Leitsatz

1. Die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale greift auch dann ein, wenn wegen atypischer Dienstzeiten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zweimal arbeitstäglich erfolgen.

2. Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, für atypische Dienstzeiten eine Ausnahme von der Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale vorzunehmen.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG , Art. 3 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Der Kläger, von Beruf Opernsänger, ist bei einem Staatstheater angestellt. Er machte erfolgreich die Entfernungspauschale des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG n.F. für seine (normalen) Fahrten zwischen der Wohnung und der 30 km entfernten Arbeitsstätte an 270 Tagen geltend. Darüber hinaus begehrte der Kläger wegen zusätzlicher arbeitstäglicher Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Aufwendungen in Höhe von rd. 9.300 DM nach Dienstreisegrundsätzen anzuerkennen. Ausweislich einer Bescheinigung des Staatstheaters hatte der Kläger seine Dienstzeiten von 10 – 13 Uhr und ab 18 Uhr bis Proben-/Vorstellungsende.

Das FA lehnte es ab, die zusätzlichen Fahrten zu berücksichtigen. Das FG wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurück. Sowohl die Frage, ob die Entfernungspauschale sämtliche Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgelte, als auch die Frage, ob die Regelung verfassungskonform sei, bedürfe keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Beide Fragen seien offensichtlich so zu beantworten, wie es das FG getan habe.

 

Hinweis

1. Der BFH hatte in der Besprechungsentscheidung darüber zu befinden, ob bei atypischen Dienstzeiten eines Opernchorsängers – morgens Proben, abends Proben oder Vorstellung – Aufwendungen für eine zusätzliche arbeitstägliche Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte steuerlich anerkannt werden können oder ob dem die Abgeltungswirkung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (in der Fassung ab 2000) entgegensteht.

2. Bekanntlich wurden nach der Gesetzesfassung, die bis zum Jahr 2000 gegolten hat, zusätzliche Fahrten berücksichtigt, soweit sie durch einen zusätzlichen Arbeitseinsatz außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit oder durch eine Arbeitszeitunterbrechung von mindestens vier Stunden veranlasst waren. Diese Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG a.F. hat der Gesetzgeber in der Neuregelung ab 2000 ausdrücklich und bewusst nicht mehr übernommen.

Nach dem gesetzlichen Wortlaut der Neufassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist nunmehr zur Abgeltung der Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale (in bestimmter Höhe) anzusetzen. Es wird also ein Betrag, der sich aus der Entfernung zur Wohnung ergibt, steuerlich berücksichtigt, und zwar – jedenfalls im Grundsatz – unabhängig davon, wie häufig die Strecke je Arbeitstag zurückgelegt bzw. welches Verkehrsmittel benutzt wird sowie ob und welche Kosten tatsächlich anfallen.

3. Angesichts dieser eindeutigen Rechtslage hat der BFH die Revision nicht zugelassen; er hat allerdings in einem sehr ausführlichen Beschluss die maßgeblichen rechtlichen Aspekte für die Nichtberücksichtigung zusätzlicher Fahrtkosten erschöpfend dargelegt. Hierzu rechnet auch, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken dahin gehend bestehen, dass mit der Entfernungspauschale auch atypische (Mehrfach-)Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte abgegolten werden. Es stand dem Gesetzgeber zudem frei, eine typisierende Abgeltungsregelung zu treffen, auch wenn dadurch nicht in allen Fällen die tatsächlich angefallenen Aufwendungen eines Steuerpflichtigen abgedeckt werden. Denn der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Insbesondere war der Gesetzgeber auch nicht gezwungen, Ausnahmeregelungen für die vergleichsweise geringe Zahl atypischer Beschäftigungsverhältnisse zu treffen.

4. Unzweifelhaft können zusätzliche Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auch nicht als Dienstreisen angesehen werden. Denn solche liegen bei einer vorübergehenden Auswärtstätigkeit vor, bei der der Arbeitnehmer sowohl außerhalb der Wohnung als auch außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitsstätte beruflich tätig wird.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 11.9.2003, VI B 101/03

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