Was war der zu Grunde liegende Sachverhalt?
Eine Arbeitnehmerin begehrt von ihrem Arbeitgeber rückwirkende Entgeltgleichstellung wie ihre (vergleichbaren) männlichen Kollegen. Grund für ihre Vermutung der Benachteiligung waren Informationen, die sie in einem firmeninternen „Dashboard“ – das vorwiegend die Gehaltsdaten im Sinne des Entgelttransparenzgesetzes offenlegt – einsehen konnte. Dabei fiel der Klägerin auf, dass sie im Vergleich mit ihren männlichen Kollegen weitaus weniger verdiente, obschon sich die Kollegen auf vergleichbarer Hierarchieebene befanden.
Der Arbeitgeber bestritt vor allem die Vergleichbarkeit der Arbeitsleistungen, außerdem seien vielmehr Leistungsmängel der Klägerin für die abweichende Bezahlung verantwortlich. Das Landesarbeitsgericht wies die Hauptanträge der Klägerin ab und führte als Begründung an, dass eine einzelne Vergleichsperson nicht als ausreichend für das Eingreifen der Vermutung des § 22 AGG sei.
Welche Erwägungen stehen hinter der Entscheidung des BAG?
Das Bundesarbeitsgericht hob das Urteil nunmehr teilweise auf und legte die Sache nochmals dem Landesarbeitsgericht vor. Insbesondere die vom diesem geforderte „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ einer Benachteiligung sei schon gar nicht mit dem Unionsrecht vereinbar.
Für die Vermutung einer Entgeltdiskriminierung reiche es vielmehr aus, wenn die Klägerin darlegen (und im Zweifel beweisen) kann, dass ein einzelner Kollege für gleiche oder gleichwertige Arbeit mehr verdient. Nun liegt es am Landesarbeitsgericht zu prüfen, ob diese Vermutung durch den Arbeitgeber widerlegt wurde.
Was nimmt man aus diesem Urteil für die Praxis mit?
Ein Urteil mit Klarstellungsfunktion für Arbeitgeber und Erleichterungsfunktion für Arbeitnehmer: Das Bundesarbeitsgericht macht mit dieser Entscheidung deutlich, dass eine Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts durchaus vermutet werden kann, wenn lediglich der Vergleich mit einem anderen Kollegen des anderen Geschlechts erfolgt und dementsprechend ausfällt. Dies stärkt offensichtlich die Rechte der Arbeitnehmer; insbesondere der Gruppen, die häufiger Entgeltdiskriminierung ausgesetzt werden. Für Arbeitgeber ändert sich indes nicht viel. Allerdings wird durch die Entscheidung nochmals klargestellt, dass Arbeitgeber ihre Vergütungsstrukturen klar dokumentieren müssen, um eine etwaige (vielleicht auch nur behauptete) Entgeltdiskriminierung widerlegen zu können.