Warum sich Führungskräfte im Arbeitsschutz nicht fortbilden (wollen)

Fortbildungen im Arbeitsschutz: Gesetzliche Vorgaben und Umsetzungshürden


Serienelemente
Fortbildungen im Arbeitsschutz

Führungskräfte haben konkrete rechtliche Pflichten, sich regelmäßig im Bereich Arbeitsschutz fortzubilden. Diese Pflichten ergeben sich aus verschiedenen Gesetzen und Vorschriften im deutschen Arbeitsschutzrecht. Dennoch gibt es eine Vielzahl von individuellen sowie strukturellen Gründen, warum dies nicht umgesetzt wird.

Fortbildungspflichten von Führungskräften

Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)

§ 3 Abs. 2 ArbSchG: Arbeitgeber (inkl. Führungskräfte mit Weisungsbefugnis) müssen Maßnahmen treffen, die geeignet sind, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten und zu verbessern. Dazu gehört, durch eine regelmäßige Fortbildung auf dem Stand der Technik und der Erkenntnisse zu bleiben.

DGUV Vorschrift 1 („Grundsätze der Prävention")

§ 4 (1): Der Unternehmer und seine Führungskräfte müssen dafür sorgen, dass sich Beschäftigte den Gefahren entsprechend verhalten können – das setzt eigene Kenntnisse voraus.

§ 4 (2): „Personen, die Aufgaben im Arbeitsschutz wahrnehmen“, müssen dafür geeignet,  sachkundig sein und bleiben.

Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)

Für den sicheren Umgang mit Arbeitsmitteln müssen Führungskräfte über ausreichende Kenntnisse verfügen. Diese müssen sie aktuell halten.

Produkthaftungs- und Zivilrecht

Führungskräfte können persönlich haftbar gemacht werden, wenn sie durch Fahrlässigkeit handeln, etwa indem sie Unterweisung, Kontrolle oder Weiterbildung unterlassen. Der Grundsatz „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ macht deutlich: Wer Pflichten im Arbeitsschutz nicht kennt oder vernachlässigt, kann im Ernstfall haftbar gemacht werden – unabhängig davon, ob das Versäumnis aus Unwissen resultiert.

Führungskräfte sind also verpflichtet:

  • sich regelmäßig über neue Entwicklungen im Arbeitsschutz zu informieren,
  • ihre Kenntnisse aktuell zu halten (z. B. Gesetzesänderungen, neue Gefährdungen, psychische Belastung etc.),
  • sicherzustellen, dass sie ihre Führungsverantwortung im Arbeitsschutz sachgerecht erfüllen können

Wann und wie oft muss fortgebildet werden?

Es gibt keine feste Zeitvorgabe, wann und wie oft Fortbildungen stattfinden müssen. Sie müssen regelmäßig und anlassbezogen sein. Gute Gründe und Anlässe ergeben sich z. B. bei neuen Maschinen, neuen Gefährdungen oder bei Gesetzesänderungen, die auch den Verantwortungsbereich der Führungskraft betreffen könnten.

Individuelle und strukturelle Gründe

Es gibt eine Vielzahl von individuellen und strukturellen Gründen, warum Fortbildungen gemieden werden. Dabei beinhalten individuelle Gründe u.a. die Einstellung, Wahrnehmung, Wissen der Führungskraft. Strukturelle Gründe beinhalten u. a. die Systeme, Prozesse, Kultur des Unternehmens.

Fehlende Priorisierung und Kurzfristdenken

Viele Führungskräfte sehen Arbeitsschutz nicht als zentrales Thema ihres Verantwortungsbereichs, sondern eher als lästige Pflicht, die delegiert werden kann.

  • Konsequenz: Verantwortung wird abgegeben, ohne dass das Verständnis für die eigenen Pflichten vorhanden ist.
  • Kurzfristdenken/ Fokus auf Leistung: Sicherheit und Prävention gelten als langfristig und stehen im Schatten kurzfristiger Zielvorgaben.
  •  Karrierefokus statt Verantwortungsbewusstsein: Persönliche Ziele und Karriere werden über Fürsorgepflicht gestellt

Zeitmangel / Überlastung

Führungskräfte sind oft stark in operative und strategische Aufgaben eingebunden. Arbeitsschutzfortbildungen erscheinen als Zeitverschwendung, wenn der unmittelbare Nutzen nicht erkennbar ist.

Fehlendes Problembewusstsein bzw. Aufgabenverständnis

Solange kein Unfall passiert oder keine Kontrolle durch Aufsichtsbehörden erfolgt, wird das Risiko oft unterschätzt.

  • Trugschluss: „Bei uns ist noch nie etwas passiert.“
  • Realität: Sicherheit wird oft dann zum Thema, wenn es zu spät ist (reaktive Sicherheit).
  • Ablehnung gegenüber weichen Themen: Psychische Belastung und Kommunikation werden nicht als echte Arbeitsschutzthemen anerkannt.
  • Angst vor Kontrollverlust/ Kritik: Schulungen werden als Bedrohung des Selbstbildes wahrgenommen; Sicherheitsverantwortung wird nicht als Teil der Führungsaufgabe begriffen.

Mangel an Anreizen

In vielen Unternehmen gibt es keine direkte Verknüpfung zwischen der Arbeitsschutzleistung einer Führungskraft und ihrer Leistungsbewertung oder Karriereentwicklung.

Widerstand gegen Pflichtveranstaltungen

Fortbildungen wirken unattraktiv, irrelevant oder als reine Pflicht ohne Mehrwert

Unzureichendes Angebot oder Kommunikation

Fortbildungen im Arbeitsschutz werden zu oft nicht zielgruppengerecht angeboten oder schlecht kommuniziert.

  • Inhalte sind zu technisch oder juristisch
  • Abstrakter Bezug zum Führungsalltag - realer Nutzen im Führungsalltag fehlt
  • Keine praktischen betrieblichen Fallbeispiele

Fehlende Unternehmenskultur

In Unternehmen ohne starke Sicherheitskultur wird Arbeitsschutz nicht „von oben gelebt“. Führungskräfte nehmen das Thema dann ebenfalls nicht ernst. „Walk the talk“ fehlt: Wenn Führungskräfte den Arbeitsschutz nicht ernst nehmen, wird dies auch von anderen nicht getan. In der Folge bleibt die Integration des Arbeitsschutzes in den Führungsalltag aus.

Keine Messung von Sicherheit

Es fehlen Safety Performance Indikatoren (SPI), um relevante Daten zu erfassen. Ohne solche Indikatoren, insbesondere zur Dokumentation von Fortbildungen, bleibt der Qualifizierungsstand der Führungskräfte im Arbeitsschutz unklar.

Fehlende Verpflichtung oder Kontrolle
Keine Vorgaben, keine Erinnerung, keine Konsequenzen = kein Handlungsdruck. Nicht zu vergessen sind Kombinationsmöglichkeiten aus individuellen Gründen mit einem strukturellen Verstärker.

Persönlichkeit von Führungskräften

Neben strukturellen Defiziten beeinflusst auch die Persönlichkeit von Führungskräften die Bereitschaft zur Arbeitsschutzfortbildung. Besonders narzisstische, psychopathische und machiavellistische Züge, die in Führungspositionen überdurchschnittlich häufig vorkommen, wirken dabei hemmend.

Arroganz und Narzissmus in der Führung sind psychologische Barrieren

Führungskräfte mit stark narzisstischen Tendenzen reagieren oft abwertend auf Kritik – auch bei Zweifeln an ihrer Arbeitsschutzkompetenz. Dies führt zu einem toxischen Führungsstil mit geringer Empathie und belastendem Arbeitsklima.

„Ich weiß es besser“ – Arroganz als Lernblockade

Wer sich selbst als unfehlbar sieht, hält Schulungen für unnötig oder nur für andere gedacht. Diese Haltung verhindert Reflexion, ignoriert neue Anforderungen und gefährdet die Sicherheit der Mitarbeitenden.

Narzissmus: Fortbildung als Kränkung des Selbstbildes

Für narzisstisch geprägte Führungskräfte bedeutet Fortbildung ein Eingeständnis von Unwissen – eine Bedrohung für ihr Selbstbild. Entsprechend wird Teilnahme vermieden oder abgewertet.

Macht statt Verantwortung

Narzisstische Führungskräfte delegieren Verantwortung, leben sie aber nicht. Arbeitsschutz gilt ihnen als nebensächlich und nicht strategierelevant – mit gefährlichen Konsequenzen für Sicherheitskultur und Mitarbeiterschutz.

Schlagworte zum Thema:  Arbeitsschutz
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