Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Unterscheidung zwischen einer Ausgabe zur Förderung staatspolitischer Zwecke und einer Spende an eine politische Partei nach § 10b EStG 1975

 

Leitsatz (NV)

Ein Steuerpflichtiger spendet jedenfalls dann an eine politische Partei, wenn er seine Spende für eine politische Partei bestimmt und sie über die Staatsbürgerliche Vereinigung 1954 e. V. lediglich leitet, um eine Spendenbescheinigung zu erhalten.

 

Normenkette

AO § 146 Abs. 3; EGAO Art. 97 § 10; EStG 1975 § 10b; FGO §§ 69, 76 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Der mit seiner Ehefrau zusammenveranlagte Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) macht in seiner beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) im Jahre 1987 eingereichten Einkommensteuererklärung für das Jahr 1976 als Sonderausgabe u. a. eine Spende von 40 000 DM unter Vorlage einer Spendenbescheinigung der Staatsbürgerlichen Vereinigung 1954 e. V. in Köln geltend. Das FA veranlagte ihn insoweit entsprechend seiner Erklärung.

Seine erklärten Spenden an politische Parteien überstiegen im Jahre 1976 den Höchstbetrag von 1 200 DM nach § 10b Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1975 (EStG).

Nach dem vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen Fahndungsbericht vom 6. Oktober 1983 stellte die Steuerfahndung beim Antragsteller im Jahre 1983 folgenden Sachverhalt fest:

Nachdem der Antragsteller im Jahre 1975 einem Werbeunternehmen den Auftrag zu einer Plakatwerbung im Werte von rd. 25 000 DM erteilt hatte, wendete sich an ihn im Jahre 1976 der Bundestagsabgeordnete der . . . Partei X. Unter dem 29. April 1976 schrieb der Antragsteller an das Werbeunternehmen, er habe seine Rechte aus dem ihm erteilten Auftrag an X abgetreten; er werde die Rechnung jedoch bezahlen, was er am 7. Juli 1976 auch tat. X bedankte sich unter dem 24. Mai 1976 beim Antragsteller für die nette Unterhaltung, die er kürzlich in A gehabt habe, und außerdem für die Spende. Er teilte ihm weiter mit, daß er mit dem vom Antragsteller beauftragten Werbeunternehmen Verbindung aufgenommen habe und daß alles weitere jetzt nur noch eine Abwicklungsfrage sei.

Der Antragsteller erhielt unter dem 28. Juli 1976 von einem graphischen Betrieb eine Auftragsbestätigung über Plakate. Diese ist nachträglich durchgestrichen mit dem Vermerk: ,,erledigt - geht an . . . Partei." Die Rechnung über 20 000 DM wurde jedoch ,,nach Rücksprache mit X" an den graphischen Betrieb wieder zurückgereicht.

In einem Aktenvermerk vom 1. September 1976 heißt es u. a.:

,,Ist inzwischen der Betrag von 20 000 DM zurückgekommen? Spende mit dem Abgeordneten im Bundestag X. Um die Spendenbescheinigung erhalten zu können, müßte die Spende für die . . . Partei über die Staatsbürgerliche Vereinigung 1954 e. V. . . . geleitet werden. Sachbearbeiterin dort ist Frau T. Einen entsprechenden Brieftext hat mir X angegeben - sein Name soll unerwähnt bleiben -.,Sehr geehrte Herren,

für Ihre staatsbürgerliche Arbeit möchten wir Ihnen eine Spende in Höhe von 40 000 DM zur Verfügung stellen und bitten um Spendenbescheinigung für das Finanzamt`

. . .

Die Plakatrechnung soll nicht bezahlt, sondern zurückgereicht werden . . .

mit dem Vermerk: ,nach Rücksprache mit X`

. . .

ohne Kommentar . . .übersandt

1. . . .

2. Kopie v. Brief und Scheck an Staatsbürgerliche Vereinigung über 40 000 DM; . . .

3. . . .

X wird dafür sorgen, daß wir in etwa 4-5 Wochen 20 000 DM zurückerhalten. . . ."

Aufgrund dieser Feststellungen der Steuerfahndung gelangte das FA zu dem Ergebnis, daß es sich bei den strittigen 40 000 DM nicht um eine Spende i. S. von § 10b Abs. 1 EStG, sondern um eine nichtabziehbare Spende an eine politische Partei handele. Es änderte seinen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1976 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) durch Bescheid vom 8. Mai 1984 und forderte von dem Antragsteller . . . DM an Einkommensteuer nach.

Der Antragsteller legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein und beantragte zugleich, seine Vollziehung wegen eines Teilbetrages von . . . DM auszusetzen. Das FA lehnte die Aussetzung der Vollziehung am 13. Juli 1984 ab. Am 15. Oktober 1986 änderte es seinen Bescheid vom 8. Mai 1984 aus Gründen, die nicht im Streit sind. Über den Einspruch des Antragstellers gegen den nunmehr zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens gewordenen Bescheid vom 15. Oktober 1986 hat es noch nicht entschieden.

Seinen beim FG gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte dieses mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 494 veröffentlichten Beschluß ab.

Der Antragsteller macht mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde geltend, er wisse nicht, ob seine Spende einer politischen Partei zugeflossen sei. Er habe aufgrund der ihm von der Staatsbürgerlichen Vereinigung 1954 e. V. erteilten Spendenbescheinigung annehmen können, daß diese seine Spende ordnungsgemäß verwenden werde. Die Staatsanwaltschaft habe das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren eingestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.

Ernstliche Zweifel i. S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; seitdem ständige Rechtsprechung des BFH).

Das FG hat ernstliche Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheides im Ergebnis zu Recht verneint. Bei summarischer Prüfung ist davon auszugehen, daß aufgrund der Ermittlungen der Steuerfahndung Tatsachen und Beweismittel i. S. von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 nachträglich bekanntgeworden sind, die zu einer höheren Steuer führen.

1. Bei der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndung ist davon auszugehen, daß die strittigen 40 000 DM - entgegen der dem FA mit der Einkommensteuererklärung vorgelegten Spendenbescheinigung - nicht als Ausgabe zur Förderung staatspolitischer Zwecke nach § 10b Abs. 1 EStG im Rahmen der Sonderausgaben des Antragstellers abziehbar sind, sondern eine der . . . Partei zugeflossene Spende darstellen, die infolge Ausschöpfung des Höchstbetrags nach § 10b Abs. 2 EStG nicht abziehbar ist.

Das FA hat mit einer für das Aussetzungsverfahren hinreichenden Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (§ 155 FGO i. V. m. § 294 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -), daß der Antragsteller die Werbeleistung und die Plakate mit einem Rechnungswert von 40 000 DM der . . . Partei spendete. Der Antragsteller schrieb am 29. April 1976 an das von ihm beauftragte Werbeunternehmen, er habe seine Rechte aus dem ihm erteilten Werbeauftrag an den Bundestagsabgeordneten X abgetreten. Die dem Antragsteller zugegangene Auftragsbestätigung über Plakate vom 28. Juli 1976 trägt den Vermerk: ,,Erledigt - geht an . . . Partei." Aus dem Aktenvermerk vom 1. September 1976 läßt sich folgern, daß der Antragsteller seine Spende für die . . . Partei bestimmt und auf Anraten von X über die Staatsbürgerliche Vereinigung 1954 e. V. lediglich geleitet hatte, um von dieser eine Spendenbescheinigung zu erhalten. Denn nach dem Inhalt des Aktenvermerks erhielt der Antragsteller auf Betreiben von X den an das Werbeunternehmen gezahlten Betrag erstattet; auch sandte er dem graphischen Betrieb dessen Rechnung zurück; X wies dem Antragsteller für dessen Spende an die . . . Partei statt dessen den Umweg über die Staatsbürgerliche Vereinigung 1954 e. V. zur Erlangung der Spendenbescheinigung. Daß Empfänger der Spende nach dem Willen des Antragstellers die . . . Partei sein sollte, wird schließlich auch durch das Schreiben von X vom 24. Mai 1976 belegt, in dem X dem Antragsteller für seine Spende dankt und hinzufügt, alles weitere sei nun eine Abwicklungsfrage.

Gegenüber dem vorstehenden, vom FA glaubhaft gemachten Sachverhalt wäre es Sache des Antragstellers aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 2 FGO) gewesen, einen anderen Geschehensablauf im einzelnen darzulegen und durch präsente Beweismittel glaubhaft zu machen, zumal die maßgeblichen Tatfragen in seine Sphäre fallen. Der Antragsteller hat sich jedoch damit begnügt vorzutragen, er habe aufgrund der ihm von der Staatsbürgerlichen Vereinigung 1954 e. V. erteilten Spendenbescheinigung annehmen können, daß diese seine Spende ordnungsgemäß verwendet werde. Er wisse nicht, ob seine Spende einer politischen Partei zugeflossen sei.

2. Es bestehen bei summarischer Prüfung auch keine ernstlichen Zweifel, daß die Steuernachforderung aufgrund der nicht abziehbaren Parteispende des Antragstellers noch nicht verjährt ist.

Die Verjährung richtet sich gemäß Art. 97 § 10 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) nach den §§ 143 ff. der Reichsabgabenordnung (AO) i. d. F. des Gesetzes zur Änderung der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 15. September 1965 - AOÄG - (BGBl I 1356, BStBl I 1965, 643). Die Vorschriften der AO 1977 über die Festsetzungsverjährung gelten nach Art. 97 § 10 EGAO 1977 erst für Steuern, die nach dem 31. Dezember 1976 entstanden sind. Der strittige Steueranspruch ist hingegen mit Ablauf des Veranlagungszeitraums 1976 entstanden (§ 36 Abs. 1 EStG).

Die Verjährungsfrist beträgt nach § 144 Abs. 1 AO bei den Steuern vom Einkommen grundsätzlich fünf Jahre und bei hinterzogenen Steuern zehn Jahre. Sie beginnt nach § 145 Abs. 2 Nr. 1 AO bei den Steuern vom Einkommen mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum abgegeben wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf die Entstehung des Steueranspruchs folgt.

Nachdem der Antragsteller seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1976 im Jahre 1978 beim FA eingereicht hatte, wäre die fünfjährige Verjährungsfrist mit dem Ende des Jahres 1983 abgelaufen. Ihr Ablauf wurde jedoch nach § 146a Abs. 3 AO dadurch bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Einkommensteueränderungsbescheid vom 8. Mai 1984 bzw. vom 15. Oktober 1986 gehemmt, daß die Steuerfahndung den die strittige Steuernachforderung begründenden Sachverhalt des Veranlagungszeitraums 1976 im Jahre 1983 vor Ablauf der Verjährungsfrist ermittelte. Die Fahndungsprüfung erfüllt die Voraussetzungen einer Betriebsprüfung i. S. von § 146a Abs. 3 AO (vgl. BFH-Urteil vom 16. Januar 1979 VIII R 149/77, BFHE 127, 128, BStBl II 1979, 453).

Da somit der strittige Steueranspruch schon aufgrund der fünfjährigen Verjährungsfrist noch nicht verjährt ist, brauchte sich der erkennende Senat nicht mit der vom FG erörterten Frage zu befassen, ob die zehnjährige Verjährungsfrist infolge Steuerhinterziehung eingreift.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415024

BFH/NV 1987, 370

BFH/NV 1987, 379

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