Leitsatz (amtlich)

1. Urteile können im finanzgerichtlichen Verfahren dadurch zugestellt werden, daß der Postbote das Urteil beim zuständigen Postamt niederlegt und dem Steuerpflichtigen eine Mitteilung hinterläßt, wenn er weder den Steuerpflichtigen noch einen Familienangehörigen in der Wohnung getroffen hat und der Hauswirt oder Vermieter ebenfalls nicht anwesend gewesen ist.

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn der Steuerpflichtige lediglich bestreitet, eine Mitteilung von der Niederlegung des Urteils beim Postamt erhalten zu haben. Der Steuerpflichtige muß vielmehr durch Tatsachen glaubhaft machen, daß er trotz verkehrsüblicher Sorgfalt die Mitteilung nicht im Briefkasten oder unter der Haustür oder Wohnungstür finden konnte.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 82, 120 Abs. 1 S. 1; VwZG § 3 Abs. 3; ZPO §§ 182, 418

 

Tatbestand

Das FA machte den Stpfl., einen Bauunternehmer, für Lohnsteuer- und Kirchensteuerabzugsbeträge seiner Arbeitnehmer haftbar, die der Stpfl. nicht an das FA abgeführt hatte. Der Einspruch und die Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil wurde dem Stpfl. am 5. Mai 1967 zugestellt. Die Revision ging am 14. Juli 1967 beim FG ein. Der Stpfl. begehrt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er bringt vor, er habe keine Mitteilung erhalten, daß der Postbote das Urteil des FG beim Postamt niedergelegt habe. Er habe hiervon erst bei einer Nachfrage auf der Geschäftsstelle des FG erfahren; er habe sich daraufhin sofort ans Postamt gewandt, das ihm am 4. Juli 1967 das Urteil ausgehändigt habe.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unzulässig.

Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Urteils beim FG schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Das Urteil wurde dem Stpfl. am 5. Mai 1967 rechtswirksam zugestellt. Nach seinen Aufzeichnungen auf der Postzustellungsurkunde hat der Postbote weder den Stpfl. noch einen Familienangehörigen in der Wohnung angetroffen noch den Hauswirt oder Vermieter erreichen können. Er hat deshalb am 5. Mai 1967 das Urteil beim zuständigen Postamt niedergelegt und eine schriftliche Mitteilung hierüber unter der Anschrift des Empfängers "in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise" abgegeben. Auf diese Weise wurde dem Stpfl. das Urteil wirksam zugestellt (§ 53 Abs. 1 FGO in Verbindung mit § 3 Abs. 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes und § 182 ZPO). Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO mußte der Stpfl. mithin die Revision bis zum 5. Juni 1967 einlegen und bis zum 5. Juli 1967 begründen. Diese Fristen hat der Stpfl. versäumt, da die Revisionsschrift erst am 14. Juli 1967 beim FG einging.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte dem Stpfl. nicht gewährt werden. Das ist nach § 56 FGO nur zulässig, wenn der Rechtsmittelführer Tatsachen vorträgt und glaubhaft macht, warum er ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Revisionsfrist einzuhalten. Der Stpfl. behauptet, er habe keine Mitteilung über die Niederlegung des Urteils beim Postamt erhalten. Hiermit bestreitet er zwar, daß er von der Niederlegung Kenntnis gehabt habe. Er bringt aber keine glaubhaften Tatsachen vor, daß ihn an dieser Unkenntnis keine Schuld trifft. Nach der Postzustellungsurkunde hat der Postbote die Mitteilung von der Niederlegung unter der Anschrift des Empfängers "in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abgegeben", d. h. er hat die Mitteilung in den Briefkasten gesteckt oder unter die Tür geschoben (Stein-Jonas, Zivilprozeßordnung, 18. Aufl., § 182, Anm. III). Die Mitteilung war damit so in den Empfangsbereich des Stpfl. gelangt, daß der Stpfl. sie bei verkehrsüblicher Sorgfalt alsbald hätte entdecken müssen. Der Stpfl. hätte daher vortragen müssen, warum er trotzdem die Mitteilung nicht finden konnte, etwa weil der Briefkasten aufgebrochen war. Solche Tatsachen hat der Stpfl. jedoch nicht vorgebracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412919

BStBl II 1968, 295

BFHE 1968, 218

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