In der Praxis trat immer wieder das Problem auf, den "richtigen" Zeitpunkt für die Besteuerung des Aufgabegewinns zu finden. Davon betroffen waren insbesondere verpachtete Betriebe, bei denen nach und nach die überlassenen wesentlichen Betriebsgrundlagen weggefallen sind. Das konnte durch eine Entnahme von Wirtschaftsgütern, deren Umgestaltung oder eine Ersatzbeschaffung durch den Pächter der Fall sein. Für diese Fälle hat sich der Begriff einer "schleichenden Betriebsaufgabe" herausgebildet.

Das besondere Problem – insbesondere für die Finanzverwaltung – bestand darin, dass die Besteuerung eines Aufgabegewinns in einem späteren Jahr nicht mehr möglich war, wenn die Voraussetzungen für eine Fortführung des Betriebs und damit für das Verpächterwahlrecht bereits in einem früheren festsetzungsverjährten Jahr entfallen waren.[1]

 
Wichtig

Gesetzliche Verankerung

Um sowohl bei verpachteten als auch bei ruhenden Gewerbebetrieben die Besteuerung des Aufgabegewinns sicherzustellen, hat der Gesetzgeber diese Fallgruppe in § 16 Abs. 3b EStG[2] gesetzlich geregelt. Danach gilt bei einer Betriebsverpachtung der Betrieb so lange als nicht aufgegeben, bis

  1. der Steuerpflichtige die Aufgabe ausdrücklich gegenüber dem Finanzamt erklärt oder
  2. dem Finanzamt Tatsachen bekannt werden, aus denen sich die Voraussetzungen für eine Betriebsaufgabe ergeben.

Von dieser gesetzlichen Regelung sind alle Betriebsaufgaben ab dem 5.11.2011 erfasst.[3] Dies gilt unabhängig davon, seit wann eine Betriebsverpachtung vorgelegen hat. Zu Zweifelsfragen und Details hat die Finanzverwaltung in einem BMF-Schreiben Stellung genommen.[4]

Damit ist gewährleistet, dass dem Fiskus die stillen Reserven als Besteuerungssubstrat nicht verloren gehen. Denn nun ist es nicht mehr relevant, ob noch alle wesentlichen Betriebsgrundlagen überlassen werden. Auch ist es unerheblich, ob die überlassenen Betriebsgrundlagen so umgestaltet werden, dass eine Fortführung durch den Betriebsinhaber nicht mehr möglich ist. Erst in dem Zeitpunkt, in dem derartige Umstände dem Finanzamt bekannt werden, erfolgt eine Versteuerung der stillen Reserven im Rahmen einer Betriebsaufgabe.

 
Wichtig

Altfälle

Diese Betriebsfortführungsfiktion ist nicht auf Betriebsverpachtungen anzuwenden, bei denen faktisch bereits vor dem 5.11.2011 (Inkrafttreten des StVereinfG) eine Betriebsaufgabe verwirklicht worden ist. Für diese Fälle gelten die bisherigen Grundsätze in R 16 Abs. 5 EStR 2008 bzw. H 16 Abs. 5 EStH weiter.

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