Das unvergleichliche Comeback eines Steuerstraftäters

Ein Alpha-Tier drängt zurück zur Macht beim weltweit wichtigsten deutschen Fußballklub. Der FC Bayern wird künftig von einem vorbestraften Präsidenten regiert, der auf Bewährung „draußen“ ist. Für den Club ist das offensichtlich kein Problem. Sagt das etwas über die Compliance-Kultur des FC Bayern und seiner Sponsoren aus?

Noch ist er nicht gewählt, der Machtmensch Uli Hoeneß. Wer an seiner Wahl aber ernsthaft zweifelt, dem fehlt der Blick für die Realität. Ein Rentnerdasein am Tegernsee - das ist (noch) nicht sein Ding.

Künftiger Garant für die Regeltreue?

Im November wird er für das Präsidentenamt beim FC kandidieren. Angesichts des Gewichts der von Hoeneß begangenen Straftaten ist dies keineswegs selbstverständlich. Und ob ein solcher Mann an der Spitze künftig der Garant für die Regeltreue des Vereins sein kann, erscheint zumindest fraglich. Ein Vorbild für Ethik und Verantwortung, also für das, was man gemeinhin unter dem Begriff Compliance versteht, ist er zumindest auf den ersten Blick nicht. Und auch sonst wirft der Fall Hoeneß unter Compliance-Gesichtspunkten eine ganze Reihe von grundsätzlichen Fragen auf.

Ungewöhnliche Hoeneß-Fehler

Hoeneß selbst hat keine Zweifel, dass er es noch kann. Dabei macht ihm die vergangene Haftzeit möglicherweise mehr zu schaffen, als er selbst zuzugeben bereit ist. Jedenfalls hat er bereits ein paar Peinlichkeiten gelandet, die ihm früher so nicht passiert wären.

  • Als er dem bisherigen Trainer des FC, Pep Guardiola, unterstellte, dieser wolle seine Trainerzeit mit dem „Triple“ krönen, musste es eine schroffe Zurechtweisung von Matthias Sammer entgegennehmen.
  • Seine öffentliche Äußerung, Mats Hummels habe beim FC Bayern angeklopft, stellte Karl-Heinz Rummenigge in den Medien richtig (der Club hatte nämlich bei Hummels angeklopft und nicht umgekehrt). 

Straftäter durften bisher nicht Mitglieder beim FC Bayern werden

In den Medien keimte bereits der Verdacht, dass Hoeneß während seiner Knastzeit den Bezug zur Realität und den Sinn für sportpolitisch kluges Verhalten etwas verloren hat. Dennoch dürfte das Ansehen, das der gefallene Hoeneß in der Sportwelt im allgemeinen immer noch genießt, für den Verein nach wie vor wichtig sein. Wie wichtig, zeigt unter anderem die Änderung der Vereinssatzung, die klammheimlich während der Haftzeit von Hoeneß beschlossen wurde.

Nach der bisherigen Satzung dürfen nämlich nur „unbescholtene Personen“ Mitglieder des Vereins werden. Dieser Passus wurde in aller Stille gestrichen. Eine Vorstrafe ist nun kein Hindernis mehr.

Ein interessanter Compliance-Ansatz: Compliance wird dadurch erreicht, dass einfach die Regeln geändert werden. Dies gibt dem Verein immerhin die Chance, sich in Zukunft gemeinnützig bei der Resozialisierung von Straftätern nützlich zu machen.

Ein Vorbestrafter als Bayern-Präsident

Was von einem zukünftigen vorbestraften Präsidenten des Vereins zu halten ist, ist zumindest zweifelhaft. Auch unter Berücksichtigung der Verdienste des ehemaligen und zukünftigen Bayern-Präsidenten steht fest, dass Hoeneß nicht nur leichte Vergehen sondern schwere Straftaten begangen hat.

  • Nach dem Urteil des LG München II unterhielt Hoeneß bereits seit Ende Juli 1975 eine Bankverbindung in der Schweiz mit der Besonderheit, dass Kontoauszüge und Ertragsaufstellungen im Bankhaus verblieben und nicht an den Kontoinhaber übersandt werden sollten.
  • Nach den Feststellungen des Urteils (LG München II Urteil vom 13.03.2014 - W5 Kls 68 Js 3284/13) beabsichtigte Hoeneß bis Ende des Jahres 2012 nicht, Kapitalerträge, Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften und sonstige Einkünfte, unter anderem Nutzungsentgelte aus Wertpapierdarlehen „securities lending“ der deutschen Einkommensteuer zu unterwerfen.
  • Später kamen weitere ähnliche Bankverbindungen hinzu. 

Riskante Devisenspekulationen im ganz großen Stil

Mindestens bei zwei Banken spekulierte Hoeneß mit Devisen und erlitt im Zuge des Crashs des Neuen Marktes Ende der Neunzigerjahre erhebliche Verluste.

  • Der ehemalige Adidas Vorstandsvorsitzende Louis Dreyfus gewährte Hoeneß ein Darlehen von 5 Millionen DM.
  • Außerdem verschaffte er ihm eine abstrakte Bankgarantie in Höhe von 15 Millionen DM.
  • 2001 transferierte Hoeneß Eigenmittel in Höhe von 22 Millionen DM. Unter anderem mit diesen Mitteln platzierte Hoeneß riskante Devisenspekulationen.

Zu diesem Zweck hatte er mit einer Schweizer Bank ein Abkommen getroffen, wonach er durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25 Millionen Euro Spekulationsgeschäfte bis zu einer Größenordnung von 500 Million Euro tätigen durfte.

Nach den Feststellungen des LG München hinterzog Hoeneß in den Jahren 2003-2009 auf diese Weise dem deutschen Staat ca. 28,5 Million Euro.

Motiv für die Selbstanzeige war pure Angst

Die verunglückte Selbstanzeige von Hoeneß bewertete das Gericht nur zum Teil als strafmildernd.  Die Selbstanzeige war nach Auffassung des Gerichts jedenfalls nicht ausschließlich von dem Willen zur Rückkehr zur Steuerehrlichkeit getragen. Hoeneß sei vielmehr getrieben worden von der Angst, eine Tatentdeckung stehe aufgrund der Berichterstattung des Magazins Stern unmittelbar bevor.

Bis zur Erstattung der Selbstanzeige hatte Hoeneß nach den Feststellungen des Gerichts konsequent jegliche Dokumentation der Aufbereitung seiner ausufernden Devisenspekulationen abgelehnt und dadurch verhindert, dass Unterlagen von der Schweizer Bank an seinen Wohnort nach München übermittelt werden durften.

Hoeneß hat sich selbst ans Messer geliefert, das wurde honoriert

Eine späte innere Umkehr aber nahm das Gericht dem Delinquenten dennoch ab. Zuletzt habe er sich durch rückhaltlose Kooperation geradezu selbst ans Messer geliefert.

  • Ohne seine Mitwirkung wäre nach Auffassung des Gerichts eine so weit gehende Aufklärung des Sachverhalts wahrscheinlich nicht möglich gewesen.
  • Aus diesem Grunde wich das Gericht nach eigener Darstellung in den Urteilsgründen zugunsten von Hoeneß in erheblichem Maße von dem durch den BGH in seinem Urteil vom Dezember 2008 entwickelten Grundsätzen zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung ab (BGH Urteil vom 02.12.2008 - 1 StR 416/08).

Diese Abweichung sei durch die außergewöhnlichen Umstände des Falles Hoeneß geboten gewesen. Hiermit begründete das Gericht seiner Strafzumessung von drei Jahren und sechs Monaten.

Unter Berücksichtigung der Vorgaben des BGH hätte das Gericht nach Einschätzung der meisten Juristen zu einer Freiheitsstrafe von über sieben Jahren kommen müssen.

Ein unausgesprochener Deal?

So beinhaltete im Ergebnis die Höhe der zuerkannten Strafe zwar einen juristisch begründeten, von vielen Strafverteidigern aber doch als ungewöhnlich bewerteten Bonus für den ehemaligen Präsidenten des FC Bayern.

Obwohl der Vorsitzende Richter Rupert Heindl in der Urteilsbegründung betonte, dass es eine Absprache hinsichtlich des Strafmaßes zwischen den Verfahrensbeteiligten nicht gegeben habe, unterstellen erfahrene Strafverteidiger ein stillschweigendes Übereinkommen, einen unausgesprochenen Deal.

Ein solcher Deal ist möglich, wenn die Verfahrensbeteiligten eine möglichst feine Sensorik für die Stimmungslage im Verfahren entwickeln und aus der Verhandlungsführung des Gerichts bestimmte Schlüsse gezogen werden können.

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Für einen solchen unausgesprochenen Deal sprechen

  • die ungewöhnliche Geschwindigkeit, mit der das Verfahren abgehandelt wurde,
  • die Tatsache, dass seitens der Verteidigung erstaunlich wenig Beweisanträge gestellt wurden, obwohl einige weitere Beweisantritte nahe gelegen hätten,
  • der Umstand, dass die Verteidigung nach ursprünglich gegenteiliger Ankündigung relativ schnell mitteilte, kein Rechtsmittel einlegen zu wollen und
  • die Staatsanwaltschaft nach einem kurzen Anstandszögern sich dem Rechtsmittelverzicht angeschlossen hat.

Hat die Politik Einfluss genommen?

Manche unken, die Politik habe auf die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, auf Rechtsmittel zu verzichten, Einfluss genommen. Die Politik bestreitet das. Tatsache ist, dass Staatsanwälte gegenüber ihren Vorgesetzten und auch gegenüber dem Justizminister weisungsgebunden sind. Der Ministerpräsident von Bayern, Seehofer, ließ nach dem Urteil jede Zurückhaltung vermissen und lobte Hoeneß öffentlich für seine Bereitschaft, das Strafurteil zu akzeptieren und seine Haftstrafe anzutreten. Unter Compliance-Gesichtspunkten wirft auch dieser Sachverhalt eine Menge Fragen auf.

Eine ungewöhnliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer

Das ungewöhnlich geringe Strafmaß war aber nicht der einzige Bonus für den Straftäter Hoeneß.

Auch hier stellt sich dem unvoreingenommenen Betrachter die Frage: Wurden die Regeln korrekt eingehalten, war die Justiz 100 % compliant oder wurden die Regeln zumindest anders ausgelegt als üblicherweise?

Hoeneß strebt wieder nach der ganzen Macht

Wieder in Freiheit gibt’s den nächsten Bonus für Hoeneß, diesmal aber nicht von der Justiz sondern von seinem Verein. Niemand zweifelt ernsthaft daran, dass Hoeneß wieder Präsident des FC Bayern wird. War´s das oder war es das noch nicht - wie Hoeneß selbst vor seinem Haftantritt verkündet hat. Was könnte denn noch kommen: Hoeneß Wiederwahl zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates! Damit wäre das Comeback dann vollkommen. Der Bayern-König wäre wieder voll und ganz zurückgekehrt.

Was sagen Sponsoren und Compliance-Experten?

Ob alle Sponsoren die Rückkehr so toll finden, ist noch nicht klar. Während des Verfahrens hatten sich einige bedeckt gehalten. Doch nun scheinen viele gelassener. Sowohl bei der Telekom als auch bei Allianz wird nach einem Handelsblatt-Interview darauf hingewiesen, dass sich Hoeneß in seiner Funktion als Bayern-Präsident ja nichts habe zu Schulden kommen lassen.

Compliance-Experten sind da etwas weniger entspannt:

"You can’t stand for strict compliance in your own company and sit with Hoeness on a supervisory board."

So brachte es ebenfalls im Handelsblatt Compliance-Experte Prof. Manuel René Theisen von der Ludwig-Maximilian-Universität München, Herausgeber der Fachzeitschrift "Der Aufsichtsrat", auf den Punkt.

Auch Peter H. Dehnen, von der Vereinigung der Aufsichtsräte in Deutschland (VARD) und Rechtsanwalt für Deutsches und Internationales Steuer- und Wirtschaftsrecht, meint, außerhalb des Sportgeschäfts sei ein solches Comeback unvorstellbar, doch auch so erschwere es das Durchsetzen verbindlicher Regeln für Aufsichtsräte.

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