Rz. 94

§ 253 Abs. 4 HGB i. d. F. vor BilMoG gestattete – aufgrund des in § 279 Abs. 1 Satz 1 HGB i. d. F. vor BilMoG festgeschriebenen Anwendungsverbots für KapG und ihnen gleichgestellte PersG – nur Einzelkaufleuten und PersG mit persönlichem Vollhafter Abschreibungen "im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung", die ihrem Charakter entsprechend als Ermessensabschreibungen, mitunter aber auch als Willkürabschreibungen bezeichnet wurden. Die Option bestand über die pflichtgemäß oder freiwillig vorzunehmenden Abschreibungen i. S. d. § 253 Abs. 2 und 3 HGB i. d. F. vor BilMoG hinaus, wobei Abschreibungen i. S. d. § 253 Abs. 4 HGB i. d. F. vor BilMoG diesen gegenüber nachrangig waren. Diese konnten nur insofern angewandt werden, als weitere Abschreibungsvorschriften des § 253 Abs. 4 HGB i. d. F. vor BilMoG nicht ohnehin eine Abschreibung verlangten oder gestatteten. Derartige Abschreibungen waren nicht auf eine Vermögensklasse beschränkt und entsprechend sowohl auf VG des AV als auch des UV erlaubt.

 

Rz. 95

Abb. 8: Beispiele für die Begründung von Ermessensabschreibungen

 

Rz. 96

Auch wenn mit der Formulierung "im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung" grundsätzlich die willkürliche Bildung von stillen Rücklagen ausgeschlossen werden sollte, war die Regelung wegen in der Praxis dennoch möglicher Beliebigkeiten bei "ausreichender" Begründung (die sich letztlich in vielen Fällen finden lassen) höchst umstritten. Mit der Einführung des BilMoG wurde dieser Missstand durch Streichung der Vorschrift behoben. Die Möglichkeit zur Bildung entsprechender Abschreibungen war demnach letztmals für Gj gestattet, die vor dem 1.1.2010 begonnen haben.

 

Rz. 97

In Art. 67 Abs. 4 Satz 1 EGHGB wurde jedoch eine Übergangsregelung für niedrigere Wertansätze auf Basis von Ermessensabschreibungen i. S. d. § 253 Abs. 4 HGB i. d. F. vor BilMoG kodifiziert. Die Übergangsvorschrift gestattet, die niedrigeren Wertansätze von VG des AV oder UV fortzuführen oder die Zuschreibungsbeträge gem. Art. 67 Abs. 4 Satz 2 EGHGB erfolgsneutral in die Gewinnrücklagen einzustellen. Zur Vermeidung bilanzpolitischer Maßnahmen war die alternative erfolgsneutrale Einstellung in die Gewinnrücklagen nicht für Abschreibungen gestattet, die im letzten vor dem 1.1.2010 beginnenden Gj vorgenommen wurden.

 

Rz. 98

Obwohl die Begründung zum BilMoG-RA nur die umfassende Ausübung des Fortführungswahlrechts gestatten wollte[1], wurde im Schrifttum auf Grundlage der Gesetzessystematik argumentiert, dass das Beibehaltungswahlrecht sachverhaltsbezogen, d. h. für jeden Einzelfall separat ausgeübt werden konnte.[2]

 

Rz. 99

Art. 67 Abs. 4 Satz 1 EGHGB stellt zudem klar, dass im Fall der Ausübung des Fortführungswahlrechts die Vorschriften des HGB i. d. F. vor BilMoG anzuwenden sind. Wie lange noch Auswirkungen der Übergangsvorschrift in den Jahresabschluss zu beobachten sein werden, hängt von der Länge der (planmäßigen) Abschreibungszeiträume ab. Letztlich führt die Ermessensabschreibung dazu, dass die laufenden planmäßigen Abschreibungen geringer ausfallen bzw. über eine kürzere Nutzungsdauer erfolgen, da VG nicht mit einem negativen Wert in der Bilanz stehen können. Somit baut sich die Differenz automatisch im Zeitverlauf durch die geringeren Abschreibungen ab. Der Abbau kann auch in einem Betrag erfolgen, wenn es zum Verkauf des VG kommt. Da jedoch keine Fortschreibungspflicht für die Effekte der Ermessensabschreibungen bestand (und diese Unt nicht einmal zur Erstellung eines Anlagespiegels verpflichtet sind), können die Unt die daraus resultierenden Effekte i. d. R. nicht mehr isolieren, sodass sie in den Erträgen aus dem Abgang von VG untergehen und auch nicht gesondert auszuweisen sind.

 

Rz. 100

Wurde das Fortführungswahlrecht im Übergangszeitpunkt nicht in Anspruch genommen, waren die Zuschreibungsbeträge bzw. Auflösungserträge erfolgsneutral in die Gewinnrücklagen einzustellen, sofern diese aus niedrigeren Wertansätzen von VG herrührten, die nicht auf Abschreibungen zurückzuführen waren, die erst im letzten vor dem 1.1.2010 beginnenden Gj vorgenommen wurden. Die Option zur Einstellung der Zuschreibungsbeträge in die Gewinnrücklagen war bei PersG häufig ausgeschlossen, da gesellschaftsvertragliche Regelungen zur Rücklagenbildung i. d. R. nicht vorlagen. Die Beträge waren dann den Kapitalkonten der Gesellschafter aufzuschlagen.[3]

Die Zuschreibungsbeträge respektive Auflösungserträge waren dagegen erfolgswirksam in den ao Erträgen zu erfassen, wenn sie auf niedrigeren Wertansätzen von VG basierten, die auf Abschreibungen zurückzuführen waren, die im letzten vor dem 1.1.2010 beginnenden Gj vorgenommen wurden.

[1] Vgl. BT-Drs. 16/12407 v. 24.3.2009 S. 31.
[2] Vgl. IDW RS HFA 28.15.
[3] Dazu detailliert IDW, Berichterstattung über die 64. Sitzung des Arbeitskreises Personengesellschaften des IDW, IDW-FN 2010, S. 210.

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