Die öffentliche Verwaltung ist qua Verfassung an Recht und Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Weiterhin stehen öffentliche Verwaltungen unter ständiger kritischer Beobachtung der Öffentlichkeit und der Medien. Die gestiegene Verbreitung von Online-Portalen hat ebenso dazu beigetragen, dass öffentliche Verwaltungen und ihre Amtsträger jederzeit zum Gegenstand öffentlicher Debatten werden können. Das gilt umso mehr, je näher die Verwaltung beim Bürger angesiedelt ist. Kommunalverwaltungen stehen daher unter stärkerer öffentlicher Kontrolle als Landes- oder Bundesbehörden.

Wo also setzt Compliance in Kommunalverwaltungen an? Compliance bedeutet nicht nur die Beachtung formellen Rechts, Compliance umfasst vielmehr generelle Regelkonformität. Ein Compliance-Management-System sollte Risiken rechtzeitig melden und ein Bewusstsein für die Gefährlichkeit von Verstößen schaffen. Es hat vor allem eine Präventivfunktion zu erfüllen und vor Schaden zu bewahren.

Rechts- und Regeltreue bedeutet, dass die kommunale Verwaltung in allem, was sie tut oder unterlässt, bestehendes Recht zu beachten hat. Dazu gehören:

  • Das Grundgesetz und die jeweilige Landesverfassung,
  • Gesetze,
  • EU-Recht,
  • Rechtsprechung,
  • Verordnungen,
  • Erlasse und sonstige ministerielle Anordnungen,
  • untergesetzliches Recht,[1]
  • Dienstanweisungen
  • interne Zuständigkeitsordnungen,
  • förmliche[2] und nicht förmliche Pläne[3] sowie
  • Leitbilder.

Für alle in Kommunalverwaltungen tätigen Beamtinnen und Beamten gilt neben der Pflicht zur Beachtung der allgemeinen Dienstpflichten außerdienstlich das Mäßigungsgebot. Sie haben gem. § 33 Abs. 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt. Ihr inner- und außerdienstliches Verhalten muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert (§ 34 BeamtStG). Angestellte und Arbeiter unterliegen dieser Pflicht in leicht abgeschwächter Form nach § 41 Satz 2 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) – Besonderer Teil Verwaltung (BT-V). Das gilt auch für den kommunalen Bereich. Je nach dienstlicher Stellung und Aufgabenbereich haben die Beschäftigten ihr außerdienstliches Verhalten so einzurichten, dass das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht beeinträchtigt wird.

Nicht zu unterschätzen sind ungeschriebene Regeln, die einem gesellschaftlichen Wandel unterliegen. Dazu gehören z. B. Regeln des guten Benehmens und Dresscodes bezogen auf den konkreten Tätigkeitsbereich. Während ein Mitarbeiter des Jugendamts in den Sommermonaten durchaus in kurzen Hosen und T-Shirt zum Dienst erscheinen darf, wird von einem Mitarbeiter des Steueramts ein anderes Outfit erwartet. Je stärker eine Regel in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreift, desto höher dürften die formellen Anforderungen sein. So hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschieden, dass das Land einem Bewerber für den Polizeivollzugsdienst nicht deshalb die Einstellung versagen darf, weil er auf seinem Unterarm eine großflächige Löwenkopf-Tätowierung trägt.[4] Eine solche Reglementierung im Beamtenverhältnis bedürfe einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage.

Die von Compliance umfassten Normen und Regeln betreffen die Kommunalverwaltungen als Körperschaften des öffentlichen Rechts und die bei ihnen Beschäftigten als Individuen. Dies spiegelt sich auch in der Struktur wider, die ein Compliance-Management-System zu beachten hat.

Die abgebildete Compliance Matrix zeigt die Vielfalt und die systemischen Verflechtungen und Abhängigkeiten auf.

Tab. 1 gibt einen Überblick über die zu beachtenden Regeln über das Verwaltungsverfahren (Produkterstellung), im Umgang mit Finanzen und Personal (Ressourcen) sowie im Hinblick auf die öffentliche Wirkung von Regelverstößen.

 
  Bei der Produkterstellung zu beachten Beim Umgang mit den Ressourcen zu beachten Öffentliche Wirkung im Blick haben
Gesetze Grundgesetz, Landesverfassung, allgemeine und Fachgesetze, Europäisches Recht, Vergaberecht, Beihilferecht, EU-Recht Personalrecht, Beamtenrecht, Arbeitsrecht, Vermögen erhalten, Finanzen, Tax Compliance Relativ geringfügige Verstöße können große Wirkung haben. Beispiel: Reisekostenabrechnung
Rechtsprechung Verwaltungs-, Sozial-, Arbeits-, Finanzgerichte, EuGH Personal, Personalvertretung, Vermögen, Finanzen, Tax Compliance Niederlagen vor Gericht haben meist sehr schlechte Resonanz, Verfahren gegen einzelne Bedienstete vor Strafgerichten sind in der Wirkung meist katastrophal.
Verordnungen Ministerien und andere Verordnungsgeber Personal, Vermögen, Finanzen, Gemeindehaushaltsverordnung Die Öffentlichkeit unterscheidet kaum zwischen formellem und untergesetzlichen Recht; das ist häufig schwer vermittelbar, insbesondere, wenn bestehende Ermessenspielräume eingeschränkt werden.
Erlasse Ministerien Personal, Vermögen, Finanzen Die Öffentlichkeit unterscheidet kaum zwischen formellem und ...

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