Die Frage des tatbestandsmäßigen Handelns bzw. Unterlassens (vgl. Abschn. 4) kann nicht getrennt werden von der Frage des Verschuldens in Form von Vorsatz und Fahrlässigkeit.

Vorsatz ist die wissentliche und willentliche Tatbestandsverwirklichung, wobei noch zwischen verschiedenen Vorsatzformen zu unterscheiden ist. Direkter Vorsatz liegt vor, wenn der Handelnde weiß oder als sicher voraussieht, dass er den Tatbestand verwirklicht.[1]

Beim bedingten Vorsatz (dolus eventualis) sieht der Betroffene die Tatbestandsverwirklichung nicht als sicher voraus, sondern hält sie nur für möglich. Dennoch sieht er nicht von der Tathandlung oder Unterlassung ab und nimmt, wie der Bundesgerichtshof einmal geurteilt hat, die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf.[2]

Fahrlässigkeit liegt vor bei einer zwar ungewollten aber pflichtwidrigen Tatbestandsverwirklichung, bei der die handelnde Person die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt und objektiv gegen sie treffende Sorgfaltspflichten verstoßen hat. Die Fahrlässigkeit kennt insgesamt 3 Unterscheidungen und zwar die Leichtfertigkeit, die bewusste und schließlich die unbewusste Fahrlässigkeit.

Leichtfertigkeit liegt vor, wenn der Handelnde grob achtlos agiert und dasjenige nicht beachtet, was sich ihm bei seinen Kenntnissen und Fähigkeiten unmittelbar aufdrängen müsste. Der Begriff der Leichtfertigkeit entspricht dem der groben Fahrlässigkeit im Zivilrecht. Bei der bewussten Fahrlässigkeit vertraut der Handelnde pflichtwidrig darauf, die Tatbestandsverwirklichung werde schon nicht eintreten.

Bei der unbewussten Fahrlässigkeit handelt es sich um eine Situation, in der der Handelnde die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung nicht sieht und auch nicht vorhersieht, obwohl er dazu eigentlich fähig und imstande ist.

Auch im Arbeitsschutzrecht gelten, soweit daraus Straftaten hervorgehen, die Verschuldensmaßstäbe des klassischen Strafrechts. Insofern sind grundsätzlich alle Kombinationen von schuldhaftem Handeln denkbar und möglich:

  • vorsätzliches positives Tun,
  • fahrlässiges positives Tun,
  • vorsätzliches Unterlassen,
  • fahrlässiges Unterlassen.

Tatsächlich ist aber bereits durch die Verbindung der Strafvorschrift des § 26 ArbSchG mit den Ordnungswidrigkeits-Tatbeständen des § 25 ArbSchG eine Eingrenzung vorgenommen worden.

So ist nach § 26 Nr. 2 ArbSchG nur derjenige strafbar, der durch eine vorsätzliche Handlung Leben und Gesundheit eines Beschäftigten gefährdet.

Auch gemäß den aus dem ArbSchG abgeleiteten Verordnungen ist eine Sanktion im strafrechtlichen Rahmen (Geld- oder Haftstrafe) nur zu erwarten, wenn eine Vorsatztat vorliegt bzw. auch ein vorsätzliches Unterlassen. Fahrlässigkeitstaten liegen ausnahmslos außerhalb des arbeitsschutzrechtlichen Strafrahmens.

So ergibt sich eine Situation, bei der die fahrlässige Unterlassung nicht zu einer strafrechtlichen Sanktion nach dem Arbeitsschutz-Strafrecht führt, selbst wenn damit eine Gefährdung von Leben und Gesundheit einherging. Wenn die Gefährdung sich weiterentwickelt hat zu einem konkreten Körperschaden, dann wird der Rahmen des Arbeitsschutz-Strafrechts verlassen und man befindet sich im "klassischen" Strafrecht, das nach § 229 StGB auch die fahrlässige Körperverletzung unter Strafe stellt.

[1] Pelz in Kollmer/Klindt, Arbeitsschutzgesetz, 2. Aufl. 2011, § 25, Rdnr. 95.
[2] Pelz in Kollmer/Klindt, Arbeitsschutzgesetz, 2. Aufl. 2011, § 25, Rdnr. 95 mit Hinweis auf BGHSt 7, 363 ff.

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