Das Controlling-Verständnis von ICV und IGC aus Sicht des Risikomanagements
Zehn Jahre nach Veröffentlichung der ersten Fassung des Grundsatzpapiers Die Kernelemente des Controllings (1) haben Vorstand und Kuratorium des Internationalen Controller Vereins ICV sowie Vertreter der International Group of Controlling IGC einen frischen Blick auf die Inhalte des Papiers geworfen und gemeinsam festgestellt, dass die Kernelemente in einer zunehmend durch Digitalisierung und ein höheres Maß an Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität charakterisierten Umwelt unverändert tragfähig sind und nichts von ihrer Relevanz eingebüßt haben. Ganz im Gegenteil: ein richtig verstandenes und – vor allem – richtig gelebtes Controlling ist für den Unternehmenserfolg wichtiger denn je! So liegt denn auch der Unterschied zwischen den beiden Versionen des Papiers vor allem in der Berücksichtigung aktueller Trends (2) sowie der einen oder anderen sprachlichen Anpassung. Damit sollte es aber nicht getan sein. Es ging den Autoren des Grundsatzpapiers nicht darum, eine aktualisierte Neufassung in die Regale und Archive von ICV und IGC zu legen. Vielmehr war es der explizite Wunsch, mit der Neufassung den Startschuss für eine rege Diskussion um den Kern des Controllings in einer sich rapide verändernden Welt zu geben: Was muss sich ändern und was ist wichtiger denn je? Und wie stellt sich das aus verschiedenen Perspektiven dar?
Der vorliegende Diskussionsbeitrag setzt genau an dieser Stelle an und blickt aus der Perspektive des Risikomanagements auf das frisch überarbeitete Grundsatzpapier. Dort wird betont, dass Controller für die Sicherstellung betriebswirtschaftlicher Transparenz stehen und dabei im Team mit Managern und anderen Akteuren agieren.(3) Und natürlich beschäftigen sich Controller neben Ist- und Planwerten schon immer mit Planungs- und anderen Risiken. Gerade bei mittelständischen Unternehmen, die kein eigenständiges Risikomanagement haben, ist der Umgang mit Unsicherheit in Form von Chancen und Risiken in aller Regel eine zentrale Aufgabe.
Hinzu kommen in den letzten Jahren neue regulatorische Mindestanforderungen wie das Inkrafttreten von StaRUG (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz) und FISG (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz) 2021 sowie die neuen Risikomanagementstandards des Deutschen Instituts für Interne Revision (DIIR Revisionsstandard 2.1 von 2022) und die GoP 3.0 (Grundsätze ordnungsgemäßer Planung, 2022), die die Verbindung von Risikoanalyse, Planungsunsicherheit und Planung postulieren.(4)
Diese erweiterten Anforderungen an das Risiko- und Krisenfrüherkennungssystem von Kapitalgesellschaften (also auch der mittelständischen GmbHs!) und eine nicht weniger unsicher werdende Umwelt machen es erforderlich, dass Unternehmen systematisch alle wesentlichen Risiken identifizieren, sachgerecht quantifizieren und mit Bezug auf die Unternehmensplanung aggregieren, was in aller Regel eine Monte-Carlo-Simulation erfordert.(5)
Genau bei diesem Prozess der Quantifizierung, des Berichtens und der sich daran anschließenden Steuerung von Risiken können Risikomanager und Controller das Management unterstützen. Gibt es im Unternehmen beide Funktionen, müssen diese bestmöglich verknüpft sein. Es gilt also sicherzustellen, dass Risikomanagement und Controlling eng und gut zusammenarbeiten, die gleichen Verfahren, Modelle und Systeme nutzen und vor allem Doppel- und Parallelarbeit vermeiden.(6)
Zudem darf sich die Unterstützungsleistung nicht in der Quantifizierung, dem Reporting und der Kontrolle bekannter, operativer Risiken erschöpfen. Vielmehr müssen auch strategische Geschäftsrisiken und externe, unkontrollierbare Risiken adressiert werden.(7) Dabei sollten nicht Reporting und Kontrolle, sondern der möglichst interaktive Risikodialog des Managements im Vordergrund stehen. Controller und Risikomanager können diesen Dialog moderieren, Aussagen von Managern hinterfragen und mit entsprechenden Techniken darauf hinwirken, dass kognitive Verzerrungen und opportunistisches Verhalten der Beteiligten möglichst in den Hintergrund treten. Sie sollten zudem sicherstellen, dass der Dialog auch in konkrete Entscheidungen und Maßnahmen mündet, dass die Ergebnisse der Risikoprozesse angemessen dokumentiert und berichtet werden und schließlich, dass sowohl die Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen als auch die Entwicklung von strategischen Risiken und relevanten Frühwarnsignalen laufend überwacht werden.(8)
Soweit das Postulat. In der Controlling-Praxis sieht die Welt aber leider häufig noch anders aus und auch Lehrbücher spiegeln die Bedeutung des Managements von Risiken in der Regel nicht vollumfänglich wider. Entsprechend wäre eine stärkere Berücksichtigung der Risikoperspektive bei der zukünftigen Weiterentwicklung des Grundlagenpapiers von ICV und IGC naheliegend. Damit das Controlling auch in Zeiten hoher Unsicherheit Geschäftsleitung und Management adäquat unterstützen kann!
Fußnoten
(1) https://www.icv-controlling.com/de/verein/grundsatzposition-wasist-
controlling.html
(2) Vgl. auch die Ergebnisse der fünften WHU-Zukunftsstudie in Schäffer/
Reimer 2024
(3) Vgl. Bieniek et al. 2023
(4) Vgl. Roßmeißl/Gleißner 2024 mit einem Fallbeispiel
(5) Dazu Gleißner/Haarmeyer 2024
(6) Dazu Gleißner/Ulrich 2022, Vanini et al. 2023, Schäffer/Brückner 2021
und ergänzend Gleißner/Stein/Wiedemann 2022
(7) Vgl. Kaplan/Mikes 2012 und Schäffer/Brückner 2021
(8) Vgl. Schäffer/Brückner 2021 und Schäffer/Weber 2016
Der Beitrag wurde erstmalig in Controller Magazin 2/2025 veröffentlicht.
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