Entscheidungsstichwort (Thema)

Zolltarifliche Einreihung von in Stücke geschnittenen Früchten

 

Leitsatz (NV)

Auslegung des Zolltarifbegriffs "zerkleinert", hier: bei Waren der Gattung capsicum annuum, in Stücken (Vorlage an EuGH).

 

Normenkette

KN Unterpositionen 0904 2010, 0904 2090

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) entnahm aus ihrem offenen Zollager in der Zeit von Juni 1989 bis November 1990 Partien von getrocknetem Gemüsepaprika aus Ungarn bzw. Chile, mit Schnittgröße von 4 bis 8 mm, die sie als "gemahlen oder sonst zerkleinert" -- Unterposition 0904 2090 der Kombinierten Nomenklatur (KN) -- anmeldete. Nach Erhebungen über die Beschaffenheit der Ware gelangte das beklagte und revisionsbeklagte Hauptzollamt (HZA) zu der Auffassung, daß ein nicht gemahlener und auch nicht sonst zerkleinerter Paprika der Unterposition 0904 2010 KN -- Zollsatz 12 % -- vorgelegen habe, und erhob Zoll nach (Steueränderungsbescheid vom 12. März 1992, bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 1993). Die Klage wurde abgewiesen. Die der Nacherhebung zugrundeliegende Tarifierung sei -- so das Finanzgericht (FG) -- zutreffend. In Code- Nr. 0904 2010 0100 des Deutschen Gebrauchszolltarifs (DGebrZT) sei -- als "weder gemahlen noch sonst zerkleinert" -- in Stücke geschnittener roter oder grüner Gemüsepaprika ... aufgeführt, was einer auf die Verordnung (EWG) Nr. 4161/87 des Rates vom 22. Dezember 1987 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -- ABlEG -- L 395/1) zurückzuführenden Taric-Code-Nr. 0904 2010 *10 der EG-Kommission und damit dem verbindlichen gemeinschaftsrechtlichen Zolltarif entspreche. Jedenfalls Waren mit den vorliegenden Schnittgrößen seien nur "in Stücke geschnitten" und somit Erzeugnisse der Code-Nr. 0904 2010 0100 DGebrZT. Ein Absehen von der Nacherhebung komme nicht in Betracht; die Voraussetzungen nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 (ABlEG L 197/1) seien nicht gegeben.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt. Sie trägt in zolltariflicher Hinsicht im wesentlichen vor, eine veröffentlichte Taric-Code-Nr. 0904 2010 *10 habe nicht bestanden. Sie hätte zudem keine verbindliche Wirkung gehabt. "Sonst zerkleinert" bedeute zolltariflich nicht "dem Mahlen gleich zerrieben". In Stücke geschnittener getrockneter Gemüsepaprika gehöre zu Unterposition 0904 2090 und unterliege dem mit Verordnung (EWG) Nr. 1672/89 des Rates vom 29. Mai 1989 (ABlEG L 169/1) vorgesehenen Steuersatz von 5 %, der frühere Zollaussetzungen für entsprechende Waren fortführe. In der Verordnung Nr. 4161/87 (Anlage 2 Tabelle 1) werde diese Ware zu Unrecht zu Unterposition 0904 2010 gerechnet. Diese Ansprache könne für Einfuhren aus Drittländern wie Ungarn keine verbindliche Einreihung vorschreiben. Die Taric-Codelinie 0904 2010 *10 sei inzwischen geschlossen. Zudem dürfe eine neue Einreihung für dieselbe Ware nicht zu einer GATT-widrigen Zollerhöhung führen. Im übrigen lägen im Streitfall Waren vor, die durch eine an die Zerkleinerung anschließende Absiebung entstanden seien.

Das HZA entgegnet, die Richtigkeit der von der Vorinstanz vertretenen Tarifauffassung ergebe sich auch aus der französischen und englischen Fassung der maßgebenden zolltariflichen Vorschriften. Die Absiebung des Paprikas sei für dessen Einreihung ohne Bedeutung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulassungsfrei statthaft. Der Senat hat eine Sachentscheidung zu treffen. Entscheidungserheblich ist die zolltarifliche Einreihung der von der Klägerin aus dem Zollager entnommenen Ware.

Für die zolltarifliche Beurteilung ist von den revisionsrechtlich bindenden Feststellungen des FG auszugehen. Nach ihnen handelt es sich bei der Ware um getrockneten Gemüsepaprika (capsicum annuum), in Stücke geschnitten, rot oder grün, in Schnittgrößen von 4 bis 8 mm. Die Einreihung dieser Ware wirft Zweifel auf. Der Senat ist mithin verpflichtet, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) um Auslegung der maßgebenden zolltariflichen Vorschriften zu ersuchen (Art. 177 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft).

Der Zolltarif unterscheidet zwischen getrockneten, aber weder gemahlenen noch sonst zerkleinerten Früchten der Gattung "Capsicum" ... , u. a. Gemüsepaprika (Unterposition 0904 2010), und gemahlenen oder sonst zerkleinerten Früchten (Unterposition 0904 2090). Das hier zu beurteilende Produkt war "geschnitten" -- wobei gleich sein dürfte, ob sich, wie die Klägerin schon im Klageverfahren vorgebracht hatte, die Schnittgrößen letztlich erst durch Absiebung ergeben hatten --, damit nach seiner Beschaffenheit wie Herstellungsweise jedenfalls nicht gemahlen. Fraglich ist, ob es sich mit seinen Schnittgrößen von 4 bis 8 mm als "zerkleinert" darstellt. Der Senat neigt dazu, diese Frage in Übereinstimmung mit der Revision zu bejahen. Der -- deutsche -- Tarifwortlaut spricht nicht von "(gemahlenen oder) ähnlich zerkleinerten", sondern von sonst, also anderweitig, zerkleinerten Früchten. Dies dürfte einen beliebigen, nicht die Feinheit eines Mahlprodukts (Mehl, Pulver) erreichenden Zerkleinerungsgrad bezeichnen, nicht nur die Zerkleinerung auf einen mehlähnlichen Zustand. Entgegenstehende zolltarifliche Vorschriften sind nicht ersichtlich. Insbesondere fehlt es an einer normativen Festlegung der Grenzen, bis zu denen von einer Zerkleinerung auszugehen ist. Die frühere Code-Nr. 0904 2010 0100 DGebrZT und der frühere Taric-Code 0904 2010 *10 waren keine Rechtsnormen. Die dem Tarif- Code zugrundeliegende Regelung in Anlage 2 Tabelle 1 der Verordnung Nr. 4161/87 (ABlEG L 395/533) -- Ausgangszollsätze Spanien und Portugal im Rahmen von Zollaussetzungen, hier für " ... Gemüsepaprika, in Stücke geschnitten ... "KN-Code 0904 2010" -- hat zwar normativen Charakter und gehört als solche zum Gemeinsamen Zolltarif (Art. 4 Abs. 1 der Verordnung [EWG] Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987, ABlEG L 256/1), indessen nicht zu den für die Einreihung maßgebenden Vorschriften (Allgemeine Vorschrift 1 Satz 2). Waren ansprachen in einer Zollaussetzungsverordnung beeinflussen die Tarifierung nicht (Urteil des Gerichtshofs vom 3. Juni 1992 C-318/90, Slg. 1992, I-3507, 3512). Bliebe es somit bei der nach dem deutschen Tarifwortlaut naheliegenden Auslegung, so wäre das Erzeugnis der Unterposition 0904 2090 zuzuweisen, mit der Folge, daß der Revision stattgegeben werden müßte.

Für unzweifelhaft hält der Senat diese zolltarifliche Beurteilung jedoch nicht. Bei der Auslegung des Zolltarifs sind nach ständiger Rechtsprechung im Zweifelsfall auch die Fassungen in den anderen Sprachen der Gemeinschaft heranzuziehen. Insoweit könnte sich aus dem für "sonst zerkleinert" stehenden französischen Begriff "broyé(s)" und dem englischen Synonym "crushed" auch die Bedeutung von "(zer)mahlen" und damit ein Hinweis auf einen erforderlichen stärkeren Zerkleinerungsgrad ergeben. Von einem solchen geht der Rat in der Verordnung Nr. 4161/87 aus, indem er in Stücke geschnittene Ware noch als unzerkleinert ansieht. Dies ist auch der Standpunkt der deutschen Zollverwaltung. Sie bewertet Früchte der Gattungen "Capsicum" oder "Pimenta", in Stücke geschnitten oder als Flocken, mit einer Seitenlänge von 1 mm oder mehr, als Erzeugnisse der Unterposition 0904 2010 und hält die Unterposition 0904 2090 nur für einschlägig, wenn die Früchte gemahlen oder ähnlich fein zerkleinert sind (nationale Anweisung zu den Erläuterungen zu Position 0904).

Da hiernach die Auslegung des Zolltarifs nicht als offenkundig angesehen werden kann, hat der Senat beschlossen, den EuGH um eine Vorabentscheidung zu folgender Auslegungsfrage zu ersuchen:

"Wie ist der Gemeinsame Zolltarif -- Kombinierte Nomenklatur 1989 und 1990 -- in Unterposition 0904 20 auszulegen? Bezeichnet der dort verwendete Begriff "sonst zerkleinert" nur eine dem gemahlenen Produkt ähnliche Feinheit oder erfaßt er auch ein in Stücke geschnittenes Produkt wie ein solches mit Schnittgrößen von 4 bis 8 mm?"

 

Fundstellen

Haufe-Index 421350

BFH/NV 1996, 587

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