Entscheidungsstichwort (Thema)

Fremdkapital i. S. des §8 a KStG

 

Leitsatz (NV)

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob §8 a KStG auch Vergütungen für kurzfristiges Fremdkapital erfaßt.

 

Normenkette

KStG § 8a; FGO § 69

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) -- eine im Frühjahr 1994 gegründete GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland -- betrieb u. a. in den Jahren 1994 und 1995 (Streitjahre) ein Hoch- und Tiefbauunternehmen. Ihre alleinige Gesellschafterin ist die G mit Sitz in Italien. G gewährte der Antragstellerin in den Streitjahren Kontokorrentdarlehen zur kurzfristigen Finanzierung von Bauleistungen. Außerdem nahm die Antragstellerin in den Streitjahren zur Zwischenfinanzierung von langfristigen Auftragsfertigungen Kredite einer italienischen Bank in Anspruch. Die Bankdarlehen hatte G vermittelt. Nach den Vereinbarungen zwischen der Bank und G galt auch G als Darlehensnehmerin. Zusätzlich gewährte eine inländische Zweigstelle der Bank der Antragstellerin 1994 einen Kontokorrentkredit.

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) vertrat bei der Veranlagung der Antragstellerin zur Körperschaftsteuer 1994 die Auffassung, die Zinsaufwendungen für diese Gesellschafter- und Bankdarlehen seien gemäß §8 a des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in Höhe von ... DM als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) dem erklärten Verlust hinzuzurechnen. Er erließ einen Körperschaftsteuerbescheid, dem diese Rechtsauffassung zugrunde liegt. Gleichzeitig setzte das FA nachträglich für 1995 Körperschaftsteuer- und Solidaritätszuschlagsvorauszahlungen fest. Zuvor hatte das FA die Antragstellerin ohne Erfolg aufgefordert, nachzuweisen, daß auch fremde Dritte bei sonst gleichen Umständen -- jedoch ohne Rückgriffsmöglichkeit auf G -- ihr die Kredite gewährt hätten. Gegen beide Bescheide legte die Antragstellerin form- und fristgerecht Einspruch ein, über den bisher -- soweit dem beschließenden Senat bekannt ist -- noch nicht entschieden worden ist.

Außerdem beantragte die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide. Das FA lehnte den Antrag ab. Der deshalb erhobene Einspruch hatte in geringem Umfang Erfolg. Das FA setzte die Vollziehung der Bescheide insoweit aus, als die Steuerfestsetzungen darauf beruhen, daß die an die inländische Zweigstelle der Bank gezahlten Kontokorrentzinsen als vGA angesetzt worden sind. Im anschließenden Verfahren gemäß §69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) setzte das Finanzgericht (FG) die Vollziehung der Bescheide auch hinsichtlich der Restbeträge aus. Der Beschluß des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 67 veröffentlicht.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde beantragt das FA sinngemäß, den Beschluß des FG aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen, soweit er über die bereits vom FA gewährte Aussetzung der Vollziehung hinausgeht.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist zurückzuweisen. Sie ist unbegründet. Das FG hat zu Recht die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide in vollem Umfang wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide ausgesetzt.

1. Gemäß §69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag schon vor Erhebung der Klage die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheids (Verwaltungsakts) aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen oder wenn -- was im Streitfall von der Antragstellerin nicht geltend gemacht worden ist -- dessen Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids bestehen, wenn bei summarischer Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheids anhand des Akteninhalts gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken und die dazu führen können, daß sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Bescheid als rechtswidrig erweist (s. Bundesfinanzhof -- BFH --, Entscheidungen vom 17. Mai 1978 I R 50/77, BFHE 125, 423, 426, BStBl II 1978, 579; vom 20. September 1995 I B 197/94, BFH/NV 1996, 366; Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, §69 Anm. 77 f.; Gosch in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, §69 FGO Rz. 123 f., 170 f., m. w. N.).

2. Für den Streitfall ergibt die summarische Prüfung:

a) Es ist entscheidungserheblich, ob die Zinsaufwendungen für die Kontokorrentkredite der G und der Bank gemäß §8 a KStG als vGA gelten. Die festgesetzten Steuerbeträge beruhen ausschließlich darauf, daß das FA gemäß §8 a KStG die Zinsaufwendungen als vGA behandelt und das von der Antragstellerin für 1994 erklärte Einkommen entsprechend erhöht hat. Wenn die Zinsaufwendungen nicht gemäß §8 a KStG als vGA gelten, beträgt die für 1994 festzusetzende Körperschaftsteuer 0 DM. Nach §49 Abs. 1 KStG i. V. m. §37 Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes betragen dann auch die Körperschaftsteuer- und Solidaritätszuschlagsvorauszahlungen für 1995 jeweils 0 DM.

b) Es ist unsicher, ob die Zinsaufwendungen gemäß §8 a KStG als vGA gelten.

In der Literatur wird von zahlreichen Autoren die Auffassung vertreten, §8 a KStG erfasse nur Vergütungen für langfristiges Fremdkapital (z. B. Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., §8 a KStG Rz. 51; Schwebel in Dötsch/ Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, §8 a KStG Rz. 11; Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, §8 a KStG Rz. 18; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., 1997, §8 a Anm. 5; Wilke in Mössner/Seeger, Körperschaftsteuergesetz, §8 a Rz. 36; Frotscher, Internationales Steuerrecht -- IStR -- 1994, 201, 203; s. auch Herzig, Der Betrieb 1994, 168, 170; Blümich/Menck, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., §8 a KStG Rz. 11). Einige Autoren (Prinz, Frotscher, Wilke, a. a. O.) sind der Auffassung, aus Praktikabilitätsgründen sei es sinnvoll, bei Anwendung des §8 a KStG das langfristige vom kurzfristigen Fremdkapital nach denselben Kriterien abzugrenzen, wie die Dauerschulden i. S. des §8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes von den Schulden, die das Betriebskapital nur vorübergehend verstärken.

Für diese Auslegung des §8 a KStG könnte der Zweck der Vorschrift sprechen. §8 a KStG soll die steuerlichen Vorteile einschränken, die sich für die nicht zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigten Anteilseigner ergeben können, falls sie der Gesellschaft Kapital nicht als Eigenkapital, sondern als Fremdkapital zur Verfügung stellen (s. BTDrucks 12/5016 S. 83 f.; Herzig, Steuer und Wirtschaft 1993, 237). Da Eigenkapital den Kapitalgesellschaften in der Regel langfristig zur Verfügung gestellt wird, könnte die Umqualifizierung von Vergütungen für Fremdkapital in vGA aufgrund §8 a KStG daher dann ausgeschlossen sein, wenn das von Gesellschaftern zur Verfügung gestellte oder durch sie abgesicherte Fremdkapital wegen seiner Kurzfristigkeit nicht die Funktion von Eigenkapital hat (s. Prinz, a. a. O.; Frotscher, IStR 1994, 201, 203).

Gegen diese einschränkende Auslegung des §8 a KStG spricht allerdings: Der Wortlaut der Norm läßt auch nicht andeutungsweise erkennen, daß nur Vergütungen für langfristiges Fremdkapital von der Vorschrift erfaßt werden sollen. §8 a KStG unterscheidet klar zwischen Fremd- und Eigenkapital. Rechtsfolge der Norm ist nicht die Umqualifizierung von Fremdkapital in Eigenkapital. Nur Vergütungen für Fremdkapital werden gemäß §8 a KStG in vGA umqualifiziert. Auch Kapital, das Gesellschafter oder Dritte einer Kapitalgesellschaft kurzfristig als Fremdkapital zur Verfügung stellen, kann Eigenkapitalcharakter haben. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn das Fremdkapital in Krisensituationen der Gesellschaft als eigenkapitalersetzend i. S. des §32 a des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung erkannt wird.

c) Ob die für oder die gegen eine einschränkende Auslegung des §8 a KStG sprechenden Gründe durchgreifen, muß der Entscheidung im etwaigen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Für die Aussetzung der Vollziehung reicht es aus, daß der für eine einschränkende Auslegung sprechende Grund von Gewicht ist, bisher keine Entscheidung des BFH vorliegt, die ihn als nicht durchgreifend beurteilt, und die zu beurteilenden Kontokorrentkredite nach Lage der Akten keine Dauerschulden sind.

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 1373

GmbHR 1998, 992

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