeführten PKW abgegebenen Zollwertanmeldung u.a. hinsichtlich des Kaufpreises unrichtige Angaben machte, und dadurch Eingangsabgaben verkürzt wurden (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977).

Über die Frage, ob eine Hinterziehung wahrscheinlich ist, kann im finanzgerichtlichen Verfahren im Zusammenhang mit der Nacherhebung der Eingangsabgaben unabhängig von dem Ausgang des Strafverfahrens entschieden werden (BFH-Urteil vom 7. November 1973 I R 92/72, BFHE 111, 7, 9, BStBl II 1974, 125; Beschluß vom 18. Dezember 1986 I B 49/86, BFHE 148, 218, 220, BStBl II 1988, 213). Nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers ist das Vorliegen einer Hinterziehung in objektiver und subjektiver Hinsicht so wahrscheinlich, daß eine Beweiserhebung hierüber zur Zeit nicht erforderlich erscheint. Selbst der Antragsteller hat bisher eine solche nicht veranlagt.

Keinem Zweifel kann unterliegen, daß der Antragsteller durch die unrichtige Zollwertanmeldung die Eingangsabgaben objektiv verkürzte. In subjektiver Hinsicht reicht das Vorliegen bedingten Vorsatzes aus, der auch die Verkürzung der Eingangsabgaben umfassen muß (vgl. BFHE 148, 218, 221, BStBl II 1988, 213). Insoweit trägt das HZA die objektive Beweislast. Der Grundsatz in dubio pro reo ist in diesem Zusammenhang auch im finanzgerichtlichen Verfahren zu beachten (BFHE 148, 218, 220, BStBl II 1988, 213). Selbst unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes erscheint es aber auch nach der zur Zeit gegebenen Aktenlage als sehr wahrscheinlich, daß der Antragsteller zumindest mit bedingtem Vorsatz handelte. Bedingter Vorsatz ist gegeben, wenn es der Beteiligte zumindest für möglich hält, daß er steuerlich erhebliche Tatsachen falsch angibt, dadurch eine Steuerverkürzung eintritt und er dies billigt oder doch in Kauf nimmt (BFHE 148, 218, 220, BStBl II 1988, 213).

Der Antragsteller wußte, daß für die Zollwertanmeldung eine Unterlage über den vereinbarten Kaufpreis erforderlich war. Er wußte auch, daß der der Fa.G für die Durchführung der Zollabfertigung übergebene Kaufvertrag über das Fahrzeug fingiert war, weil er nicht den wahren Verkäufer und Käufer angab. Nach seinen eigenen Angaben kannte der Antragsteller den genauen Kaufpreis des Oldtimers nicht, sondern stellte darüber nur Vermutungen an. Dennoch nahm er die Kaufpreisangabe in dem fingierten Kaufvertrag hin. Er nahm damit in Kauf, daß der angegebene Kaufpreis nicht dem tatsächlich vereinbarten entsprach. Denn anderenfalls hätte nichts näher gelegen, als daß sich der Antragsteller bei seinem Auftraggeber genau nach der Höhe des Kaufpreises für den PKW erkundigte. Da die Höhe der Eingangsabgaben von der Höhe des vereinbarten Kaufpreises abhing, nahm der Antragsteller aller Wahrscheinlichkeit nach auch deren Verkürzung durch die möglicherweise unzutreffende Angabe des Kaufpreises inKauf. Es war insoweit nicht erforderlich, daß der Antragsteller die tatsächliche Höhe der verkürzten Abgaben kannte; die Kenntnis über die für eine Verkürzung der in Betracht kommenden Steuerarten - hier der Eingangsabgaben - reicht aus (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 20. März 1979 1 StR 677/78, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Abgabenordnung, § 370, Rechtsspruch 9).

Der Antragsteller behauptet zwar, er habe den später ermittelten, zwischen dem wirklichen Verkäufer und Käufer vereinbarten tatsächlichen Kaufpreis des PKW von ... DM nicht gekannt, sondern sei aufgrund des Zustandes des Fahrzeuges davon ausgegangen, daß der angegebene Preis von erheblich weniger als ... DM zutreffend war. Deshalb habe er an die Möglichkeit einer Steuerverkürzung gar nicht gedacht. Bei der gebotenen nur summarischen Prüfung der bisher aus den Akten ersichtlichen Umstände ist der Senat jedoch der Überzeugung, daß es sich hierbei um eine Schutzbehauptung des Antragstellers handelt, der seinerseits in der Beschwerdeschrift immerhin das Vorliegen bewußter Fahrlässigkeit einräumt. Denn die eigene Schilderung des Geschehensablaufs durch den Antragsteller in der Klagebegründung (Desinteresse an den Verkaufsverhandlungen, bei denen er sich zeitweise abseits von den Beteiligten an der Bar aufgehalten haben will; unreflektierte Unterschrift unter den als fingiert erkannten Kaufvertrag) deutet eher darauf hin, daß der Antragsteller den genauen Kaufpreis des PKW nicht wissen wollte, als daß er von einem bestimmten Kaufpreis ausging. Da er aber als Zollbeteiligter zu dessen Anmeldung verpflichtet war, spricht es für eine Inkaufnahme der Steuerverkürzung, wenn die bestehenden Möglichkeiten, den richtigen Kaufpreis zu erfahren, nicht ausgeschöpft wurden.

Nach dem zuvor Ausgeführten ist ebenfalls davon auszugehen, daß die Klage auch insoweit keine Aussicht auf Erfolg hat, als sie sich gegen die Festsetzung von Hinterziehungszinsen gemäß § 235 Abs. 1 AO 1977 gegen den Antragsteller als Schuldner der hinterzogenen Eingangsabgaben richtet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419416

BFH/NV 1994, 294

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