Tz. 7

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Die erste Erleichterungsvorschrift setzt gem. IFRS 16.5 (a) ein kurzfristiges Leasingverhältnis (short-term lease) voraus. Als kurzfristig gilt ein Leasingverhältnis, wenn die Laufzeit der Vereinbarung zum Zeitpunkt der Bereitstellung des Leasingobjekts 12 Monate nicht überschreitet und keine Kaufoption für den Leasinggegenstand vereinbart wird (IFRS 16 Appendix A (short-term lease)). Es bedarf also der genauen Bestimmung der Laufzeit des Leasingverhältnisses (lease term). Hierfür sind die allgemeinen Regelungen in IFRS 16.18–21 iVm. IFRS 16.B34–B41 für die Bestimmung der Laufzeit eines Leasingverhältnisses einschlägig (IFRS 16.BC93) (ausführlich vgl. Tz. 41ff.).

Folglich sind explizit auch Verlängerungs- und Kündigungsoptionen in die Beurteilung, ob ein kurzfristiges Leasingverhältnis vorliegt, einzubeziehen. So sind gem. IFRS 16.18 bei der Bestimmung der Laufzeit eines Leasingverhältnisses neben der unkündbaren Grundlaufzeit auch diejenigen Zeiträume einzubeziehen, für die seitens des Leasingnehmers eine Verlängerungsoption oder eine Kündigungsoption besteht, soweit es hinreichend sicher (reasonably certain) ist, dass der Leasingnehmer die Option zur Verlängerung ausüben wird bzw. die Option zur Kündigung nicht ausüben wird. Die Beurteilung, ob die (Nicht-)Ausübung des Leasingnehmers hinreichend sicher ist, ist vor dem Hintergrund sämtlicher relevanten Fakten und Umstände vorzunehmen, die dem Leasingnehmer einen wirtschaftlichen Anreiz zur (Nicht-)Ausübung geben (IFRS 16.19; hierzu ausführlich vgl. Tz. 46f.). Sollten sowohl Leasingnehmer als auch Leasinggeber eine auf den gleichen Zeitraum bezogene Option haben, das Leasingverhältnis ohne Einwilligung der jeweils anderen Partei ohne signifikante Vertragsstrafe zu kündigen, gilt der von dieser Option betroffene optionale Zeitraum nicht als Teil der Laufzeit des Leasingverhältnisses (IFRS 16.B34; vgl. Tz. 42). Ferner sind auch Kündigungsfristen (notice period) zu beachten (IFRS 16.BC127; vgl. Tz. 42).

Beispiel – Leasingverhältnis mit einseitiger Kündigungsoption des Leasingnehmers:

Sachverhalt: LN mietet von LG eine Maschine über einen Zeitraum von 3 Jahren, um sie in seiner Produktion zu nutzen. Die Maschine weist keine auf den Leasingnehmer abgestimmten Besonderheiten auf, vielmehr unterliegt sie einem relativ schnellen technischen Wandel, sodass sie üblicherweise nach 12 Monaten ersetzt wird. Die (Ersatz-)Beschaffung des technischen Nachfolgeprodukts verursacht nur sehr geringe Kosten und kann am Markt jederzeit erfolgen. Dem Leasingnehmer wird das Recht eingeräumt, das Leasingverhältnis jeweils zum Ende eines Nutzungsjahres ohne Vertragsstrafe zu kündigen. Es besteht keine Kaufoption für den Leasingnehmer.

Beurteilung: Obgleich die Vertragspartien eine Vereinbarung über 3 Jahre schließen, ist es hinreichend sicher, dass der Leasingnehmer von seinem Kündigungsrecht nach 12 Monaten Gebrauch machen wird. So hat er mit Blick auf die Schnelllebigkeit der Maschine und der geringen Kosten für eine Ersatzbeschaffung einen einschlägigen wirtschaftlichen Anreiz, sie nach dem ersten Jahr zu ersetzen. Die Laufzeit des Leasingverhältnisses beträgt 12 Monate, sodass ein kurzfristiges Leasingverhältnis vorliegt.

Beispiel – Leasingverhältnis mit Verlängerungsoption(en) des Leasingnehmers:

Sachverhalt: LN und LG vereinbaren ein Leasingverhältnis über 12 Monate. Der Leasingnehmer kann das Leasingverhältnis zum Ablauf der Vereinbarung immer um weitere 12 Monate verlängern. Es gilt als hinreichend sicher, dass er von der Verlängerungsoption einmal Gebrauch machen wird.

Beurteilung: Die Laufzeit des Leasingverhältnisses beträgt 24 Monate, es liegt also kein kurzfristiges Leasingverhältnis vor.

Beispiel – Leasingverhältnis mit Kündigungsoption des Leasingnehmers und Kündigungsfrist:

Sachverhalt: LN und LG vereinbaren ein Leasingverhältnis über 3 Jahre. LN wird eine Kündigungsoption gewährt, die frühestens nach 10 Monaten ausgeübt werden kann. Die Kündigungsfrist beträgt 3 Monate. Es gilt als hinreichend, dass LN vom Kündigungsrecht zum frühestmöglichen Zeitpunkt Gebrauch machen wird.

Beurteilung: Die Laufzeit des Leasingverhältnisses beträgt 13 Monate, sodass kein kurzfristiges Leasingverhältnis vorliegt.

 

Tz. 7a

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Mit Blick auf das Ansatzwahlrecht für kurzfristige Leasingverhältnisse bestehen besondere Herausforderungen hinsichtlich außerbilanzieller Gestaltungen. So können rechtliche Gestaltungen etwa darauf abzielen, die Bilanzwirksamkeit eines im wirtschaftlichen Sinne eigentlich langfristigen Leasingverhältnisses – und damit insbesondere den Ansatz einer Leasingverbindlichkeit – zu umgehen, indem etwa formal kurzfristige Leasingverhältnisse verkettet werden (vgl. auch Bardens/Kroner/Meurer, KoR 2016, S. 389; ausführlich Dollereder, 2018, S. 129–135). In diesem Zusammenhang gilt es vor allem etwaige Verlängerungsoptionen des Leasingnehmers sehr gründlich zu evaluieren, wobei stets auf die Handlungsweise eines rational handelnde...

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