Defizite und Probleme beim Personal-Controlling

Das HR-Controlling wird in vielen Unternehmen stiefmütterlich behandelt. HR-Experte Rudolf Kast erläutert die Ursachen und beschreibt Möglichkeiten der Neuausrichtung

Interviewpartner:

Rudolf Kast ist Inhaber der Beratung für Personalmanagement und Karriereentwicklung KAST. DIE PERSONALMANUFAKTUR. Zuvor war er 15 Jahre lang Personalleiter bei der SICK AG. Er ist außerdem im Vorstand des Demografischen Netzwerks (DNN).Die Redaktion der Fachzeitschrift „PersonalMagazin“ kürte ihn mehrfach zu den „40 führenden Köpfen im Personalwesen“, die sie alle zwei Jahre auswählt.

Die Fragen stellte Günther Lehmann, Chefredakteur Controlling von Haufe-Lexware.

Lehmann: Herr Kast, in vielen Unternehmen wird das HR-Controlling vernachlässigt. Woran liegt das? Wo liegen nach Ihrer Erfahrung die Probleme in der Praxis?

Kast: Die Personalfunktion in den Unternehmen vernachlässigt das Thema HR-Controlling in der Tat. Woran liegt das? Es liegt in kleinen und mittelständischen Unternehmen auch daran, dass die Personalkollegen vom Tagesgeschäft überrollt sind, die operativen Themen des Tages erledigen und, wie in der Fabel, immer sägen und sägen, aber die Säge nicht schärfen – oder glauben, keine Zeit dafür zu haben, die Säge zu schärfen. Das Zweite ist, dass die strategische Funktion eines HR-Controllings den meisten Personalkollegen nicht hinreichend klar ist und sie einfach unterschätzen, welche Aussagekraft ein strategisch aufgesetztes Personal-Controlling für die eigene Funktion haben kann. Denn mit einem strategisch und operativ wirkenden HR-Controlling kann die Personalfunktion ja auch ihre Aktivitäten für das Unternehmen wirkungsvoll herausarbeiten und den Nutzen vermitteln, den Personalarbeit eigentlich im Unternehmen leistet.

Lehmann: Sie sagten, das Thema HR-Controlling sei Ihnen auch eine Herzensangelegenheit. Warum?

Kast: Es ist mir deswegen wichtig und sicherlich auch für mich ein emotionales Thema, weil es mir in der Seele wehtut, zu sehen, wie wenig Anerkennung die Personalfunktion im Unternehmen hat. Die Personalfunktion kann ja in zweierlei Richtungen mit einem intelligenten Instrumentarium eines HR-Controllings arbeiten: Zum einen kann sie die Ergebnisse der Personalarbeit im Unternehmen der jeweiligen Geschäftsführung eines Unternehmens verdeutlichen. Zweitens kann sie mittels entsprechender Instrumentarien auch für sich selber, für die eigene Arbeit, im Benchmark zu anderen Unternehmen und deren Personalarbeit ermitteln, wo man steht. Und so hätte ein strategisch aufgesetztes Personal-Controlling zweierlei Zielrichtungen: zum einen die Wirkung nach innen zu erzielen, aber auch nach außen den Vergleich herauszuarbeiten, was Personalarbeit im Vergleich zu anderen Unternehmen leistet, leisten kann oder in Zukunft noch leisten soll.

Lehmann: Die Controller haben ja manchmal auch Probleme in der Anerkennung innerhalb eines Unternehmens, sind auch nicht nur beliebt. Und die Controller arbeiten ja an ihrer Rolle als Business Partner des Managements, quasi als interne Berater der Führungskräfte zu allen Fragen von Strategie und Wirtschaftlichkeit. Wie sehen Sie hier die Personaler, gibt es hier ähnliche Überlegungen?

Kast: Die Personalarbeit ist ja kein Selbstzweck für das Unternehmen, sondern – wie die Controlling-Funktion und andere Dienstleistungen generell auch – darauf angewiesen, in der Linie der Unternehmensstrategie zu arbeiten und diese umzusetzen. Insofern ist die Personalfunktion gut beraten, sich in enger Abstimmung mit der Geschäftsführung zu überlegen: Was sind die strategischen Ziele des Unternehmens und was ist daraus abzuleiten für die strategische Personalarbeit für die Zukunft? Dazu muss herausgearbeitet werden, was die strategischen Ziele der Personalarbeit sind. Dies sollte in enger Abstimmung mit Vorstand oder Geschäftsführung geschehen. Auf dieser Basis muss der Personalbereich sich so organisieren, dass er diese Zielsetzung auch erfüllen kann und in enger Abstimmung mit den Fachbereichen dafür sorgen, dass diese strategischen Zielsetzungen umgesetzt werden. Wenn er an diesen strategischen Zielsetzungen erstens erfolgreich arbeitet und zweitens auch darstellen kann, welchen Beitrag er mit seiner Personalfunktion für die Erfüllung dieser strategischen Ziele geleistet hat, kann er, mit den richtigen Personen ausgestattet, in der Funktion zu einem anerkannten Business Partner werden, Das Controlling in vielen Unternehmen ist in den letzten Jahren schon dahingehend organisiert worden oder hat sich selbst dahingehend organisiert, mehr in der Steuerungsfunktion zu wirken und damit den Beitrag von Controlling für die Unternehmensentwicklung deutlich zu machen. Diesen Weg muss die HR-Funktion auf breitem Weg erst noch gehen. Da ist der Personalbereich meiner Meinung nach noch nicht so weit wie der Controlling-Bereich.

Vor ca. 10 Jahren hat Dave Ulrich, renommierter Professor an der Universität von Michigan, der Personalfunktion die strategischen Leitlinien vorgegeben durch sein HR-Strategie-Modell. Dieses sieht vor, dass die Personalfunktion stärker das Management der strategischen Human Re-sources als auch das Thema Management der Veränderung in den Fokus der zukünftigen Aktivitäten rückt – ohne allerdings die Aufgaben des Tagesgeschäftes und damit das Management der HR-Infrastruktur zu vernachlässigen. In einer Umfrage, die neulich von der Fachhochschule Koblenz in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Psychonomics unter Geschäftsbereichsleitern, Führungskräften, aber auch unter Personalfunktionen durchgeführt wurde, ist leider die Erkenntnis gewachsen, dass in den operativen Einheiten dieser strategische Ansatz der Personalfunktion noch überhaupt nicht gewürdigt worden ist bzw. dass sich die Personalkollegen mit ihrer Strategierolle anscheinend noch nicht genügend auseinandergesetzt haben. Deshalb entsteht derzeit der Eindruck, dass die Personalfunktion es noch versäumt hat, diesen Mix zwischen strategischer Orientierung und operativer HR-Arbeit in der Alltagspraxis herzustellen. Diese Akzeptanz ist jedenfalls in den Geschäftsbereichseinheiten noch lange nicht vorhanden.

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