Entscheidungsstichwort (Thema)

Unentgeltliche Verfügung zwischen Ehegatten, die Gesamtschuldner sind

 

Leitsatz (NV)

1. Der Anfechtungstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG ist bei unentgeltlichen Verfügungen zwischen Ehegatten auch dann erfüllt, wenn diese hinsichtlich der geschuldeten Steuern Gesamtschuldner sind.

2. Zur Frage der wertausschöpfenden Belastung eines unentgeltlich übertragenen Grundstücks.

 

Normenkette

AnfG § 3 Abs. 1 Nr. 4; AO 1977 § 191 Abs. 1, § 268ff

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist Klägerin in einem beim Finanzgericht (FG) anhängigen Verfahren wegen Duldung der Zwangsvollstreckung. Sie erhielt durch notariellen Grundstücksübertragungsvertrag vom 26. November 1980 von ihrem Ehemann die ideelle Hälfte eines in A belegenen Grundstücks, das zuvor im Miteigentum beider Ehegatten gestanden hatte, unentgeltlich übertragen. Zum Zeitpunkt der Übertragung des Miteigentumsanteils war das Grundstück mit Grundschulden in Höhe von insgesamt 244 800 DM belastet. Im April 1981 wurde eine weitere Grundschuld von 250 000 DM eingetragen. Mit Duldungsbescheid vom 10. August 1982 erklärte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) wegen Einkommensteuer und Kirchensteuer 1978 und 1979 und darauf entfallender Säumniszuschläge des Ehemannes (insgesamt 96 447,30 DM) der Antragstellerin gegenüber die Anfechtung des Übertragungsgeschäftes gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 und § 7 des Gesetzes betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens (Anfechtungsgesetz) - AnfG - und verpflichtete die Antragstellerin, die Zwangsvollstreckung durch das FA zu dulden.

Der Einspruch der Antragstellerin wurde unter Herabsetzung der zu befriedigenden Einkommensteuer und Kirchensteuer 1979 zurückgewiesen. Über die hiergegen erhobene Klage hat das FG noch nicht entschieden. Einen von der Antragstellerin gestellten Antrag auf Prozeßkostenhilfe für das Klageverfahren wies das FG mit folgender Begründung zurück:

Die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 114 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Bei der im Prozeßkostenhilfeverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung sei davon auszugehen, daß die nach den §§ 1, 2 AnfG erforderliche objektive Gläubigerbenachteiligung vorliege; denn mit der Übertragung der Grundstückshälfte vom Ehemann auf die Antragstellerin sei die Befriedigungsmöglichkeit des FA gegenüber dem Ehemann als Gesamtschuldner der Einkommensteuer 1978 und 1979 entfallen. Daß die Position des FA gegenüber der Antragstellerin als Gesamtschuldnerin möglicherweise eine Verbesserung erfahren habe, müsse angesichts deren Möglichkeit, nach § 268 der Abgabenordnung (AO 1977) im Wege der Aufteilung der Steuerschuld die Beschränkung der Vollstreckung beantragen zu können, außer Betracht bleiben.

Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die der Antragstellerin unentgeltlich übertragene Grundstückshälfte wegen der bestehenden Belastungen wirtschaftlich wertlos gewesen sei. Selbst wenn die im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechte noch in voller Höhe (244 800 DM) valutiert gewesen seien, gebe die Antragstellerin selbst den Verkehrswert des Grundstücks höher als die Belastungen, nämlich mit 250 000 DM bis 260 000 DM, an. Darüber hinaus gebe es ausreichende Hinweise, die für einen höheren Wert im Zeitpunkt der Übertragung sprächen. Das FA habe darauf hingewiesen, daß allein die Herstellungskosten des Gebäudes im Jahre 1979 293 263 DM betragen hätten. Nach der Berechnung des FA ergebe sich ein Gesamtwert von etwa 487 000 DM, wovon allein 89 950 DM auf den Grund und Boden entfielen. Überdies erscheine es unverständlich, daß im April 1981 mit dem Ehemann verwandte Gläubiger noch Grundpfandrechte über 250 000 DM hätten eintragen lassen, wenn das Grundstück nur einen Verkehrswert von 250 000 DM gehabt hätte.

Im übrigen liege der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG vor. Die Einspruchsentscheidung genüge bei summarischer Betrachtung den Anforderungen, die an eine Ermessensentscheidung zu stellen seien.

Mit der gegen die Versagung der beantragten Prozeßkostenhilfe erhobenen Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, sie habe infolge der Zusammenveranlagung mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer 1978 und 1979 als Gesamtschuldnerin für die rückständigen Steuern einzustehen (§ 44 AO 1977). Die Übertragung des Miteigentumsanteils an dem Grundstück von ihrem Ehemann auf sie habe somit nicht zu einer Benachteiligung des FA geführt, weil der Grundstücksanteil nicht ,,aus dem Vermögen der Gesamtschuldner" ausgeschieden sei, was jedoch Voraussetzung für eine anfechtbare Rechtshandlung gewesen wäre. Wenn das FG unter Hinweis auf die §§ 268 ff. AO 1977 in der Übertragung dennoch eine Gläubigerbenachteiligung sehe, so könne dem nicht gefolgt werden. Solange die Gesamtschuldner von der Möglichkeit, im Wege der Aufteilung der Steuern die Beschränkung der Vollstreckung zu beantragen, keinen Gebrauch machten, seien Anfechtungstatbestände nicht gegeben.

Das FG habe nicht davon ausgehen dürfen, daß das Grundstück im Zeitpunkt der Übertragung des Anteils nicht wertausschöpfend belastet gewesen sei. Wenn es den Verkehrswert als entscheidungserheblich angesehen habe, hätte es im Hinblick auf die unterschiedlichen Wertangaben der Beteiligten hierüber ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Bei dem von ihr angenommenen Verkehrswert zwischen 250 000 DM und 260 000 DM und einer Belastung im Zeitpunkt der Übertragung von rund 244 000 DM wäre Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Die Auffassung des FG, daß der Verkehrswert in aller Regel über den Herstellungskosten liegen müsse, verkenne die Preisentwicklung auf dem Grundstücksmarkt in A.

Das FG habe aus der von ihm unter Hinweis auf die §§ 268 ff. AO 1977 angenommenen Gläubigerbenachteiligung nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen. Falls sie und ihr Ehemann von der Möglichkeit der Aufteilung der Einkommensteuerschulden Gebrauch gemacht hätten, wäre sie nicht mehr als Gesamtschuldnerin anzusehen. Dies hätte zur Folge, daß sie lediglich so zu stellen wäre, als ob der ihr übertragene Grundstücksanteil noch ihrem Ehemann gehöre, so daß nur dieser Anteil der Zwangsvollstreckung unterläge. Dabei dürfte sie jedoch nicht verpflichtet werden, die von ihr nach der Übertragung vorgenommene Belastung des Grundstücks in Höhe von 250 000 DM in vollem Umfang rückgängig zu machen, da sie ihren Anteil in beliebiger Höhe hätte belasten können.

Da in einem derartigen Fall auch dem Ehemann mindestens die Hälfte der ursprünglichen Schulden anzurechnen wäre, sei nicht ersichtlich, daß eventuelle Vollstreckungsmaßnahmen in den Hälfteanteil bei der gegenwärtigen Lage auf dem Grundstücksmarkt erfolgreich sein könnten. Der Erlaß eines Duldungsbescheids sei ermessensfehlerhaft und verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn wegen eines unwahrscheinlichen Überschusses von bestensfalls einigen tausend DM eine Zwangsversteigerung des Grundstücks wegen des Hälfteanteils erfolgen müsse und damit die Lebensgrundlage der ganzen Familie zerstört würde.

Die Antragstellerin beantragt, ihr unter Aufhebung der Vorentscheidung Prozeßkostenhilfe für das Klageverfahren zu gewähren und ihr ihren Prozeßbevollmächtigten beizuordnen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Das FG hat der Antragstellerin zu Recht die beantragte Prozeßkostenhilfe für die bei ihm anhängige Anfechtungsklage gegen den Duldungsbescheid versagt. Die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverteidigung gegen den vom FA mit dem Duldungsbescheid geltend gemachten Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in die ihr vom Ehemann übertragene ideelle Grundstückshälfte bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 FGO, § 114 Abs. 1 ZPO).

1. Das FA stützt seine mit dem angefochtenen Duldungsbescheid gegenüber der Antragstellerin geltend gemachte Anfechtung der Übertragung des Miteigentumsanteils an dem Grundstück auf § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG und die Verpflichtung zur Duldung der Zwangsvollstreckung in diesen Grundstücksanteil auf § 7 AnfG. Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß sich die Verpflichtung des Anfechtungsgegners zur Duldung der Zwangsvollstreckung aufgrund des § 7 AnfG unmittelbar aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis ergibt, auf dem der Rückgewähranspruch beruht, und das FA diese Verpflichtung durch Duldungsbescheid nach § 191 Abs. 1 AO 1977 verfolgen kann (Urteile vom 14. Juli 1981 VII R 49/80, BFHE 133, 501, 503, BStBl II 1981, 751; vom 2. März 1983 VII R 120/82, BFHE 138, 10, 12, BStBl II 1983, 398; vom 31. Mai 1983 VII R 7/81, BFHE 138, 416, 418, BStBl II 1983, 545; vom 8. März 1984 VII R 43/83, BFHE 141, 106, 108, BStBl II 1984, 576, und vom 31. Juli 1984 VII R 151/83, BFHE 142, 99, BStBl II 1985, 31). Er hält an dieser Auffassung, von der auch das FG ausgegangen ist, trotz der hiergegen erhobenen Einwendungen (vgl. Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 25. September 1984 V 85/83, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 211, im Anschluß an Böhle-Stamschräder / Kilger, Anfechtungsgesetz, 7. Aufl., § 9 Anm. IV. 4) fest (Urteil des Senats vom 10. Februar 1987 VII R 122/84, BFHE 149, 204).

Die Antragstellerin muß demnach die Zwangsvollstreckung in den ihr übertragenen Grundstücksanteil dulden, denn der vom FA vorgenommene Anfechtungstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG ist im Streitfall erfüllt. Nach dieser Vorschrift sind anfechtbar die in den letzten zwei Jahren vor der Anfechtung von dem Schuldner vorgenommenen unentgeltlichen Verfügungen zugunsten seines Ehegatten. Der Antragstellerin ist der streitbefangene ideelle Grundstücksanteil von ihrem Ehemann (Steuerschuldner) unentgeltlich übertragen worden, und das FA hat die Anfechtungsfrist von zwei Jahren gewahrt, da der Grundstücksübertragungsvertrag vom 26. November 1980 mit dem Duldungsbescheid vom 10. August 1982 angefochten worden ist.

2. Der vorstehend dargelegte Anfechtungstatbestand wird nicht dadurch berührt, daß die Klägerin und ihr Ehemann hinsichtlich der vom FA geltend gemachten Steuerforderungen Gesamtschuldner sind (§ 26b des Einkommensteuergesetzes - EStG -, § 44 Abs. 1 AO 1977). Es steht im Ermessen der Finanzbehörde, welchen Gesamtschuldner sie in Anspruch nehmen will (vgl. Halaczinsky in Koch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 44 Anm. 6; § 7 Abs. 3 Satz 2 des Steueranpassungsgesetzes). Zieht sie bei zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten - wie im Streitfall - den Ehemann als Vollstreckungsschuldner heran, so ist dieser der Schuldner i. S. der §§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG, dessen unentgeltliche Verfügungen anfechtbar sind, auch wenn sie zugunsten seiner Ehefrau erfolgt sind, die selbst Gesamtschuldnerin ist. Die Anfechtung setzt nicht, wie die Antragstellerin meint, voraus, daß der durch die anfechtbare Rechtshandlung übertragene Vermögensgegenstand ,,aus dem Vermögen der Gesamtschuldner" ausgeschieden ist.

Zwar erfordert jeder Anfechtungstatbestand eine objektive Benachteiligung des Gläubigers dergestalt, daß seine Zugriffslage durch die Rechtshandlung des Schuldners beeinträchtigt ist (Böhle-Stamschräder / Kilger), a. a. O., § 3 Anm. I. 4). Die objektive Benachteiligung des Steuergläubigers kann aber auch bei Vermögensverschiebungen zwischen Ehegatten, die infolge der Zusammenveranlagung die Einkommensteuer als Gesamtschuldner schulden, gegeben sein. Denn das FA kann - wie das FG zutreffend erkannt hat - seine grundsätzliche Befugnis, jeden Gesamtschuldner hinsichtlich der gesamten Steuerforderung in Anspruch zu nehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 2 AO 1977), dadurch verlieren, daß einer der Ehegatten oder beide gemäß § 268 AO 1977 beantragen, die Vollstreckung wegen dieser Steuern jeweils auf den Betrag zu beschränken, der sich nach Maßgabe der §§ 269 bis 278 AO 1977 bei einer Aufteilung der Schuld ergibt. Mit dem Antrag auf Aufteilung der Gesamtschuld muß regelmäßig bei dem Ehegatten gerechnet werden, auf den nach dem Aufteilungsmaßstab der §§ 270 ff. AO 1977 keine oder nur eine geringe Steuer entfällt. Ihm gegenüber kann der Zugriff des Steuergläubigers auf Vermögensgegenstände, die ihm durch anfechtbare Rechtshandlungen des anderen Ehegatten übertragen worden sind, nur im Wege der Anfechtung nach dem AnfG gewahrt werden. Für diese Anfechtung kann nicht, wie die Antragstellerin meint, abgewartet werden, ob der durch die Verfügung seines Ehegatten Begünstigte im Falle der eigenen Inanspruchnahme als Vollstreckungsschuldner tatsächlich den Antrag auf Aufteilung der Gesamtschuld und Beschränkung der Zwangsvollstreckung nach § 268 AO 1977 stellt. Denn die Anfechtung ist regelmäßig an bestimmte Fristen gebunden.

3. Die auf dem Grundstück und damit auch auf der auf die Antragstellerin übertragenen ideellen Hälfte des Ehemannes lastenden Grundpfandrechte stehen der Annahme einer anfechtbaren unentgeltlichen Verfügung i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG nicht entgegen. Bei dieser Betrachtung ist zunächst die erst nach Abschluß des Grundstücksübereignungsvertrages (26. November 1980) im April 1981 vorgenommene dingliche Belastung in Höhe von 250 000 DM auszuscheiden, weil sich die Frage, ob der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG - insbesondere die Unentgeltlichkeit - erfüllt ist, nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Zuwendung richtet (Böhle-Stamschräder/Kilger, a. a. O., § 3 Anm. III. 9).

Die Unentgeltlichkeit der Zuwendung wird auch durch die im Zeitpunkt der Übertragung des Miteigentumsanteils auf dem (gesamten) Grundstück lastenden Grundschulden von insgesamt 244 800 DM nicht berührt. Bei der Übertragung eines belasteten Grundstücks (Grundstücksanteils) kommt es für die Frage der Unentgeltlichkeit nicht auf einen Wertvergleich zwischen dem Wert des Grundstücks und den übernommenen dinglichen Lasten, sondern entscheidend darauf an, ob diese Lasten eine Gegenleistung als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks darstellen (Urteil des Senats vom 8. August 1978 VII R 125/74, BFHE 125, 500, BStBl II 1978, 663, 666). Im Streitfall stellt die Übernahme der bereits vor dem Eigentumsübergang bestehenden Lasten keine Gegenleistung im Sinne eines entgeltlichen Erwerbs dar. Die Grundschulden mindern lediglich wirtschaftlich gesehen den Wert des von der Antragstellerin übernommenen Grundstücksanteils (vgl. BFHE 125, 500, BStBl II 1978, 666). Es handelt sich aber insgesamt um eine unentgeltliche Zuwendung, wobei das gesamte Grundstück wie zuvor als Sicherungsobjekt den bisherigen Grundpfandgläubigern erhalten bleibt.

Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die der Antragstellerin übertragene Grundstückshälfte wegen der übernommenen Belastungen wirtschaftlich wertlos gewesen sei, so daß es aus diesem Grunde an einer Zuwendung des Vollstreckungsschuldners oder an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehle. Es bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß der Verkehrswert des Grundstücks die dinglichen Belastungen, selbst wenn diese im Zeitpunkt der unentgeltlichen Verfügung noch in voller Höhe (244 800 DM) valutiert gewesen sein sollten, nicht unerheblich übersteigt und daß er auf jeden Fall höher liegt als der von der Antragstellerin angegebene, nicht näher substantiierte Wert von 250 000 DM bis 260 000 DM. Hierfür sprechen, wie die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat, die Herstellungskosten des Gebäudes im Jahre 1979 von 293 264 DM, der vom FA errechnete Gesamtwert des Grundstücks von 487 000 DM (davon 89 950 DM für Grund und Boden) und die Tatsache, daß sich Verwandte des Ehemannes als Gläubiger, denen die Wertverhältnisse nicht völlig unbekannt gewesen sein dürften, im April 1981 an dem Grundstück noch weitere Grundpfandrechte über 250 000 DM haben bestellen lassen. Wenn auch die vom Brandkassenwert und Baukostenindex ausgehende Wertermittlung des FA möglicherweise die Preisentwicklung auf dem Grundstücksmarkt im Raum A im Bewertungszeitpunkt nicht ausreichend berücksichtigt, so kann doch davon ausgegangen werden, daß der Verkehrswert für das Grundstück (Grund und Boden und Gebäude) jedenfalls die Herstellungskosten des Gebäudes übersteigt und er somit erheblich über dem Betrag der Grundstücksbelastung und auch über dem von der Antragstellerin geschätzten Wert liegt. Das gilt entsprechend für den Wert der - anfechtbar - auf die Antragstellerin übertragenen Grundstückshälfte im Verhältnis zu den anteilig hierauf entfallenden mitübernommenen Grundpfandrechten.

Die vom FG angestellten Erwägungen zur Wertermittlung waren für das hier vorliegende Verfahren wegen Gewährung von Prozeßkostenhilfe ausreichend. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Verkehrswert des Grundstücks und des übertragenen Grundstücksanteils bedurfte es nicht, zumal es auf dessen genaue Höhe nicht ankommt. Es reicht aus, daß Anhaltspunkte dafür vorliegen, die für einen die übernommenen Grundpfandrechte erheblich übersteigenden Wert des Grundstücksanteils sprechen, während der von der Antragstellerin behauptete Verkehrswert (250 000 DM bis 260 000 DM) ohne jede Substantiierung geblieben ist.

4. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt ferner, daß die Ausübung des Anfechtungsrechts durch das FA und die Inanspruchnahme der Antragstellerin durch den angefochtenen Duldungsbescheid nicht - wie die Antragstellerin meint - wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ermessensfehlerhaft ist. Das FA konnte vielmehr davon ausgehen, daß die Zwangsvollstreckung in den der Antragstellerin vom Vollstreckungsschuldner übertragenen Grundstücksanteil auch unter Berücksichtigung der mitübernommenen dinglichen Belastungen von Erfolg sein würde. Nach den oben dargelegten Wertverhältnissen brauchte es nicht damit zu rechnen, daß ihm bei einer Zwangsversteigerung des anfechtbar erworbenen Miteigentumsanteils nur ein im Verhältnis zu den Steuerschulden des Ehemannes geringfügiger Überschuß verbleiben würde. Die mit der Anfechtung verbundenen Folgen und Belastungen der Zwangsversteigerung müssen vom Duldungspflichtigen in gleicher Weise wie vom Vollstreckungsschuldner hingenommen werden.

Das FA hat in der Einspruchsentscheidung - neben Ausführungen darüber, daß das Grundstück im Zeitpunkt der Übertragung des Anteils nicht wertausschöpfend belastet war - seine Ermessensentscheidung, die Antragstellerin durch Duldungsbescheid in Anspruch zu nehmen (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), damit begründet, daß die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Ehemannes nicht zu einer vollständigen Befriedigung des FA geführt habe und anzunehmen sei, daß sie zu einer solchen auch nicht führen werde. Das reicht, wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 138, 416, BStBl II 1983, 545, 548 entschieden hat, für die Begründung der Ermessensentscheidung aus.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415002

BFH/NV 1987, 624

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge