Leitsatz

Der Berücksichtigungstatbestand nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG wird nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil das Kind während seiner Bemühungen um einen Ausbildungsplatz den gesetzlichen Zivildienst ableistet.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c, § 32 Abs. 4 Satz 2, § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Mutter eines im April 1988 geborenen Sohnes, der seine Schulausbildung im Juli 2007 beendete, vom 2.1. bis 30.9.2008 Zivildienst leistete und sich spätestens im März 2008 um einen Studienplatz bewarb. Im Juni 2008 bestand er die Aufnahmeprüfung und im Oktober 2008 begann er sein Studium.

Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung ab August 2007 auf und gewährte Kindergeld erst wieder ab Oktober 2008.

Die Klage war für den Monat März 2008 erfolgreich, für den Zeitraum von August 2007 bis Februar 2008 hingegen erfolglos (Sächsisches FG, Urteil vom 28.9.2011, 8 K 558/08 [Kg], Haufe-Index 3205052).

 

Entscheidung

Die von beiden Beteiligten eingelegten Revisionen waren unbegründet.

Über die Monate April bis September 2008 hatte der BFH nicht zu entscheiden, weil die für den Klagegegenstand maßgebliche Einspruchsentscheidung vom 17.3.2008 datierte. Materiellrechtlich steht der Klägerin aber für diesen Zeitraum wegen der Stu­dienplatzbewerbung ebenfalls Kindergeld zu.

 

Hinweis

Das Urteil befasst sich mit mehreren Tatbeständen, die für die Berücksichtigung des Kindes relevant sind:

1. Wenn eine Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und einem Dienst länger als vier Monate dauert, wird ein Kind nicht berücksichtigt, und zwar auch nicht für die ersten vier Monate. Auf die Gründe für die Fristüberschreitung und die Frage, ob sie für das Kind vorhersehbar war, kommt es nicht an. Der Zeitraum ist nicht taggenau zu berechnen; maßgeblich sind volle Kalendermonate. Beispiel: Schulabschluss am 2.1., Beginn des Dienstes oder des nächsten Ausbildungsabschnitts am 29.6.: Der Viermonatszeitraum ist eingehalten.

2. Während einer mehr als vier Monate dauernden Übergangszeit könnte das Kind aufgrund eines anderen Tatbestandes berücksichtigt werden. Bei Kindern bis zum 21. Lebensjahr hilft z.B. eine Meldung als Arbeitsuchender, die aber vorliegend versäumt worden war. Durch die Suche nach einem Ausbildungsplatz kann ebenfalls eine Berücksichtigung erreicht werden. Dies wird praktisch aber zumeist daran scheitern, dass der Ausbildungsplatz nach erfolgreicher Bewerbung nicht angetreten werden könnte (vgl. BFH vom 7.4.2011, III R 24/08, BFHE 233, 44, BFH/NV 2011, 1229, BFH/PR 2011, 397, betr. ausländerrechtliche Hemmnisse). Denn der Zivildienst stellt grundsätzlich keine Berufsausbildung dar, und die Einberufung zu einem Dienst dürfte z.B. der Aufnahme eines Studiums oder einer Lehre regelmäßig entgegenstehen.

3. Die Berücksichtigung eines Kindes wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass es zugleich den gesetzlichen Zivildienst ableistet, denn Dienste sind – wie z.B. auch eine Vollzeiterwerbstätigkeit (s. aber § 34 Abs. 4 Satz 2 EStG in der ab 2012 geltenden Fassung!) – weder Berücksichtigungs- noch Ausschlusstatbestände. Hat sich ein Kind also aus einem Dienst heraus um einen Ausbildungsplatz beworben oder ist dieser gar schon zugesagt, kann es nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt werden. Dies beruht auch darauf, dass der BFH das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Belastung der Eltern mit einer "typischen Unterhaltssituation" aufgegeben hat.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 27.9.2012 – III R 70/11

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