ICV Newcomer Award 2020

Wie misst man die Performance eines Unternehmens nach einem Eigentümerwechsel, um die Earn-Outs zu berechnen? Für die Beantwortung dieser Frage erhielt Jesper Juul den ICV Newcomer Award 2020. Die weiteren Preise wurden für Arbeiten über Data Scientists und Process Mining verliehen.

Anliegen des ICV Newcomer Awards ist es, den akademischen Controllernachwuchs zu fördern sowie innovative und praktikable Ideen von der Hochschule in die Controllingpraxis zu transferieren und somit einer breiten Controllerschaft zugänglich zu machen. Prämiert werden drei Masterarbeiten oder herausragende Bachelorarbeiten, die sowohl Controllinginnovationen als auch klassische Controllingthemen in der Anwendung thematisieren. Der ICV-Newcomer Award wird von einer Jury unter Vorsitz von Prof. Dr. Nicole Jekel vergeben und von den Sponsoren Haufe und Haufe Akademie unterstützt. Der Preis wurde im Rahmen der virtuellen ICV-Konferenz Controlling Inspiration Berlin am 7. November 2020 verliehen.

Platz 1 für Masterarbeit zum Thema „Kaufen und Verkaufen“ – „Mergers & Acquisitions“

Der ICV Newcomer Award 2020 geht an Jesper Juul (Bild) von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin für die Masterarbeit „The application of performance metrics in earn-out provisions“, betreut von Prof. Dr. Thomas Gruber. In ihrer Laudatio zum Gewinner erläuterte die ICV-Jury-Vorsitzende, Prof. Dr. Nicole Jekel die Arbeit:

„Was haben Mergers and Acquisitions mit Controlling zu tun? Eine Menge! Insbesondere geht es um eine betriebswirtschaftliche Beratung bei Unternehmensentscheidungen. Und in dem Zusammenhang wurde bisher wenig geforscht.“

Bei einer Unternehmenstransaktion wollen Verkäufer so viel Geld wie nur möglich erhalten. Käufer hingegen wollen alles so günstig wie möglich zu einem nachhaltigen Wert bekommen. Ein Lösungsansatz: Ein Teil des Kaufpreises, die sog. Earn-Outs, wird von der zukünftigen Performance des veräußerten Unternehmens über eine festgelegte Zeit abhängig gemacht. Jesper Juul hat dazu analysiert, welche Kennzahlen für diese Performance-Messung in der Praxis genutzt werden. An erster Stelle geht es meist um EBIT oder EBITDA, an zweiter Stelle um den Umsatz, gefolgt von nachhaltigen Unternehmenswerten bis hin zu nicht-finanziellen Erfolgsmaßstäben. Eine große Rolle bei der Auswahl der Performance-Messung spielen zudem

  • die ungleiche Informationsverteilung (der Verkäufer weiß mehr über das Unternehmen als der Käufer) und
  • die Möglichkeiten zur Manipulation der Performance, insbesondere wenn die bisherigen Eigentümer im Management bleiben.

Auch diese Aspekte wurden von Jesper Juul ausführlich analysiert.

Das Fazit von Prof. Jekel: „Der Preisträger des 1. Platzes hat sich richtig Arbeit gemacht. Neben einer fundierten Literaturrecherche wurden vier Hypothesen mithilfe von 65 Interviews getestet. Dabei wurden Verkäufer als auch Käufer interviewt. Ich bin jetzt schon gespannt, welche konkreten Erkenntnisse und Tipps wir rund um diese Vertragsgestaltungen bei Unternehmenstransaktionen erhalten.“

Platz 2 für Masterarbeit „Data Scientist: A Cockoo in the Management Accountant’s Nest?“:

Der 2. Platz geht an Christoph Beis und Andreas Friedrich von der Stockholm School of Economics für die Masterarbeit „The Data Scientist: A Cockoo in the Management Accountant’s Nest?“, betreut von Prof. Dr. Lukas Goretzki.

Jury-Mitglied Ute Schröder war schon vom Ansatz der Arbeit begeistert: „Wir alle hatten in der Jury schon an dem Titel viel Spaß und haben sofort angefangen, zu diskutieren, ob der Data Scientist den „klassischen Management Accountant“ ablöst und überflüssig macht. Und genau mit dieser Fragestellung setzt sich die Masterarbeit ausführlich auseinander. Sehr gut haben Christoph Beis und Andreas Friedrich herausgearbeitet, dass die genauen Aufgaben und Rolle des „Data Scientist“ in den Unternehmen nicht klar beschrieben ist und oft sehr unterschiedlich ausgelegt wird. Deshalb ist ihre klare Empfehlung, erst einmal die Rollendefinition zu schärfen und auch die organisatorische Anbindung zu klären. Sonst entsteht ein Vakuum, das für interne Machtkämpfe und individuelle Ausprägungen der Rolle genutzt werden kann.
U.a. soll der Data Scientist die Geschäftstreiber erkennen, die Daten mit dem Management verstehen und so bereinigen, dass Trends erkennbar werden und ein Blick in die Zukunft über Predictive Analytics gewagt werden kann.
Hier gibt es natürlich Überschneidungen zu der Buchhaltung und dem Controlling. Am besten sollte unter einer Leitung im Team entschieden werden, wer welche Aufgaben hat und wie die Abgrenzung zum Management sinnvoll erfolgen kann. Auf jeden Fall sind sich alle befragten Unternehmen und auch die Studierenden einig, dass die Bedeutung des Data Scientist und die digitale Auswertbarkeit von Daten immer wichtiger wird und stark steigt. Wer dieses Know-how aufbaut und aktiv nutzt, wird zukünftig seinen Erfolg als Unternehmen steigern können. Wenn die Controller und Buchhalter sich dieses Wissen nicht aneignen oder nicht im Team mit den Data Scientists arbeiten, wird dementsprechend ihre Bedeutung als Business Partner zurückgehen.
Dieses Knowhow muss somit in den Unternehmen in allen Bereichen gefördert werden und wird nicht zuletzt auch vom CFO der Zukunft gefordert werden.“

Platz 3 für „Anwendungsfälle und Implementierung von Daten aus Fertigungssystemen in einer Process-Mining-Anwendung“

Der 3. Platz ging an Manuel Mandl für seine Arbeit zum Thema „Use cases and implementation of manufacturing execution systems data in a process mining application“ (also: Anwendungsfälle und Implementierung von Daten aus Fertigungssystemen in einer Process-Mining-Anwendung) vergeben. Die Arbeit wurde von Matthias Regier und Prof. Dr. Gunther Friedl an der TU München betreut.

Die Laudatio für den Drittplatzierten sprach Professorin Solveig Reissig-Thust:

"Die Digitalisierung im Controlling ist ein absolut spannendes und nach wie vor hochaktuelles Forschungsgebiet. Da wundert es auch nicht, dass sich zahlreiche Abschlussarbeiten mit diesem Thema beschäftigen. Leider kratzen aber viele nur an der Oberfläche und bleiben bei allgemeinen Aussagen. Besonders begeistert hat uns als Jury daher die Arbeit von Herrn Mandl. Sie zeigt sehr eindrucksvoll ein konkretes Anwendungsbeispiel für ein datenbasiertes Produktionscontrolling.
Herr Mandl entwickelt in seiner Arbeit eine Applikation basierend auf Produktionsdaten eines internationalen Konzernunternehmens. Mit Hilfe der neuartigen Methode des Process Minings können weltweit tagesaktuelle Daten aus dem Produktionsprozess gewonnen werden. Die Vorteile für das Controlling liegen auf der Hand – denkt man an verbesserte Steuerung, Planung und Kontrolle der Produktionsabläufe. Besonders interessant fanden wir auch die Darstellung der Prozessvisualisierung, die es ermöglicht, den Produktionsprozess in Echtzeit abzubilden und damit sofort Abweichungen und Ineffizienzen zu erkennen.

Die Arbeit von Herrn Mandl beeindruckt auf der einen Seite durch das sehr detaillierte technische Detailwissen, auf der anderen Seite aber auch durch die sehr systematische und gut nachvollziehbare Darstellungsweise. Sie leistet damit einen wichtigen Beitrag für die Forschung im Bereich der Produktionsdatenanalyse. Gleichzeitig ist sie interessant für alle Praktiker, die an einer Erhöhung der Effizienz und Transparenz ihrer Produktionsprozesse interessiert sind."

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