Leistet die zuständige Berufsgenossenschaft für Schäden aus einem Arbeitsunfall Zahlungen an den geschädigten Arbeitnehmer, macht sie unter Umständen gegenüber dem Unternehmer Regressansprüche geltend. Unternehmer sollen wegen ihrer an die Berufsgenossenschaft gezahlten Beiträge grundsätzlich von einer Haftung freigestellt sein.

Folge dieses Grundsatzes: Ein Unternehmer kann nur dann von der Berufsgenossenschaft in Regress genommen werden, wenn es aufgrund seines für den Arbeitsunfall ursächlichen Verhaltens nicht mehr gerechtfertigt erscheint, die Folgen des Unfalls auf die in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmen abzuwälzen. Das ist aber nur dann der Fall, wenn eine besonders krasse und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, die das "normale" Maß der Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB) erheblich überschreitet (sog. grobe Fahrlässigkeit) oder der Unternehmer gar vorsätzlich gehandelt hat.

Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maß verletzt worden und zudem das unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BGH, Urteil v. 12.1.1988, VI ZR 158/87).

 
Praxis-Beispiel

Grobe Fahrlässigkeit

  • Die Erstellung eines Baugerüsts unter Missachtung der Unfallverhütungsvorschriften ist grob fahrlässig. Stürzt ein Arbeiter bei der Benutzung eines solchen Gerüsts im Bereich einer mangelhaft gesicherten Stelle ab, kommt ihm der Beweis des ersten Anscheins für die Ursächlichkeit des Verstoßes gegen die Unfallverhütungsvorschriften zugute (OLG Rostock, Urteil v. 3.3.2009, 5 U 113/08).
  • Grob fahrlässig i.S. von § 110 SGB VII handelt ein Autofahrer, der nachts mit gleichbleibender Geschwindigkeit von 150 bis 160 km/h auf der Autobahn fährt und ungebremst auf einen LKW auffährt, obwohl er mehr als eine Minute Zeit hat, den mit einer Geschwindigkeit von nur 62 km/h vorausfahrenden Lkw wahrzunehmen und den sich rasch verkürzenden Abstand zu erkennen (OLG Rostock, Urteil v. 26.9.2008, 5 U 115/08).
  • Grob fahrlässig handelt ein Unternehmer, der einen der deutschen Sprache nur eingeschränkt mächtigen ausländischen Arbeitnehmer unbeaufsichtigt einen Bitumen-Voranstrich anbringen lässt, bei dessen Verarbeitung die Bildung einer explosionsfähigen und entzündlichen Atmosphäre möglich ist, ohne ihm genaueste Arbeitsanweisungen zu geben oder ihn über die Gefährlichkeit seiner Arbeit und die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu informieren, und der Arbeitnehmer infolge der Entzündung des Gemischs bei anschließenden Flämmarbeiten schwere Verletzungen erleidet (OLG Frankfurt, Urteil v. 9.11.2004, 16 U 112/04).
  • Nicht grob fahrlässig handelt ein Unternehmer dann, wenn er die nicht ordnungsgemäße Verankerung eines Baugerüstes erkennt, darauf hinweist und die Gefahrenbeseitigung – statt einem gelernten Gerüstbauer – einem erfahrenen Bauhelfer überlässt, sofern nach den Umständen mit dem Einsturz des Gerüstes bei Nachholung seiner Verankerung nicht zu rechnen war (OLG Rostock, Urteil v. 27.3.2003, 1 U 118/01).
  • Auch wenn nach einem Arbeitsunfall in einem Papierherstellungsbetrieb (Arbeitnehmer gerät in eine Rollenschneidemaschine) ein objektiv grob fahrlässiges Verhalten des Betriebsinhabers festzustellen ist, weil wichtige Unfallverhütungsvorschriften missachtet wurden (fehlende Schutzvorrichtungen an der Maschine, fehlende Schulung der Beschäftigten, keine Betriebsanweisung), folgt daraus nicht ohne Weiteres auch ein subjektiv gesteigerter Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit (LG Düsseldorf, Urteil v. 3.9.2002, 10 O 592/01).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Compliance Office Online. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge