Wie Profis M&A-Projekte im Mittelstand angehen
Interviewpartnern des M&A-Experteninterviews:
Matthias Siems, Mitglied einer Unternehmerfamilie der Finanzindustrie mit 40-jähriger Tradition. Die Familie hat sich engagiert in der Bereichen Financial Industries, Railroads, Telecom, Real Estate, Entertainment, Shipping and FMCG. Dabei werden ausschließlich Beteiligungen mit einer Laufzeit von mindestens 8 Jahren ausgewählt.
Dr. Mario Stephan, promovierter Betriebswirt mit Fokus auf Unternehmenssteuerung und Performance Optimierung. Seit 20 Jahren in der Managementberatung tätig, aktuell als Leiter Unternehmenssteuerung und Digitalisierung bei Horváth & Partners in Zürich. Daneben Dozent für strategische Unternehmensführung an der Steinbeis-Hochschule Berlin.
Das Interview führte: Prof. Dr. Andreas Klein, Professor für Controlling an der SRH Hochschule Heidelberg und Herausgeber des Controlling-Beraters.
Was macht für Sie Investitionen in mittelständische Unternehmen besonders interessant?
Matthias Siems: Im Mittelstand definiert sich das Unternehmen oft als Lebenswerk des Inhabers. In vielen dieser Unternehmen haben dann auch die Mitarbeiter ein entsprechendes Verbundenheitsgefühl. Das schlägt sich auf die langfristige Performance des Unternehmens nieder, weil intrinsisch motivierte Mitarbeiter langfristig immer performanter sind als extrinsisch motivierte.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu betonen, dass wir keine Venture Capitalisten sind die versuchen, aus X Tausend EURO X Millionen EURO zu machen, sondern dass wir altes Vermögen in Unternehmen investieren, die langfristig zweistellige Renditen erwirtschaften. Unser Maßstab ist die Normalität und das funktioniert mit eigentümergeführten Unternehmen, die eine eigene Mission erfüllen, langfristig am besten.
Dr. Mario Stephan: Für uns ist an mittelständigen Unternehmen insb. spannend, dass es dort entweder nach erfolgter Investition durch einen Investor oder im Rahmen der Post-Merger-Integration (PMI) nach einem Verkaufsprozess, als allererstes um die Konzeption eines optimalen Steuerungskonzeptes für die neue Organisation geht. Und genau diese beiden Themen, d. h. die Entwicklung von Steuerungskonzepten und die Optimierung der Unternehmensleistung sind die Kernkompetenzen der meisten unserer Berater.
Auf welche Kennzahlen schauen Sie bei der Beurteilung eines möglichen Investitionsobjekts?
Siems: Zu allererst einmal auf die EK-Quote. Am wichtigsten ist aber letztlich, wie hoch die Investition im Vergleich zum Output, d. h. der Unternehmenswertsteigerung, ist. Wobei der Wert auch in der Marge, dem Image, dem Umsatzwachstum oder in Stiftungsarbeiten etc. liegen kann.
Stephan: Die richtige Orientierungsgröße richtet sich nach dem Zweck der Investition. In aller Regel versuchen wir zuerst zu verstehen, welches Leistungspotential sich in einer Steigerung von Umsatz und Marge verbirgt um daraus das Multiple, d. h. das Wertsteigerungspotential zu schätzen. Da auch wir keine Venture Capitalisten sind, spielen klassische Kenngrößen gegenüber reinen Wachstumszahlen wie bspw. bei Start-ups, nach wie vor die größte Rolle.
Interessieren Sie dann mehr die „harten“ Vergangenheitsdaten oder der Blick in die (unsichere) Zukunft?
Siems: Analyse und Bewertung sind zu 99 % auf die Zukunft ausgerichtet. Die Vergangenheit sorgt für die Erstellung von mentalen Sicherheitsankern. Um die unsichere Zukunft positiv beeinflussen zu können ist sie aber weniger von Bedeutung. Sie können als Investor nur das Morgen beeinflusst und dabei spielen das Vertrauen in den Unternehmer eine größere Rolle als die letztjährige Umsatzrendite.
Wie wichtig ist Bauchgefühl in diesem Prozess?
Siems: Bei der Analyse der Kennzahlen 0 %, im Gespräch mit den Menschen 100 %. Wenn Sie mit einem Unternehmer sprechen, spüren Sie schnell, ob Sie sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit vorstellen können und das korreliert nur mittelbar mit den Kennzahlen. Ungeachtet aktueller Kenngrößen hängt es am Ende davon ab, ob Sie Vertrauen haben können, dass Sie offen über alles sprechen können, was gut läuft, was weniger gut läuft und wo persönliche Belastungsgrenzen beginnen. Vertrauen ist die Basis des zukünftigen Erfolgs und dafür brauchen Sie Ihren Bauch.
Stephan: Das Thema Bauchgefühl ist m. E. der größte Unterscheid zwischen einem unternehmerisch handelnden Investor alter Schule und einem „nur“ hochqualifizierten Berater. Herr Siems hat das Thema praktisch schon mit der Muttermilch aufgesogen und – wenn ich es richtig gehört habe – schon als kleines Kind unter dem Konferenztisch spielen dürfen, während auf dem Tisch große und kleine Deals verhandelt wurden. In so einem Umfeld entwickelt sich eine Intuition, die nicht durch noch so viele Executive MBAs ausgeprägt werden kann. Aus diesem Grund müssen wir Berater uns an die kalten Fakten halten und uns weitestgehend auf die Analytik verlassen.
Das vollständige Interview finden Sie in: Andreas Klein (Hrsg.), " Mergers & Acquisitions im Mittelstand - Instrumente, Kennzahlen und Best-Practice-Prozesse", 1. Aufl. 2019.
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