Tz. 179

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Mit der Mitte 2007 in Kraft getretenen Verordnung REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) sind Unternehmen, die in die EU chemische Stoffe importieren, chemische Stoffe in der EU herstellen oder diese vertreiben wollen, verpflichtet, nachzuweisen, dass die chemischen Stoffe unbedenklich sind. Hierzu müssen die betroffenen Unternehmen eine Registrierung bei der ECHA (European Chemicals Agency) erwirken (vgl. mwN Hoffmann/Rimmelspacher, WPg 2012, S. 868f.). Für besonders gefährliche chemische Stoffe wurde zudem ein Zulassungsverfahren eingeführt, für das die folgenden Ausführungen analog gelten.

Erst mit der Registrierung erhalten die Unternehmen das Recht, einen chemischen Stoff zu importieren, herzustellen oder zu vertreiben. Mit der Erstellung eines Registrierungsdossiers sind für die Unternehmen – abhängig davon, ob ein neuer oder ein bereits bestehender Stoff registriert werden soll – verschiedene Ausgaben verbunden (zB zur Identifikation der chemischen Substanzen, für Tests oder für Registrierungsgebühren der ECHA; vgl. EY, International GAAP 2020, S. 1310). Die mit der Registrierung verbundenen Ausgaben können ggf. dadurch vermindert werden, dass Unternehmen gemeinsam einen Antrag vorbereiten oder auf bereits bestehenden Daten aufbauen (vgl. hierzu auch DRSC AH 2 (IFRS), S. 4). Bspw. haben Unternehmen das Recht – mitunter auch die Pflicht –, bei einer Folgeregistrierung bereits registrierter chemischer Stoffe auf die ursprünglichen Registrierungsdokumente zurückzugreifen, wofür das erstregistrierende Unternehmen eine gewisse Vergütung erhält (vgl. KPMG, Insights into IFRS 2019/2020, Tz. 3.3.170.20).

Mit Blick auf die Bilanzierung stellt sich die Frage, wie die für die Registrierung anfallenden Ausgaben im IFRS-Abschluss zu behandeln sind. Während das IFRS IC mit Verweis auf die allgemeinen Leitlinien des IAS 38 auf die Erstellung einer Interpretation verzichtete (vgl. IFRIC Update July 2009, S. 4), veröffentlichte das DRSC hierzu einen Anwenderhinweis (DRSC AH 2 (IFRS); zur handelsrechtlichen Bilanzierung vgl. Hoffmann/Rimmelspacher, WPg 2012, S. 867–874).

 

Tz. 180

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Zunächst stellt sich in Hinblick auf die Anwendbarkeit des IAS 38 auf den vorliegenden Sachverhalt die Frage, ob die mit der Registrierung chemischer Stoffe verbundenen Ausgaben als immaterieller Vermögenswert iSv. IAS 38.8 zu qualifizieren sind, d. h. ein identifizierbarer, nicht monetärer Vermögenswert ohne physische Substanz sind. Vor dem Hintergrund, dass mit der Registrierung von chemischen Stoffen bei der ECHA ein vertragliches/gesetzliches Recht iSv. IAS 38.12 (b) verbunden ist, ist das Kriterium der "Identifizierbarkeit" erfüllt. Dieses Recht ist zudem als nicht monetär und ohne physische Substanz zu charakterisieren. Mit Blick auf die Anforderungen an einen Vermögenswert sind insbesondere die Kriterien "Kontrolle" und "künftiger wirtschaftlicher Nutzen" näher zu beleuchten (vgl. hierzu auch ausführlich DRSC AH 2 (IFRS), S. 5f.). Der (erwartete) künftige wirtschaftliche Nutzen aus der Registrierung lässt sich insofern ableiten, als das berichterstattende Unternehmen nur mit einer entsprechenden Registrierung in der EU operieren kann. Durch eine (erfolgreiche) Registrierung bei der ECHA kann das berichterstattende Unternehmen die registrierten chemischen Stoffe importieren, herstellen und bzw. oder vermarkten, wodurch Zahlungsmittelzuflüsse zu erwarten sind (vgl. ähnlich im handelsrechtlichen Kontext Hoffmann/Rimmelspacher, WPg 2012, S. 870). Die Kontrolle über diese erwarteten wirtschaftlichen Nutzenzuflüsse ist iSv. IAS 38.13 darauf zurückzuführen, dass das mit der (erfolgreichen) Registrierung verbundene Recht sich aus einer EU-Verordnung ableitet und mithin auf juristisch durchsetzbaren Ansprüchen beruht (vgl. DRSC AH 2 (IFRS), S. 5; KPMG, Insights into IFRS 2019/2020, Tz. 3.3.170.20). Da kein scope out vom Anwendungsbereich des IAS 38 für diesen Sachverhalt einschlägig ist und die Voraussetzungen für einen immateriellen Vermögenswert erfüllt sind (zugleich erstes Ansatzkriterium), ist IAS 38 anzuwenden.

 

Tz. 181

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

In Hinblick auf das zweite und auf das dritte Ansatzkriterium (Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses und zuverlässige Messbarkeit) ist zwischen unterschiedlichen "Zugangsformen" zu differenzieren. Sofern das berichterstattende Unternehmen einen neuen Stoff registriert, sind mit Blick auf die Ansatzfähigkeit der hierfür angefallenen Ausgaben die allgemeinen Vorschriften für selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte zu berücksichtigen, dh. die Abgrenzung zwischen der Forschungs- und der Entwicklungsphase einerseits und die konkretisierenden Ansatzkriterien in IAS 38.57 für in der Entwicklung angefallene Ausgaben andererseits. Bezüglich der konkretisierenden Ansatzkriterien werden vor allem der Nachweis, wie mit dem immateriellen Vermögenswert wahrscheinlich ein künftiger Nutzen entstehen wird (IAS 38.57 (d)...

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