1 Überblick

1.1 Inhalt

 

Rz. 1

§ 323 HGB regelt die Pflichten des Abschlussprüfers bei der Durchführung von gesetzlichen Abschlussprüfungen und kodifiziert Haftungsregelungen bei etwaiger Pflichtverletzung des Abschlussprüfers. Der Pflichtenrahmen des gesetzlichen Abschlussprüfers umfasst demnach:

  • die Abschlussprüfung gewissenhaft und unparteiisch durchzuführen (Abs. 1 Satz 1),
  • die Verschwiegenheitspflicht (Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3),
  • das Verbot der unbefugten Verwertung von gelegentlich bei der Abschlussprüfung erlangten Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen der zu prüfenden Gesellschaft (Abs. 1 Satz 2).
 

Rz. 2

Dieser Pflichtenrahmen ist dem Abschlussprüfer bereits aufgrund berufsrechtlicher Vorgaben auferlegt. So bestimmen die allgemeinen Berufspflichten (§ 43 Abs. 1 Satz 1 WPO), dass der Wirtschaftsprüfer seine Tätigkeit unabhängig, gewissenhaft, verschwiegen und eigenverantwortlich durchzuführen hat. § 43 Abs. 1 Satz 2 WPO verlangt insb. bei der Erstattung von Prüfungsberichten oder Gutachten, dass sich der Wirtschaftsprüfer unparteiisch verhält. Die Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer/vereidigte Buchprüfer (BS WP/vBP) enthält Konkretisierungen dieser allgemeinen Berufspflichten:

 

Rz. 3

Während die berufsrechtlichen Regelungen in der WPO bzw. der BS WP/vBP den Pflichtenrahmen des Wirtschaftsprüfers zwar bestimmen, diesen aber "nur" mit berufsrechtlichen Sanktionen bewehren, verschafft § 323 HGB dem Auftraggeber der Abschlussprüfung eine vertragliche Haftung des Wirtschaftsprüfers und seiner Mitarbeiter, die auch nicht durch den Prüfungsvertrag ausgeschlossen werden kann (§ 323 Abs. 4 HGB).[1]

 

Rz. 4

Soweit der Abschlussprüfer seinen Pflichtenrahmen verletzt, ist er schadensersatzpflichtig. Die Ersatzpflicht besteht ggü. der geprüften Gesellschaft sowie ihrer verbundenen Unt (§ 323 Abs. 1 Satz 3 HGB). Während für vorsätzliche Pflichtverletzungen keine Haftungsbeschränkungen vorgesehen sind, bestimmt § 323 Abs. 2 HGB Haftungshöchstsummen für fahrlässige Verstöße des Abschlussprüfers. Diese Haftung kann gem. § 323 Abs. 4 HGB nicht vertraglich abbedungen werden. Zur Verjährung der Ansprüche vgl. Rz 106.

 

Rz. 5

Durch das FISG[2] wurden mit Wirkung zum 1.7.2021 die Haftungshöchstsummen erhöht und in bestimmten Bereichen eine Verschärfung des Ausschlusses der Haftungshöchstsummen vorgenommen (Rz 93 ff.).

[1] Vgl. Kuhner/Päßler, in Küting/Weber, HdR-E, § 323 HGB Rn 2, Stand: 6/2021.
[2] Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz v. 3.6.2021, BGBl. 2021 I S. 1534.

1.2 Zweck

 

Rz. 6

§ 323 HGB enthält spezielle zivilrechtliche Regelungen, die tw. "Sondervertragsrecht" für den Prüfungsvertrag zwischen Abschlussprüfer und geprüfter Ges. darstellen.[1] Der Pflichtenrahmen des Abschlussprüfers bestimmt sich dem Grund nach bereits aus den zivilrechtlichen Vorschriften (§§ 675 Abs. 1, 631, 633, 242 BGB); gleiches gilt für die Haftung (§ 280 Abs. 1 BGB). Beides wird von § 323 HGB aufgegriffen und modifiziert. Der Pflichtenrahmen gilt nicht nur für den Abschlussprüfer, sondern auch für seine Gehilfen sowie im Fall einer WPG/BPG auch deren gesetzliche Vertreter persönlich. Die Haftung des Abschlussprüfers ist der Höhe nach durch § 323 Abs. 2 HGB begrenzt (Rz 93); andererseits gibt es aber auch Haftungsberechtigte, die gar nicht Vertragspartner des Prüfungsvertrags sind, nämlich verbundene Unt der geprüften Ges.

 

Rz. 7

Die Vorschrift des § 323 HGB ist zum Schutz der geprüften Gesellschaft erlassen worden. Deutlich wird dies an der Verschwiegenheitspflicht sowie an dem Verbot der Verwertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Die Tatsache, dass der Abschlussprüfer i. R. seiner Prüfung tiefe Einblicke in Unternehmensinterna erhält, ist nur tolerierbar, wenn der Abschlussprüfer im Gegenzug zur umfassenden Verschwiegenheit verpflichtet wird.[2]

 
Praxis-Beispiel

Der Abschlussprüfer prüft den Jahresabschluss eines Unt. Dem Geschäftsführer des Unt ist bekannt, dass der Abschlussprüfer außerdem auch den Jahresabschluss eines wichtigen Kunden des Unt prüft.

Aufgrund der Verschwiegenheitspflicht des § 323 Abs. 1 HGB kann der Geschäftsführer des Unt dem Abschlussprüfer Einblicke in die Kalkulationsgrundlagen der diesen Kunden betreffenden Aufträge gewähren, ohne dass er befürchten muss, dass Deckungsbeiträge, Margen etc. dem Kunden ggf. bekannt werden können.

 

Rz. 8

§ 323 HGB übt weiterhin einen institutionellen Schutzcharakter aus, indem durch die vertragliche Haftung eine präventive Wirkung zur Einhaltung der erforderlichen Prüfungsqualität und damit auch Sicherstellung der Qualität der Rechnungslegung der geprüften Ges. geschaffen wird.[3]

 

Rz. 9

Das Haftungsrecht der Abschlussprüfer war europaweit auf dem Prüfstand. Die EU-Kommission hatte im Januar 2007 einen öffentlichen Konsultationsprozess zu europaweiten Überlegungen zur Reform der Haftungsbestimmungen für Abschlussprüfer eingeleitet. Die Ergebnisse der Konsultation wurden am 18.6.2007 veröffentlicht.[4] Als Konsequenz der daran an...

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