Professionelle Entscheidungen im strategischen Management

Wie komplex Entscheidungsfindung sein kann, zeigt sich in der Corona-Krise wie in einem Brennglas. Gutes – richtiges – Entscheiden wird durch viele Fehlerquellen erschwert. Controller sollten das Management für die Professionalisierung der Entscheidungsfindung sensibilisieren.

Entscheidungsfindung in der Corona-Krise als Anschauungsunterricht

Möglichst richtige Entscheidungen auch in komplexen Situationen zu treffen, erfordert ein hohes Maß an professionellem Umgang mit Entscheidungen. Bei der hohen Anzahl der tagtäglich getroffenen Entscheidungen ist es scheinbar unverständlich, dass wir Menschen darin nicht bereits die größten Experten geworden sind. Offensichtlich ergibt sich aus der Menge an Entscheidungen kein Automatismus, der uns immer besser entscheiden lässt. Warum ist das so?

Anhand der Corona-Krise kann aufgezeigt werden, dass eine wohlüberlegte Entscheidungsfindung eine sehr komplexe Angelegenheit sein kann:

  • Wir beobachten, dass bei Entscheidungen nicht nur ein Ziel, sondern mehrere Ziele vorliegen und diese zusätzlich oft unklar definiert sind (Anzahl Tote reduzieren, Kapazität der Beatmungsplätze nicht überschreiten, wirtschaftliche Einbußen gering halten, die Bevölkerung bei Laune halten, die Popularität der Politiker hochhalten ...).
  • Auch ist nicht klar, welche Aussage von welchen Experten wie stark auf die Entscheidungen Einfluss nehmen (Virologe A oder B, Epidemiologe X oder Y, Wirtschaftsexpertin C oder Z, ...).
  • Es ist nicht transparent, welche Daten / Informationen in welcher Phase der Krise für die weitere Entscheidungsfindung tatsächlich wie stark ausschlaggebend sind bzw. es wird deren Einfluss auf Entscheidungen nicht klar kommuniziert (absolute Anzahl an Erkrankten bzw. Todesfälle, Verdopplungszeit, Reproduktionszahl, ...).
  • Der Prozess der Entscheidungsfindung wird in einzelnen Ländern sehr unterschiedlich gehandhabt und ist wenig transparent. Uneinheitlich wird auch damit umgegangen, in welcher Form und wie umfangreich über die Vorgehensweise der Entscheidungsfindung informiert wird.

Die Regierungen dieser Welt hatten und haben in diesen hochkomplexen und sensiblen Systemen maßgebliche Entscheidungen mit dramatischen Konsequenzen zu treffen. Solchen äußerst schwierigen Bedingungen bei der Entscheidungsfindung sind jedoch nicht nur Staatsträger ausgesetzt. Exakt die gleichen Schwierigkeiten, wenn auch zumeist mit weniger dramatischer Wirkung, zeigen sich auch innerhalb von Unternehmen.

Typische Fehler bei der Entscheidungsfindung im Unternehmen

In vielen Unternehmen und Organisationen wird die Entscheidungsfindung als verbesserungswürdig oder gar als kritisch angesehen. Die Gründe für Fehlentscheidungen sind sehr unterschiedlich und vielfältig (s. Abb. 1).

Eine Bestandsaufnahme von Missständen in der Entscheidungsfindung

Abb. 1: Eine Bestandsaufnahme von Missständen in der Entscheidungsfindung

Bewusstsein erleichtert Verbesserungen: Die Vielfalt an möglichen Gründen für Fehlentscheidungen macht verständlich, warum die Entscheidungsfindung in den Unternehmen oft noch Verbesserungspotenzial zeigt. Ist man sich der möglichen Gründe bewusst, kann aber etwas dafür unternommen werden, sukzessive die Entscheidungen zu professionalisieren.

Vier Trends erschweren die Entscheidungsfindung

Nicht nur in den Unternehmen zeigen sich Missstände, durch die die Entscheidungsfindung erschwert wird. Auch Entwicklungen außerhalb des Unternehmens haben einen direkten Einfluss auf die Entscheidungsfindung. Dies sind weitere gute Gründe, sich mit der Professionalisierung von Entscheidungen zu beschäftigen:

  1. Die Welt ist VUKA – das erfordert agile Entscheidungen: Die Welt ist mehr denn je bestimmt durch Veränderung. Nicht zuletzt bedingt durch die Digitalisierung erleben wir viele disruptive Veränderungen – in deren Umgang wir nicht geübt sind.
    VUKA steht für:
    - VOLATIL: Die Welt ist geprägt durch rasche und starke Veränderungen.
    - UNVORHERSEHBAR: Die Richtung der Veränderungen ist schwer abzusehen.
    - KOMPLEX: Viele unterschiedliche Bedingungen ändern sich gleichzeitig.
    - AMBIGUITÄT: steht für die Uneindeutigkeit bzw. Mehrdeutigkeit der Ziele.
  2. Das Wissen explodiert – Experten und hohe Datenmengen müssen integriert werden: Der Zeitraum, in dem sich das Wissen der Menschheit verdoppelt, hat sich in den letzten fünfzig Jahren von mehreren Jahrzehnten auf ein bis zwei Jahre verkürzt. Wir können aus der Informationsexplosion zwei Erkenntnisse ableiten:
    - Entscheidungsgremien unter der koordinierten Einbindung von Fachexperten gewinnen an Bedeutung.
    - Die Fähigkeit der Nutzung von vielen Informationen (Big Data) zur Entscheidungsfindung schafft große Wettbewerbsvorteile.
  3. Künstliche Intelligenz (KI) nimmt uns immer öfter Entscheidungen ab: Sie verändert die Art, wie Entscheidungen getroffen werden. Um nicht überrollt zu werden, sollten wir aktiv intelligente Entscheidungssysteme gestalten.
  4. Nachfolgende Generationen fordern ein neues Entscheidungsverhalten: Nach und nach werden in Unternehmen die Führungspositionen von Personen der Generation Y (1980–1993) eingenommen. Diese wollen an sich nicht den Anspruch stellen, allein die beste Entscheidung zu treffen und verwenden oft einen fragenden, kooperativen und weniger einen autoritären Führungsstil. Auch wenn die Führungsarten und somit das Entscheidungsverhalten jeweils nur den Tendenzen einer Generation entspricht, kann man einen grundsätzlichen Wandel wahrnehmen. Mitarbeiter der Generation Y wollen in Entscheidungen stärker eingebunden werden.

Sensibilisierung des Managements für Entscheidungs-Professionalisierung?

In der Regel werden in den Unternehmen bestehende Schwierigkeiten im Umgang mit Entscheidungen durchaus erkannt. Oft sind es die Controller, die sich regelmäßig mit den Folgen der suboptimalen Entscheidungsfindung zu beschäftigen haben und somit direkt mit der Thematik konfrontiert sind. Controller erhalten jedoch nur selten den Auftrag, Entscheidungsstrukturen festzulegen. Ebenso wenig erhalten aber auch Personaler, Organisationsentwickler oder Qualitätsmanager den Auftrag dazu.

Die Geschäftsführung, die die Möglichkeit hat, die Entscheidungsverantwortung zu verändern, erkennt leider häufig den Bedarf nicht oder will manchmal auch nichts verändern, vielleicht auch um die Macht des Entscheidens nicht von sich abzugeben. Das Ergebnis ist, dass sich letztlich niemand um die Optimierung von Entscheidungsprozessen kümmert.

Durch eine Sichtbarmachung der Kosten von Fehlentscheidungen kann das Management dafür sensibilisiert werden, die Notwendigkeit der Professionalisierung zu erkennen.

Dieser Artikel ist eine Kurzfassung des Beitrags „Entscheidungen zu professionalisieren ist unverzichtbar“ von Dr. Markus Kottbauer aus dem Buch „ Unternehmerische Entscheidungen systematisch vorbereiten und treffen“, Haufe, 2020, 280 Seiten, 79,95 EUR, ISBN 978-3-14089-5.

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