Folgende Strategien können zu einer nachhaltigen Verankerung führen und Führungskräfte für Arbeitsschutzfortbildung gewinnen:
Klare Verankerung im Führungskräftesystem
Die Arbeitsschutzfortbildungen müssen systematisch im Führungsalltag eingebettet sein. Dafür sind folgende Maßnahmen entscheidend:
- Pflichtseminare als Bestandteil des Regelprozesses: Jährliche angepasste Lernpläne mit regelmäßiger Überprüfung sowie verpflichtende Schulungen im Rahmen der Onboarding-Prozesse schaffen Verbindlichkeit für neue Führungskräfte.
- Verknüpfung von Führungszielen mit Leistungsbewertungen: Die Teilnahme an Arbeitsschutzfortbildungen sollte messbar in Zielvereinbarungen, Compliance-Vorgaben und ggf. Bonusregelungen integriert sein.
- Verantwortung und Übertragung sichtbar und eindeutig zuweisen: Rollenbeschreibungen im Arbeitsschutzmanagement müssen explizit benennen, welche Aufgaben, Entscheidungsbefugnisse und Pflichten Führungskräfte zutragen haben.
Die Übertragung von Unternehmerpflichten im Arbeitsschutz gemäß § 13 DGUV Vorschrift 1 erfordert daher eine strukturierte und dokumentierte Vorgehensweise:
„Der Unternehmer kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm nach Unfallverhütungsvorschriften obliegende Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Die Beauftragung muss den Verantwortungsbereich und die Befugnisse festlegen und ist vom Beauftragten zu unterzeichnen. Eine Ausfertigung der Beauftragung ist ihm auszuhändigen.“
Wesentlich sind neben der dokumentierten und schriftlichen Übergabe, die Punkte:
- Zuverlässigkeit und Fachkunde: Nur dauerhaft fachlich und persönlich geeignete Führungskräfte dürfen beauftragt werden.
- Konkrete Aufgabenbeschreibung: Es müssen klare Verantwortungsbereiche und Entscheidungsbefugnisse benannt werden. Allgemeine Floskeln reichen nicht aus. Im Zweifel gilt: Unklarheiten gehen zulasten des Unternehmens.
- Organisatorische Voraussetzungen: Die Führungskraft muss im Unternehmen so eingebunden sein, dass sie die übertragenen Aufgaben auch eigenverantwortlich erfüllen kann.
In Rollenbeschreibungen, Stellenprofilen und Arbeitsschutzmanagementsystemen sollte die Arbeitsschutzverantwortung explizit benannt, regelmäßig überprüft und mit entsprechenden Kompetenzen unterlegt werden. Nur so entsteht eine rechtskonforme und wirksame Sicherheitsorganisation im Unternehmen.
Relevanz und Nutzen deutlich machen
Nutzen erkennen, steigert die Akzeptanz:
- Praxisnahe Inhalte mit direktem Führungsbezug: Themen wie rechtliche Haftung, Vorbildfunktion, psychische Belastung im Team oder organisationale Resilienz können in der richtigen Mischung mit anderen Aspekten eine hohe Wirksamkeit erzeugen.
- Lernen aus der Realität: Fallbeispiele, reale betriebliche Vorfälle oder Lessons Learned (LL) aus dem eigenen Unternehmen erhöhen die Relevanz und Akzeptanz.
- Verbindung von Sicherheit und Unternehmenserfolg: Arbeitsschutz sollte als zentrale Führungsaufgabe und strategischer Erfolgsfaktor verstanden werden, nicht als reine Pflicht oder bürokratische Last. Eine starke Sicherheitskultur zahlt direkt auf Produktivität, Mitarbeiterbindung und Markenreputation ein. Unternehmen, die Arbeitsschutz ernst nehmen, reduzieren Ausfallzeiten, erhöhen die Einsatzfähigkeit ihrer Teams und stärken das Vertrauen von Kunden, Geschäftspartnern und Talenten. Ein zentraler Gedanke dabei ist der Return of Prevention (RoP): Jeder Euro, der in die Prävention investiert wird, rechnet sich mehrfach. Resultate können geringere Unfallkosten, weniger Produktionsausfälle, stabile Versicherungsbeiträge und ein gesundes Arbeitsklima sein. Studien belegen: Prävention ist nicht nur ethisch, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll. Arbeitsschutz zahlt sich aus, im wahrsten Sinne des Wortes. Führungskräfte sollten diesen Zusammenhang erkennen und in ihre strategischen Überlegungen einbeziehen. Denn: Wer Sicherheit führt, führt erfolgreicher.
Persönliche Lernbarrieren gezielt ansprechen
Gerade bei stark selbstgezogenen Führungspersönlichkeiten bieten dies Ansätze wertvolle Handlungsmöglichkeiten:
- Selbstreflexion fördern: Trainings zu Verantwortung, Sicherheitskultur und ethischer Führung stärken die innere Haltung.
- Betriebliche vertrauliche Formate schaffen: Peer-Learning oder Führungskreise ermöglichen geschützte Räume für Entwicklung.
- Herausforderung auf Augenhöhe: Externe Experten oder gleichrangige Führungskräfte können durch gezielte Konfrontation Denkanstöße geben. Besonders bei stark selbstbezogenen Führungspersönlichkeiten sind Impulse von außen oft wirksamer als interne Vorgaben. Coaching-Formate bieten hier eine wertvolle Ergänzung, da sie individuelle Reflexion ermöglichen und in einem geschützten Rahmen neue Perspektiven eröffnen. Ziel ist es, Führungskräfte zu befähigen, eigene Lernbarrieren zu erkennen, Verantwortung anzunehmen und Veränderungsprozesse aktiv mitzugestalten. Coaching kann so zu einem nachhaltigen Entwicklungsimpuls werden, jenseits von Druck, Pflicht und Defizitorientierung.
Didaktisch moderne, flexible Formate anbieten
Lernangebote müssen zur Arbeitsrealität von Führungskräften passen. Sie dürfen dabei auch Spaß machen. Denn: Lernen funktioniert besser, wenn es motivierend, praxisnah und aktivierend gestaltet ist. Gerade beim Thema Arbeitsschutz kann ein spielerischer Zugang helfen, Barrieren abzubauen und nachhaltiges Lernen zu fördern.
- Kompakte, modulare Lernformate in Form von „Learning Nuggets": Learning nuggets sind kurze, fokussierte Lerneinheiten, die im Rahmen des Microlearnings eingesetzt werden, um Wissen kompakt und leicht verdaulich zu vermitteln. Sie sind so konzipiert, dass sie schnell und einfach konsumiert werden können, oft in wenigen Minuten. Learning nuggets sind ideal für das Lernen unterwegs oder in kurzen Pausen. Sie ermöglichen gezielte Wissensvermittlung ohne Überforderung.
- Digitale Lernplattformen: Mit Lernstand-Erfassung, Gamification, interaktiven Elementen und Zertifikaten steigern sie die Motivation, den Transfer und die individuelle Erfolgskontrolle.
- Präsenzformate: Beispielsweise Safety Leadership Workshops oder interaktive Fallrunden schaffen Raum für Reflexion, kollegialen Austausch und Erfahrungslernen auf Augenhöhe.
- Freude, Lachen und Spaß als Lernfaktoren: Spielerische Ansätze und kreative Methoden können Arbeitsschutz erlebbar und emotional anschlussfähig machen. Somit sind sie deutlich wirksamer als reine Informationsvermittlung. Lernen darf und soll Spaß machen – auch (und gerade) beim Arbeitsschutz.
Unternehmenskultur aktiv gestalten
Arbeitsschutz muss in der Kultur verankert und als Führungsqualität sichtbar gemacht werden:
- Vorbildfunktion des Top-Managements: Sicherheit beginnt bei der Unternehmensleitung, d. h. sichtbares und aktives Vorleben, Kommunikation und Teilhabe.
- Sicherheit als Kriterium der Führungskompetenz: Arbeitsschutzverantwortung sollte ein fester Bestandteil der Führungsevaluation sein und dabei systematisch in Potenzialanalysen, Feedbackgesprächen und Beförderungsverfahren einfließen. Ein Vorstellungsgespräch zum Thema Arbeitsschutz bietet die Chance, bereits im Auswahlprozess Wissen, Haltung, Engagement und Umsetzungskompetenz von Bewerberinnen und Bewerbern zu prüfen. Dabei sollten nicht nur Fachkenntnisse, sondern auch die persönliche Motivation und die Führungsreife des Bewerbers in Bezug auf Sicherheit im betrieblichen Alltag sichtbar bzw. beleuchtet werden.
- Integration in die strategische Kommunikation: Arbeitssicherheit gehört in Leitbilder, interne Kommunikation und Managementdialoge.
Sichtbare Erfolgsmessung und Feedback
Nur was gemessen wird, kann korrigiert werden und wird ernst genommen:
- Rückkopplung ins Team: Mitarbeitende sollen spüren, was sich durch die Schulung der Führungskraft in ihren Arbeitsalltag schrittweise positiv verändert.
- Best Practices sichtbar machen: Gute Beispiele und Erfolgsgeschichten sind kraftvolle Werkzeuge zur Motivation und kulturellen Verankerung von Arbeitsschutz. Sie zeigen, dass Sicherheit machbar ist, dass sie wirkt und ein Teil eines modernen, verantwortungsvollen Führungsverständnisses sein kann und sollte. Neben klassischen Best Practices spielt auch das Prinzip Lessons Learned eine zentrale Rolle. Lessons Learned kann und soll das Gute sichtbar machen. Diese positiven helfen dabei, wirksame Maßnahmen als bewährte Praxis zu erkennen, Erfolgsfaktoren systematisch weiterzugeben, positive Veränderungen sichtbar zu machen. Dadurch können gezielt andere Führungskräfte und Teams zur Nachahmung motiviert werden. Sicherheit wird nicht durch Regeln, sondern vor allem durch Menschen und ihre Geschichten sowie Vorbilder weitergetragen.
- Safety Performance Indikatoren (SPIs): Das sind Kennzahlen zur Teilnahmequote, Anwendungsgrad oder Auswirkungen auf Unfallraten. Sie machen Fortschritte nachvollziehbar.