warum Agilität im Controlling so wichtig wird.

Agiles Arbeiten ist schon lange keine Domäne von Software-Entwicklern mehr. Immer mehr Projekte, Funktionsbereiche und auch ganze Unternehmen werden nach diesem Prinzip gesteuert. In diesem Interview erläutern Marie-Luise Lehmann und Ulrich Egle, die Leiter des ICV-Fachkreises Agiles Controlling, warum auch Controller sich mit agilen Methoden beschäftigen sollten – und warum das gar nicht so schwer ist.

Keine Frage, dass auch Controlling und Finance agil denken und handeln müssen – und das in dreifacher Hinsicht: In der Steuerung des Gesamtunternehmens, in der Unterstützung der operativen Einheiten und Projekte sowie in der Organisation des eigenen Bereichs. Der Controller als Business Partner muss dazu agil denken und handeln. Was er dazu benötigt und wie er die agile Transformation erfolgreich umsetzt, ist Thema des ICV-Fachkreises Agiles Controlling.
 

Die Interviewpartner:

Marie-Luise Lehmann ist Expertin für Agile Finance, Dozentin, Speakerin und Gründerin von Finance Goes Agile. Zuvor war sie in Fach- und Führungspositionen im Controlling in verschiedenen Branchen tätig.
Kontakt: Marie-Luise Lehmann, Finance Goes Agile

Ulrich Egle ist Professor für Controlling und Digitale Transformation am Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern – Wirtschaft.
Kontakt: Ulrich Egle

Marie-Luise Lehmann und Ulrich Egle

Gemeinsam leiten sie den von ihnen gegründeten ICV-Fachkreis “Agiles Controlling”.

Das Interview führte Günther Lehmann, Chefredakteur Compliance und Controlling von Haufe.

Das Interview: Agiles Controlling 

  • Warum ist „agiles Controlling“ derzeit so aktuell?

Ulrich Egle: Digitale Transformation und agile Transformation treiben den Wandel der Geschäftsmodelle stark an. Komplexitätstreibend kam in den letzten Monaten noch die Corona-Pandemie dazu. Das Controlling befindet sich in einem perfekten Sturm und ist gefordert, sein Steuerungssystem den Herausforderungen anzupassen. Das funktioniert nur mit einem agilen Mindset im Controlling – agile Kulturtransformation gibt es aber nicht von heute auf morgen.

Marie-Luise Lehmann: Agiles Controlling wird ja auch häufig gleichgesetzt mit dem Wunsch nach einer flexiblen und anpassungsfähigen Finanzfunktion, die kurzfristig auf sich verändernde Anforderungen reagiert und die Herausforderung der VUCA-Welt meistern kann. Hierbei helfen agile Methoden und Mindset nachweislich. Daher rechne ich damit, dass der „agile way of working“ auch in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen wird.

  • Müsste die Priorität nicht eigentlich auf „Controlling in agilen Organisationen“ liegen? Schließlich muss das Controlling ja die Organisation bzw. deren Prozesse unterstützen.

Marie-Luise Lehmann: Ich denke, es geht um beides. Zum einen geht es um das Controlling der agilen Organisation. Hierbei ist es wichtig zu verstehen, dass sich agile Teams primär selbst steuern. In diesem Konstrukt ist dann die Frage, welche Aufgabe das Controlling hier übernimmt. Ich sehe es hier als Business Partner oder internen Berater, welcher Potenziale aufzeigt und Agilität unterstützt. Das stellt natürlich das praktikzierte Command & Control in starren Budgets in Frage. Noch spannender ist für mich aber, den Gedanken des Kundennutzen in die Finanzorganisation intern hineinzubringen. Sprich, sich als Finanzabteilung hinzusetzen und kritisch zu hinterfragen, welche der geleisteten Arbeiten tatsächlich dazu führen, dass für den internen Kunden, also andere Fachabteilungen, Management etc. (Mehr)Wert entsteht und dann sein tägliches Arbeiten konsequent daran auszurichten. Die meisten der historisch gewachsenen Aufgaben in Finanzabteilungen dürften damit wegfallen. Meine Erfahrung zeigt mir, dass hier ein unglaubliches zeitliches Potenzial liegt, was wirksamer eingesetzt werden könnte.

Ulrich Egle: Die mit Agilität assoziierten Begriffe wie Geschwindigkeit, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sind schon immer wichtige Controlling-Kompetenzen gewesen, gerade in der Rolle als Business Partner. Aber Agilität wirkt im Unternehmen mehrschichtig. Die Steuerung agiler Geschäftsmodelle steht aufgrund monetärer Aspekte oftmals im Vordergrund. Zunehmend sehen wir aber zwei unterschiedliche agile Geschwindigkeiten in den Unternehmen. Die unterstützenden Bereiche (Finance, Controlling, HR) verharren in starren Strukturen und verlieren an Bedeutung. Das sind gefährliche Entwicklungen für den Zusammenhalt und die Kultur im Unternehmen, gerade wenn das Business agil auf der Überholspur fährt.

  • Was sind die Hauptunterschiede von agilem Controlling zu klassischem Controlling?

Marie-Luise Lehmann: Der Gedanke, die eigene Fachabteilung als Treiber der Wertschöpfung zu verstehen, ist vielerorts neu. Auch bedeutet agiles Controlling das sich Abwenden von klassischen Steuerungsinstrumenten wie starren Budgets. Mit Konzepten wie Rolling Forecasts, Beyond Budgeting etc. gibt es hier über Jahrzehnte erprobte Methoden, die zum heutigen Zeitgeist passen und der Notwendigkeit der schnellen Entscheidungsmöglichkeit Rechnung tragen. Das ist letztendlich die Flexibilität, die wir uns heute Wünschen 

Ulrich Egle: Wir diskutieren seit Jahren über den Controller als Business Partner auf der Grundlage klassischer Controlling-Instrumente. Nicht alle Instrumente funktionieren in digitalen und agilen Unternehmen gleichermaßen. Ein aktiver Business Partner muss seinen Controlling-Werkzeugkasten deshalb um agile Methoden erweitern, um z. B. die digitale Transformation oder New Work-Konzepte erfolgreich zu steuern.

  • Was zeichnet die Arbeit in „agilen Controllingbereichen“ aus? 

Ulrich Egle: Es bedingt ein fundiertes Verständnis über agile Werte und agile Prinzipien (siehe auch Agiles Manifest). Daraus ergeben sich die anzuwendenden Methoden im Controlling. 

  • Welche zusätzlichen Fähigkeiten/Skills benötigen Controller in agilen Strukturen? / Wie unterscheiden sich die Skill-Anforderungen von Controllern in agilen Organisationen im Vergleich zu klassischen Strukturen?

Marie-Luise Lehmann: Ich glaube, sie unterscheiden sich nicht. Wichtig ist vielmehr, offen zu sein für Neues und anzuerkennen, dass man nicht alles wissen und planen kann. Dieser „growth mindset“, wie er in der Literatur oft bezeichnet wird, ist für viele Controller eine Herausforderung, die Zeit braucht. Aber es lohnt sich, diesen Weg zu gehen.

  • Sie haben in Ihrem Arbeitskreis knapp 50 Mitglieder. Wie viele davon haben schon mit agilem Controlling begonnen? Und was sehen diese als die größten Herausforderungen?

Ulrich Egle: Wir haben einen sehr aktiven Mitgliedermix, der sich sehr engagiert und interessiert am breiten Themenfeld „Agiles Controlling“ zeigt. Die Unternehmen haben unterschiedliche agile Reifegrade. Viel wichtiger ist aber der Erfahrungsaustausch über Mindset, Kultur, Methoden und der Transfer ins eigene Unternehmen. 

Marie-Luise Lehmann: Grundsätzlich merken wir auch hier, dass viele Unternehmen das Thema „Agile Finance“ für sich entdeckt haben und es umsetzen wollen. Schön finde ich dabei, dass der Wandel aus allen Hierarchieebenen vorangetrieben wird. Das merken wir auch bei unseren Mitgliedern: Vom CFO über Leiter Controlling sowie Controlling-Fachexperten bis hin zu Professoren und Beratern ist alles dabei. Und alle arbeiten gemeinsam und auf Augenhöhe an einem gemeinsamen Ziel: Die Finanzfunktion der Zukunft zu gestalten.
 

Ausführliche Informationen zu Agilität im Controlling finden Sie in der Artikelserie von Marie-Luise Lehmann und Ulrich Egle im Controller Magazin ab Heft 1/2021.

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Schlagworte zum Thema:  Agilität, Controlling