Die Einschätzung der Pflegebedürftigkeit bei Kindern folgt grundsätzlich den Prinzipien der Erwachsenenbegutachtung, da die für die Erwachsenen relevanten Kriterien mit nur wenigen Anpassungen auch auf Kinder (bis zum vollendeten 14. Lebensjahr) und Jugendliche (bis zum vollendeten 18. Lebensjahr) zutreffen.

Zur Vereinfachung wird nachfolgend nur von Kindern gesprochen, dies schließt Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit ein. Werden im Text Eltern erwähnt, schließt dies auch andere Pflegepersonen mit ein.

Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass bei Kindern in der Bewertung allein die Abweichung von der Selbständigkeit und den Fähigkeiten altersentsprechend entwickelter Kinder zugrunde gelegt wird. Ein wesentliches Merkmal der normalen kindlichen Entwicklung ist die Variabilität aller Entwicklungsschritte.

Zur Beantwortung der Frage, welche der im Begutachtungsinstrument enthaltenen Fähigkeiten in welchem Alter vorliegen beziehungsweise welche Handlungen beziehungsweise Aktivitäten selbständig durchgeführt werden können, erfolgte eine umfangreiche Literaturrecherche und Analyse, ergänzt durch Fachexpertisen[1]. Die Analyse zielte darauf ab, zu den im Begutachtungsinstrument verwendeten Kriterien eine auf empirischen Untersuchungen basierende Aussage zu treffen, ab welchem Alter die entsprechende Aktivität üblicherweise selbständig von einem Kind durchgeführt wird beziehungsweise die entsprechende Fähigkeit ausgebildet ist. Kriterien, die entwicklungsbedingt bis zu einem bestimmten Alter auch bei gesunden Kindern als unselbständig zu beurteilen sind, werden im Formulargutachten entsprechend gekennzeichnet und müssen nicht beurteilt werden.

In den Modulen 3 "Verhaltensweisen und psychische Problemlagen" und 5 "Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen" gibt es keine Festlegung von Altersgrenzen, da hier krankheits- und therapiebedingte Beeinträchtigungen erfasst werden, die altersunabhängig bei jedem Kind zu bewerten sind. Ebenso ist das Kriterium hinsichtlich des Vorliegens der besonderen Bedarfskonstellation KF 4.1.B "Gebrauchsunfähigkeit beider Arme und beider Beine" altersunabhängig immer zu bewerten.

Die altersabhängig ermittelten Grade der Selbständigkeitsentwicklung sind im Begutachtungsinstrument für Kinder hinterlegt. Die Aufgabe der Gutachterin beziehungsweise des Gutachters ist es, analog zur Erwachsenenbegutachtung die festgestellten Beeinträchtigungen und den Grad der Selbständigkeit zu dokumentieren. Deutlich wird somit die Notwendigkeit der gründlichen Erhebung der kindspezifischen Anamnese, um dem individuellen Entwicklungsverlauf und den besonderen Versorgungssituationen gerecht zu werden. Eine eingehende Befunderhebung ist zusätzlich erforderlich. Bei der Befunderhebung hat sich die Gutachterin oder der Gutachter neben der Prüfung verfügbarer Vorbefunde oder anderer Informationen ein eigenes Bild von Schädigungen, Beeinträchtigungen der Aktivitäten und Teilhabe, sowie der Ressourcen des Kindes zu machen. Mit dem Begutachtungsinstrument werden auch die Tätigkeiten berücksichtigt, die sich aus dem Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen ergeben. Nicht nur die Begleitung zu Arzt- oder Therapeutenbesuchen, sondern auch die Begleitung zur Frühförderung fließt in die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit ein. Dies trifft ebenso auf die von den Eltern durchgeführten behandlungspflegerischen Maßnahmen wie Blutzuckermessen und Insulinspritzen, den Umgang mit körpernahen Hilfsmitteln, krankengymnastische, logopädische oder atemtherapeutische Übungen zu.

Zur Begutachtung von Kindern kommt ein eigenes Formulargutachten zum Einsatz, welches den Besonderheiten von Kindern gerecht wird.

Sonderregelungen bei pflegebedürftigen Kindern im Alter bis zu 18 Monaten

Das neue Begutachtungsinstrument gilt grundsätzlich für alle Altersgruppen. Der Bezugspunkt für die Einstufung von Kindern ist der Vergleich mit einem altersentsprechend entwickelten Kind. Da das neue Begutachtungsinstrument die Selbständigkeit im Vergleich zu altersentsprechend entwickelten Kindern als Maßstab hat, könnten Kinder von 0 bis 18 Monaten ohne eine Sonderregelung regelhaft keine oder nur niedrige Pflegegrade erreichen, da Kinder in diesem Alter von Natur aus in allen Bereichen des Alltagslebens unselbständig sind. Zudem müssten sie aufgrund der häufigen Entwicklungsveränderungen, wie sie sich bei altersentsprechend entwickelten Kindern in dieser Altersstufe vollziehen, in sehr kurzen Zeitabständen neu begutachtet werden.

Für pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten (der Tag, an dem das Kind seinen 18. Lebensmonat vollendet; vergleiche §§ 187, 188 BGB) wurden deshalb hinsichtlich ihrer Beurteilung und Einstufung Sonderregelungen getroffen (§ 14 Absatz 2 Nummer 4 SGB XI, § 15 Absatz 6 und Absatz 7 SGB XI).

Bei der aufgrund des Alters noch natürlichen hohen Unselbständigkeit werden bei Kindern im Alter bis zu 18 Monaten nur die altersuna...

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