Leitsatz

Bei dem Erwerb eines Grundstücks zur Errichtung einer Windkraftanlage gehört eine Entschädigungszahlung, die der Käufer an den Verkäufer für An‐ und Durchschneidungen und ggf. notwendige Baulasten und Dienstbarkeiten auf anderen Grundstücken des Verkäufers zahlt, nicht zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer.

 

Normenkette

§ 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin kaufte ein Grundstück zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage. Neben dem Kaufpreis von ca. 11.000 EUR hatte die Klägerin einen "Entschädigungswert für das Recht zur Errichtung von einer Windkraftanlage inklusive des Entschädigungswerts für An- und Durchschneidung und ggf. notwendiger Baulasten und Dienstbarkeiten" i.H.v. ca. 454.000 EUR zu zahlen; ca. 94.000 EUR hiervon entfielen auf das verkaufte Grundstück, der Rest i.H.v. ca. 360.000 EUR auf umliegende Grundstücke des Verkäufers. Dieser verpflichtete sich, auf den ihm weiterhin gehörenden Grundstücken in der Umgebung des verkauften Grundstücks die zum Betrieb der Windkraftanlage erforderlichen Baulasten und Dienstbarkeiten zu bestellen.

Das FA belegte sowohl den eigentlichen Kaufpreis als auch den gesamten Entschädigungswert mit Grunderwerbsteuer. Die Vorinstanz (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29.1.2014, 3 K 528/11, Haufe-Index 6707437) gab der Klage nach erfolglosem Vorverfahren insoweit statt, als sie neben dem Kaufpreis nur mehr den anteilig auf das verkaufte Grundstück entfallenden Entschädigungswert von ca. 94.000 EUR der Grunderwerbsteuer unterwarf.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen; zumindest der vom FA einbezogene Entschädigungswert i.H.v. ca. 360.000 EUR, der auf umliegende Grundstücke des Verkäufers entfällt, gehört nicht zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer.

Nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bemisst sich die Steuer nach dem Wert der "Gegenleistung". Hierzu zählt der Kaufpreis, zu dessen rechnerischen Bestandteilen eine Wertminderung für dem Verkäufer verbleibende Grundstücke gehören kann. Auch sonstige Leistungen können eine Gegenleistung darstellen, wenn sie mit dem Erwerb des Grundstücks kausal verknüpft sind.

Der Entschädigungswert i.H.v. ca. 360.000 EUR gehörte nach dem geschlossenen Kaufvertrag ausdrücklich nicht zum vereinbarten Kaufpreis für das Grundstück. Die Zahlung war aber auch keine sonstige Leistung i.S.d. GrEStG. Denn sie diente nicht dem Grundstückserwerb, sondern der Abgeltung anderer Obliegenheiten des Verkäufers. Dieser hatte sich verpflichtet, seine umliegenden Grundstücke auf den Betrieb der Windkraftanlage einzustellen.

 

Hinweis

Die Grunderwerbsteuer richtet sich beim Grundstückskauf nach der Höhe der Gegenleistung. Diese wiederum wird bestimmt durch den eigentlichen Kaufpreis und andere, außerhalb der Kaufpreiszahlung liegende sonstige Leistungen, die aber ebenfalls für den Erwerb des Grundstücks zu leisten sind.

Im Streitfall war es nötig, zum Betrieb der Windkraftanlage auf dem Kaufgrundstück den Eigentümer der umliegenden Grundstücke – hier den Verkäufer – zum "Wohlverhalten" zu verpflichten. Er sollte keine Einwendungen gegen die Errichtung der Anlage erheben und notwendige Beeinträchtigungen seiner Grundstücke rund um die Anlage dulden. Der hierfür geschuldete Entschädigungswert gehört nicht zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer, weil er für andere Leistungen als die Verschaffung des Grundstücks geleistet wird.

Nach der Entscheidung müssen also Leistungen, die nicht für das Grundstück gewährt werden, aus der Bemessungsgrundlage für die GrESt herausgehalten werden.

Umgekehrt sollte die Entscheidung nicht dazu ermuntern, durch schlichte zivilrechtliche Vereinbarung Teile des (grunderwerbsteuerpflichtigen) Kaufpreises in anderen (grunderwerbsteuerfreien) Leistungen zu verstecken. Denn sollte bereits bei einem Grundstückskauf eine Gesamtgegenleistung vorliegen, die Entgelt sowohl für das Grundstück als auch für nicht der Grunderwerbsteuer unterliegende Gegenstände ist, so ist diese im Bedarfsfall von Amts wegen aufzuteilen (sog. Boruttau’sche Formel, vgl. BFH, Urteil vom 6.5.2015, II R 8/14, BFH/NV 2015, 1196, Rz.  23 m. w. N., BFH/PR 2015, 315, BStBl II 2015, 853), um Manipulationen zulasten des grunderwerbsteuerpflichtigen Kaufpreises zu verhindern. Grunderwerbsteuerrechtliche Relevanz kann z.B. auch der Erwerb von Bauplänen dann erlangen, wenn wegen Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung angenommen werden muss, dass ein Teil des Aufwands für den Erwerb der Bauplanung eine verdeckte Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks darstellt (vgl. BFH, Urteil vom 9.11.1999, II R 54/98, BFH/NV 2000, 525, BStBl II 2000, 143).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.5.2017 – II R 16/14

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