Die Besonderheit des (allgemeinen) Strafrechts liegt darin, dass im Normalfall nur ein positives Tun unter Strafe gestellt wird. Nur wer aktiv gehandelt hat und damit gegen ein gesetzliches Verbot verstieß, ist strafbar. Darüber hinaus kennt das Strafrecht aber auch einige wenige Fälle, in denen ein "Unterlassen" strafbar ist. Der auch dem Nichtjuristen wohl geläufigste Fall ist die "Unterlassene Hilfeleistung" nach § 323c StGB, sowie die Aussetzung nach § 221 StGB (Verlassen in hilfloser Lage).

Dort wo der Gesetzgeber das "Unterlassen" nicht in einen eigenen Straftatbestand gekleidet hat, steht dieses dem positiven Tun in – wie der Jurist es so schön formuliert – seiner rechtsethischen Gewichtung gleich, wenn eine Pflicht zum Handeln besteht.

Wer ein Fahrrad stiehlt, ist ein Dieb. Für den Rest der Bevölkerung besteht aber keine Rechtsverpflichtung Fahrraddiebstähle zu verhindern. Anders liegen die Dinge schon im Straßenverkehr. Wer durch einen Verkehrsunfall Körperverletzungen herbeiführt, ist ein Täter. Zum Täter einer Unterlassungshandlung kann später aber auch derjenige Autofahrer werden, der achtlos am Unfallort vorbeifährt, ohne auszusteigen und die nötige Erste Hilfe zu leisten. So steht besonders bei arbeitsschutzrelevanten Straftaten das Unterlassen im Vordergrund, verbunden mit einer Rechtspflicht zum Handeln.

Exemplarisch dafür, wie Unterlassungen in den Mittelpunkt rechtlicher Sanktionen gelangen können, ist der Strafkatalog des § 9 ArbStättV, der durchgängig an ein "Nichtstun", also Unterlassen anknüpft, wie

  • nicht (richtig) dokumentieren,
  • nicht für den ordnungsgemäßen Betrieb der Arbeitsstätte sorgen,
  • die Arbeit nicht einstellen lassen,
  • Sicherheitseinrichtungen nicht prüfen lassen,
  • innerbetriebliche Wege nicht freihalten,
  • Rettungsmittel nicht zur Verfügung stellen,
  • Toiletten- und Sanitätsräume nicht zur Verfügung stellen.

Bei all diesen Punkten handelt es sich um Ansprüche des Gesetzgebers an den Arbeitgeber, die dieser zu erfüllen hat.

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