Leitsatz

Wird ein Strafverfahren seitens des Finanzamts für 10 Jahre unterbrochen, ist ernstlich zweifelhaft, ob die später ergangenen Änderungsbescheide noch rechtmäßig sind. Das FG Rheinland-Pfalz nimmt eine sog. Verwirkung an und gewährt Aussetzung der Vollziehung.

 

Sachverhalt

Gegen einen Ingenieur wurde am 8.10.1998 ein Strafverfahren eingeleitet. Es bestand der Verdacht der Hinterziehung von Einkommensteuer für die Jahre 1991 bis 1998, der Vermögensteuer für die Jahre 1993 bis 1994 und der Umsatzsteuer für das Jahr 1992. Bei der Umsatzsteuer wurde zunächst nur das Jahr 1992 in die Prüfung einbezogen, da in diesem Jahr ein Geldtransfer nach Luxemburg festgestellt wurde, dessen Mittelherkunft unklar war. Die Fahnder gingen davon aus, dass es sich bei den Geldern um nicht versteuerte Umsätze aus dem Jahr 1992 handelte. Nachdem die Steuerfahndung die Prüfung im Dezember 1998 wegen Arbeitsüberlastung unterbrochen hatte, setzte sie die Prüfung erst zehn Jahre später, im November 2008, fort. Am 6.5.2010 ergingen schließlich Änderungsbescheide für die Umsatzsteuer der Jahre 1991 bis 1995. Der Ingenieur beantragte Aussetzung der Vollziehung und berief sich auf eine bereits eingetretene Festsetzungsverjährung.

 

Entscheidung

Die Vollziehung ist nach Ansicht des FG auszusetzen, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der geänderten Umsatzsteuerbescheide bestehen. Beginnt die Steuerfahndung vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit der Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen, so wird der Ablauf der Festsetzungsfrist bis zur Unanfechtbarkeit der Änderungsbescheide gehemmt (§ 171 Abs. 5 S. 1 AO). Ein solcher Fall lag hier vor. Die Ablaufhemmung i. S. des § 171 Abs. 5 S. 1 AO umfasst jedoch nicht den gesamten Steueranspruch, sondern beschränkt sich auf den Gegenstand der Ermittlungen. Die Einleitung des Strafverfahrens bezog sich jedoch ausdrücklich nur auf die Umsatzsteuer des Jahres 1992. Das Gericht konnte nicht erkennen, dass die Prüfung noch im Jahr 1998 auf die übrigen Jahre erweitert wurde. Die umsatzsteuerrechtlich relevanten Sachverhalte wurden vielmehr allesamt erst nach Wiederaufnahme der Prüfung im Jahr 2008/ 2009 ermittelt. Soweit die Prüfung - für den Ingenieur erkennbar - also erweitert wurde, geschah dies erst nach Eintritt der Festsetzungsverjährung. Die Aussetzung der Vollziehung ist im Ergebnis wegen einer Verwirkung geboten.

 

Hinweis

Der Ingenieur berief sich auf § 171 Abs. 4 S. 2 AO, wonach der Ablauf der Festsetzungsfrist bei einer Fahndungsprüfung nicht gehemmt wird, wenn die Prüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für mehr als sechs Monate unterbrochen wird und die Finanzbehörde die Gründe für diese Unterbrechung zu vertreten hat. Das FG ließ diese Argumentation nicht gelten, da die Unterbrechung im Urteilsfall nicht unmittelbar nach Beschlagnahme der Unterlagen stattfand, sondern die Steuerfahndung zuvor noch Ermittlungen bei Banken durchgeführt hatte und in die Auswertung der ersten Ergebnisse eingestiegen war.

 

Link zur Entscheidung

FG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.12.2010, 6 V 1924/10

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