Rz. 16

§ 240 HGB schreibt keinen Inventurstichtag vor, sondern regelt lediglich, dass "zu Beginn" des Handelsgewerbes und "für den Schluss" eines Gj ein Inventar erstellt werden muss. Damit bleibt offen, ob die Inventur am jeweiligen Abschlussstichtag erfolgen muss oder auch an einem anderen Tag erfolgen darf. In § 241 Abs. 2 HGB heißt es, dass es bei Anwendung von anderen Inventurverfahren (bspw. der permanenten Inventur) "für diesen Zeitpunkt" keiner Inventur bedarf, wenn durch andere Verfahren die Bestände an diesem Tag ermittelt werden können. § 241 Abs. 3 HGB erlaubt die vor- und nachverlegte Inventur. Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber in § 240 Abs. 1 und 2 HGB von einer Stichtagsinventur, also einer Inventur am Abschlussstichtag, als Normalfall ausgeht.[1] Als Stichtagsinventur gilt auch eine ausgeweitete Stichtagsinventur. Hierbei handelt es sich um eine Inventur, die wenige Tage vor oder nach dem Abschlussstichtag stattfindet.[2] Steuerlich ist nach R 5.3 Abs. 1 EStR 2012 im Normalfall ein Zeitraum von zehn Tage vor bzw. nach dem Abschlussstichtag zugelassen.

 
Praxis-Beispiel

Der Abschlussstichtag ist der 31.12., aber vom 24.12. bis 6.1. sind Betriebsferien. Lediglich im Versand arbeitet ein Notdienst, der eilige Ersatzteile dem Lager entnimmt und versendet. Die Inventur findet erst am 7.1. statt. Die nach dem 1.1. vom Notdienst entnommenen Ersatzteile müssen gesondert erfasst werden, damit der Bestand nach Menge und Wert auf den 31.12. zurückgerechnet werden kann.

 

Rz. 17

Die Stichtagsinventur ist die einzig zulässige Form der Inventur bei nicht bestandszuverlässigen Beständen; hierbei handelt es sich um Bestände, bei denen das interne Kontrollsystem keine zuverlässige buchmäßige Fortschreibung gewährleisten kann. Welche Bestände darunter fallen, ist eine Frage des Einzelfalls. Für folgende Bestände wird dies vermutet:[3]

  • besonders wertvolle Stoffe/Bestände (bspw. Edelmetalle, medizinische Wirkstoffe),
  • verderbliche Bestände,
  • Bestände, die bspw. verdunsten oder versickern können oder die schlecht gelagert sind,
  • zerbrechliche Bestände,
  • Bestände mit hohen Ausschussquoten,
  • Posten mit negativem oder unplausiblem Buchbestand,
  • im Gj nicht bewegte Bestände und
  • schwund- oder diebstahlgefährdete Bestände.
[1] A. A. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 240 HGB Rz 5.
[2] Vgl. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 240 HGB Rz 38.
[3] Vgl. St HFA 1/1981 i. d. F. 1990.

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