Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlerhafte Antragsprotokollierung in einem anderen Verfahren kein Ablehnungsgrund

 

Leitsatz (NV)

Mit dem Hinweis, der Vorsitzende Richter des FG habe in einem anderen Verfahren einen Ablehnungsantrag zu Unrecht protokolliert, wird kein Ablehnungsgrund geltend gemacht.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1; ZPO § 42 Abs. 2

 

Tatbestand

In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 21. August 1995, die nach Schluß der mündlichen Verhandlung in der Streitsache der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wegen Lohnsteuer-Jahresausgleichs ... stattfand, lehnten die Kläger durch ihren Prozeßbevollmächtigten den den Vorsitz führenden Vorsitzenden Richter am FG X als befangen ab. Zur Begründung bezogen sie sich auf ein anderes Verfahren, in dem sie den Vorsitzenden nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vor ihrem Schluß wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hatten. Sie hatten in diesem Verfahren zu Protokoll erklärt, der Vorsitzende habe vor der Verkündung einer Entscheidung und Beratung bekundet, die Streitsache werde das Ende dieses Jahres beim FG ... nicht mehr erleben. Der Fall werde dann eine größere Reise angetreten haben. Außerdem hatten die Kläger die Protokollierung des Ablehnungsantrags und die Schließung der mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden gerügt, da dieser wegen des Befangenheitsantrags dazu nicht befugt sei. Die Kläger wiederholten in dem anhängigen Verfahren vor dem FG diese Rüge und erklärten ergänzend, es sei zu befürchten, daß der Vorsitzende auch in diesem Verfahren sich rechtswidrig verhalten werde.

Der Vorsitzende hat zu dem Ablehnungsantrag die dienstliche Äußerung abgegeben, daß er sich in der Sache nicht befangen fühle.

Das FG wies das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurück. Es führte aus, aus objektiver Sicht bestehe für eine Voreingenommenheit oder eine Unparteilichkeit des abgelehnten Richters kein Anhaltspunkt. Die in dem anderen Verfahren gerügte Äußerung sei nicht geeignet, Mißtrauen in die Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters für das vorliegende Verfahren zu begründen. Die Äußerung lasse weder einen Bezug zu dem vorliegenden Verfahren noch Hinweise für eine unsachliche Parteinahme erkennen.

Hiergegen erhoben die Kläger Beschwerde, für die sie eine Begründung zum 31. Oktober 1995 ankündigten. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Dem Senat liegt bis heute eine Beschwerdebegründung nicht vor.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde ist zulässig. Unerheblich ist, daß die Kläger -- entgegen ihrer Ankündigung -- keine Beschwerdebegründung eingereicht haben (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 15. November 1988 II B 154/88, BFH/NV 1989, 735).

Die Beschwerde ist indes nicht begründet. Das FG hat das Ablehnungsgesuch zu Recht zurückgewiesen.

Nach § 51 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Mißtrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, daß der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Unerheblich ist, ob ein solcher Grund wirklich vorliegt (BFH-Beschlüsse vom 21. September 1977 I B 32/77, BFHE 123, 305, BStBl II 1978, 12, und vom 30. August 1989 IX B 82/89, BFH/NV 1990, 317). Aus der im Rahmen einer früheren richterlichen Entscheidung vertretenen, für den Betroffenen ungünstigen Rechtsansicht allein kann selbst dann kein Ablehnungsgrund hergeleitet werden, wenn diese Auffassung falsch sein sollte (BFH-Beschlüsse vom 2. März 1978 IV R 120/76, BFHE 125, 12, BStBl II 1978, 404; vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555, und in BFH/NV 1989, 587, m. w. N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn Gründe dargetan sind, die dafür sprechen, daß die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (BFH in BFHE 112, 457, BStBl II 1974, 638, und in BFH/NV 1989, 708).

Hiervon ausgehend rechtfertigen die von den Klägern vorgetragenen Gründe nicht die Besorgnis der Befangenheit. Die Kläger haben mit der Darlegung ihrer Rechtsauffassung, der Vorsitzende Richter des FG habe ihren Ablehnungsantrag in dem anderen Verfahren zu Unrecht nicht protokolliert, keine Umstände dargetan, die auf eine unsachliche oder willkürliche Einstellung bei der Entscheidung in dem anhängigen Verfahren deuten. Der Senat versteht im übrigen die von den Klägern gerügte Äußerung des Vorsitzenden Richters des FG in dem anderen Verfahren in dem Sinne, daß er von der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die finanzgerichtliche Entscheidung zum BFH ausgehe, eine Äußerung, die keine Voreingenommenheit erkennen läßt.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 759

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