Resilienz, Flexibilität und Prognosefähigkeit: Auf diese Fähigkeiten kommt es an
Immer neue makroökonomische Turbulenzen und ...
Wer dachte, die Zeit der makroökonomischen Schocksituationen und Überraschungen ist nun überwunden, wird aktuell eines Besseren belehrt. Fast täglich verunsichert die amerikanische Regierung mit neuen Ankündigungen die Weltwirtschaft und sorgt für Turbulenzen sowohl an den Börsen als auch in der Realwirtschaft.
... geopolitische Konflikte
Ganz besonders belastend sind für die Wirtschaft jedoch zusätzlich die neuen geopolitischen Spannungen, die sich in den letzten Jahren aufgebaut haben. Speziell für eine exportabhängige Nation wie Deutschland sind diese Entwicklungen fatal und gefährden damit auch unseren Wohlstand sowie unsere Wachstumsbasis. Kurzum: Die Aufgabe des Controllings, dem Management Orientierung und Planungsstabilität zu geben, wird nicht einfacher.
Neuer Schwerpunkt der Ideenwerkstatt im ICV
Vor diesem Hintergrund hat sich die Ideenwerkstatt des Internationalen Controller Vereins Gedanken gemacht, wie diesen Herausforderungen begegnet werden kann und was sich in der Unternehmenssteuerung ändern muss. Dabei haben sich Controller und Manager aus Weltkonzernen und großen mittelständischen Unternehmen zusammen mit Beratern und Wissenschaftlern Gedanken zu den erkannten Herausforderungen gemacht und im Team Lösungen erarbeitet.
Resilienz und Flexibilität als entscheidende Steuerungsvoraussetzungen
Im Grundsatz sind sich die Expertinnen und Experten einig, dass die neuen und oben skizzierten Kontextfaktoren der Steuerung, letztendlich die große neue Instabilität der Märkte, eine möglichst stark ausgeprägte Reaktionsfähigkeit der Unternehmen erfordert. Hierfür stehen Resilienz und Flexibilität als neue und dringend notwendige Unternehmenskompetenzen zur flexibleren Unternehmenssteuerung.
- Resilienz beschreibt die Fähigkeit, externe Schocks zu bewältigen und sich an veränderte Bedingungen anzupassen. Resilienz bedeutet nicht nur Widerstehen, sondern auch die besondere Kompetenz, gestärkt aus Krisensituationen hervorzugehen.
- Flexibilität ist die Fähigkeit eines Unternehmens, sich schnell und effizient an Veränderungen im Marktumfeld anzupassen. Dies umfasst sowohl interne als auch externe Faktoren. Intern geht es beispielsweise um Arbeitsflexibilität, organisatorische Flexibilität oder interne Mobilität. Extern sind Marktanpassungen, eine noch stärkere Kundenorientierung oder technologische Anpassungen zu nennen.
Das Controlling sollte zum einen diese Unternehmenskompetenzen, sofern nicht vorhanden, vom Management als dessen Business Partner einfordern und es darin unterstützen, diese kontinuierlich auf- und auszubauen. Zum anderen sollten diese Kompetenzen auch auf das Controlling selbst Anwendung finden, d.h. die Controlling-Tools und -Organisation sind ebenfalls flexibler und resilienter zu gestalten.
Lösungsansatz: Regionale Diversifikation und Desinvestition in Krisengebieten
Im Rahmen der Lösungssuche zeigte der Elektronik- und Automationskonzern Phoenix Contact GmbH & Co. KG, wie er operative und finanzielle Resilienzmaßnahmen umgesetzt hat. Operativ hatte man das Resilienzziel „Absicherung der Wertschöpfungskette“ formuliert. Dafür wurden folgende Maßnahmen umgesetzt:
- Diversifizierung interner und externer Lieferanten.
- Aufbau redundanter, regionaler Fertigungsstrukturen („local for local“).
- Sicherung der Lieferfähigkeit trotz
- geopolitischer Störungen.
- Zollbedingte Nachteile durch lokale Produktion umgehen.
Der erhoffte Effekt war bzw. ist eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit, der Versorgungssicherheit und somit eine gewisse Krisenfestigkeit.
Flankierend hierzu wurden finanzielle Resilienzmaßnahmen zum Schutz vor wirtschaftlichen und geopolitischen Risiken umgesetzt:
- Aufbau finanzieller Reserven & eines strategischen Liquiditätsmanagements.
- Diversifikation der Einnahmequellen.
- Reduktion von Kapitalbindung in Risikoregionen.
- Einsatz regionaler Finanzierungsmodelle zur Risikominimierung.
- Optimierung internationaler Wertströme & Gewinnverlagerung.
Ziel dieser Maßnahmen war die Absicherung gegen Liquiditäts- und Kapitalverluste in Krisenregionen.
Lösungsansatz: Mehr Flexibilität wagen
Der Verpackungskonzern Gerresheimer AG hat sich viel mit einer Erhöhung der eigenen Flexibilität beschäftigt, da das eigene Umfeld immer unsicherer und volatiler wurde. Die Führung erkannte, dass Flexibilität bei Geschäftsmodellen und Prozessen für Gerresheimer ein zentraler Erfolgsfaktor ist. Das Controlling spielt dabei eine Schlüsselrolle, indem es agil auf Veränderungen reagiert. Um diesen Anspruch umzusetzen, werden bei Gerresheimer u.a. dezentrale Controllingstrukturen und damit die Nähe zu den lokalen Märkten gefördert. Mit dem Dotted-Line-Prinzip verbindet man lokale Verantwortung mit zentraler Governance und unternehmensweiten Vorgaben. So werden in dieser Aufstellung validere Planungen durchgeführt, indem dezentrale und zentrale Planungsannahmen (z. B. zu Rohstoffen oder Zinsen) kombiniert werden, um flexibel auf Marktveränderungen zu reagieren. Die Planung erfolgt in drei Zyklen (Jahresplanung, Ganzjahresforecast, Monatsforecast) und wird durch Szenarioanalysen ergänzt. Schließlich sollten alle Controller, speziell die dezentralen Controller, ein tiefes Geschäftsverständnis, analytische Fähigkeiten und ein "Growth Mindset" vorweisen.
Das Controlling muss auch die Prognosefähigkeit sicherstellen
Neben Resilienz und Flexibilität sind Controllerinnen und Controller im neuen makroökonomischen Kontext ganz besonders gefordert, eine qualitativ hochwertige Prognosefähigkeit sicherzustellen. Ziel ist dabei, fundierte Vorhersagen für zukünftige Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft möglich zu machen. Damit sollen Herausforderungen frühzeitig erkannt und Risiken minimiert werden. Dazu braucht das Controlling Kenntnisse über qualitative und insbesondere quantitative Methoden (mathematische Modelle für statistische Vorhersagen) sowie auch hinsichtlich der neuen technologischen Möglichkeiten, die künstliche Intelligenz oder Big Data bieten. So hat beispielsweise der Chemiekonzern BASF SE seine Liquiditätsplanung automatisiert und ist durch den Einsatz von Machine Learning zu präziseren und effizienteren Vorhersagen in der Lage. Das Modell ist flexibel anpassbar, um auf neue Anforderungen reagieren zu können.
Tab. 1 zeigt anhand des IGC-Prozessmodells, wie das Controlling, differenziert nach neun Hauptprozessen und –aufgabenfeldern, das neue Steuerungsparadigma Resilienz, Flexibilität und Prognosefähigkeit bestmöglich unterstützen kann.
Resilienz | Prognose | Flexibilität | |
Strategische Planung | z.B. Aufbau einer | z.B. Prognose von | Abbildung verschiedener |
| Planung, Budgetierung & Forecast | z.B. in Planung und Forecast nichtfinanzielle Resilienz-KPIs mit einbauen und Jahressowie Mehrjahresziele dafür definieren | klassischer unterjähriger | Einbau von nicht |
Investitionscontrolling | z.B. Resilienzkriterien in die Bewertung der Investitionen integrieren | Zinsentwicklungen, | Abbildung von |
Kostenrechnung | z.B. Kosten der | bspw. Entwicklung von | Verfolgung von Business |
| Management Reporting | z.B. Resilienz-KPIs | maschinelle Forecasts in | Dynamische |
Business Partnering | z.B. mit dem Management | Ziellücken auf Ursachen | Notwendige |
Projektcontrolling | z.B. Resilienzkritierien in | Zinsentwicklungen, | PuSer monitoren; |
Risikocontrolling | z.B. Resilienzaspekte in das | Exposurenentwicklung und | MaßnahmeneSekte |
Datenmanagement | z.B. sicherstellen, dass die | Ist-Daten zur Ableitung von | Datenmodelle schnell |
Tab. 1: Empfehlungen der ICV-Ideenwerkstatt hinsichtlich des IGC-Prozessmodells bzgl. Resilienz, Prognose und Flexibilität
Der Beitrag erschien erstmals im Controller Magazin 4/2025.
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