Leitsatz (amtlich)

1. Ein Mitwirken bei der Beweisaufnahme nach § 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGebO liegt nicht schon dann vor, wenn der Bevollmächtigte von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis erhalten und dazu Stellung genommen hat.

2. Bei der Entscheidung über die Beschwerde im Kostenfestsetzungsverfahren steht das Verböserungsverbot einer Prüfung der einzelnen Posten der Kostenfestsetzung und ihrer Ersetzung durch andere nicht im Wege.

 

Normenkette

FGO § 148 Abs. 3, § 149; BRAGO § 118 Abs. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

Das FA A teilte dem FA B mit, dem Steuerpflichtigen seien 5 330 DM aus einer Zukunftssicherung seines Vaters zugeflossen. Es bat, den auf diesen Betrag entfallenden Lohnsteuerbetrag nachzufordern. Das FA veranlagte den Steuerpflichtigen daraufhin zur Einkommensteuer. Der Steuerpflichtige legte gegen den Steuerbescheid Einspruch ein. Zu der Einspruchsbegründung holte das FA eine Stellungnahme des FA A ein. Die Stellungnahme gab das FA dem Prozeßbevollmächtigten des Steuerpflichtigen zur Kenntnis. Nachdem der Prozeßbevollmächtigte sich dazu geäußert hatte, wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Daraufhin erhob der Steuerpflichtige Klage. In einem Erörterungstermin am 21. Februar 1967 vor dem Berichterstatter des FG, in dem der Prozeßbevollmächtigte des Steuerpflichtigen durch einen Unterbevollmächtigten und das FA durch einen Bevollmächtigten vertreten waren, teilte der Berichterstatter den Beteiligten, wie sich aus der Niederschrift über den Erörterungstermin ergibt, das derzeitige Ermittlungsergebnis mit. Sodann äußerte er, daß hinsichtlich der 5 330 DM einkommensteuerrechtliche Folgen nicht ausgelöst worden seien. Einkommensteuer dürfe auch deshalb nicht angefallen sein, weil die Zahlung auf drei Jahre habe verteilt werden müssen und der Steuerpflichtige in den vorangegangenen Jahren bei der Bundeswehr gewesen sei. "Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage erklärte der Vertreter der beklagten Behörde", so heißt es in der Niederschrift, "daß er unter diesen Umständen den Bescheid vom 3. August 1965 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 7. Februar 1966 zurücknehme. Im Anschluß hieran erklärten die Beteiligten die Hauptsache für erledigt." Durch Beschluß vom 23. März 1967 entschied das FG, daß das FA die Kosten des Verfahrens und des Vorverfahrens zu tragen habe und daß die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig erklärt werde.

Mit dem Antrag auf Festsetzung der zu erstattenden Kosten verlangte der Steuerpflichtige u. a. die Erstattung einer Besprechungsgebühr und einer Beweisaufnahmegebühr für das Vorverfahren in Höhe von je 56,30 DM sowie einer Verhandlungs- und einer Erledigungsgebühr in Höhe von je 75 DM für das Verfahren vor dem FG nebst 4 % Umsatzsteuer. In dem Kostenfestsetzungsbeschluß, mit dem die zu erstattenden Kosten auf insgesamt 236,01 DM festgesetzt wurden, lehnte der Urkundsbeamte des FG die Berücksichtigung dieser Gebühren ab. Auf die Erinnerung des Steuerpflichtigen setzte das FG die zu erstattenden Kosten durch Beschluß vom 21. März 1968 auf 383,61 DM fest. Im übrigen wies es die Erinnerung als unbegründet zurück. In den Gründen führte das FG aus, daß dem Steuerpflichtigen neben der Besprechungsgebühr auch die Erledigungsgebühr zu erstatten sei. Anläßlich des Erörterungstermins sei die Streitsache mit dem Bevollmächtigten des Steuerpflichtigen und mit dem FA eingehend erörtert worden. Diese Tätigkeit des Bevollmächtigten gehe über das übliche Tätigwerden hinaus, zumal der Bevollmächtigte für die Teilnahme an dem Eröterungstermin eine Verhandlungsgebühr nicht erhalte.

Gegen den Beschluß ließ das FG die Beschwerde zu.

Mit der Beschwerde strebt der Steuerpflichtige auch die Erstattung der Beweisaufnahmegebühr und der Verhandlungsgebühr an.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Die Erstattung der Beweisaufnahmegebühr kann der Steuerpflichtige nicht verlangen, weil dem Prozeßbevollmächtigten eine solche Gebühr für seine Tätigkeit im Vorverfahren nicht zusteht. Auch wenn man davon ausgeht, daß das Einholen der Stellungnahme des FA A eine vom FA angeordnete Beweisaufnahme im Sinne von § 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGebO war, so erhält der Prozeßbevollmächtigte die Gebühr nach dieser Vorschrift deshalb nicht, weil er bei der Beweisaufnahme nicht mitgewirkt hat. Die Tätigkeit des Prozeßbevollmächtigten bestand lediglich darin, daß er von der Stellungnahme des FA A Kenntnis nahm und sie anschließend in einem Schriftsatz würdigte. Diese Tätigkeit ist in jedem Fall erst nach Beendigung der Beweisaufnahme vorgenommen worden. Eine solche Tätigkeit vermag eine Beweisaufnahmegebühr nicht auszulösen (vgl. Schumann, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 1957 S. 650, 1163; Gerold-Schmidt, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 3. Aufl., § 31 Anm. 133; Riedel-Corves, Sußbauer, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 2. Aufl. § 31 Rd. Nr. 84). Sie wird durch die Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGebO abgegolten.

Auch für das Verfahren vor dem FG ist dem Steuerpflichtigen eine weitere Gebühr nicht zu erstatten. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob dem Prozeßbevollmächtigten für die Tätigkeit seines Vertreters im Erörterungstermin eine Verhandlungsgebühr zusteht. Auch wenn er dafür eine solche Gebühr verlangen kann, so sind die zu erstattenden Kosten schon deshalb nicht höher festzusetzen, weil die Erledigungsgebühr, deren Höhe mit derjenigen der Verhandlungsgebühr übereinstimmt, bei der Kostenfestsetzung nicht hätte berücksichtigt werden dürfen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß der Prozeßbevollmächtigte bei der Erledigung des Rechtsstreits mitgewirkt hat. Als Mitwirkung im Sinne des § 24 BRAGebO kommt, wie der Senat wiederholt entschieden hat, nur eine besondere auf die Erledigung ohne Urteil gerichtete Tätigkeit des Bevollmächtigten in Betracht (Urteil des BFH VII 124/61 vom 8. Mai 1962, HFR 1963 Nr. 77, StRK, Reichsabgabenordnung, § 316, Rechtsspruch 124; Beschluß des BFH VII B 120/67 vom 6. August 1968, BFH 92, 264, BStBl II 1968, 772). An dieser Auffassung, die mit den in der Rechtsprechung und im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassungen übereinstimmt (vgl. Beschluß des OVG Münster I B 320/67 vom 30. August 1967, NJW 1968, 175 mit weiteren Hinweisen; Beschluß des OVG Hamburg Bs I 69/68 vom 28. Januar 1969, Monatsschrift für Deutsches Recht 1969 S. 511), hält der Senat fest. Eine besondere auf die Erledigung ohne Urteil gerichtete Tätigkeit des Vertreters des Prozeßbevollmächtigten anläßlich des Erörterungstermins vermag der Senat entgegen den Ausführungen des FG nicht festzustellen. Die Niederschrift über den Erörterungstermin zwingt vielmehr zu der Schlußfolgerung, daß lediglich die Äußerungen des Berichterstatters das FA veranlaßt haben, den Einkommensteuerbescheid zurückzunehmen. Allein die Beteiligung des Vertreters des Prozeßbevollmächtigten an der Erörterung der Streitsache durch den Berichterstatter vermag der Senat nicht als besondere auf die Erledigung ohne Urteil gerichtete Tätigkeit anzuerkennen.

Bei der Entscheidung über die Beschwerde im Kostenfestsetzungsverfahren ist zwar das Verbot der "reformatio in peius" zu beachten (vgl. Beschluß des Oberlandesgerichts Köln 8 W 48/66 vom 26. August 1966, NJW 1967, 114). Es steht allerdings lediglich der Herabsetzung des von der Vorinstanz festgesetzten Gesamtbetrages entgegen. Die einzelnen Posten der Kostenfestsetzung können dagegen im Rechtsmittelverfahren geprüft und durch andere ersetzt werden (vgl. Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 104 III 1; Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze - Handausgabe -, 2. Aufl., § 104 B III a, C II b 1). Im vorliegenden Fall würde daher an die Stelle der zu Unrecht festgesetzten Erledigungsgebühr eine etwa zustehende Verhandlungsgebühr treten.

Da dem Steuerpflichtigen weitere Gebühren nicht zu erstatten sind, kommt auch die Erstattung eines weiteren Umsatzsteuerbetrages nicht in Betracht.

 

Fundstellen

BStBl II 1970, 251

BFHE 1970, 12

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