Warum sich Führungskräfte im Arbeitsschutz nicht fortbilden (wollen)

Fortbildungen im Arbeitsschutz: Safety Performance Indikatoren (SPI)


Fortbildungen im Arbeitsschutz: SPI

Ein wirksames Arbeitsschutzmanagement erfordert mehr als nur die Durchführung von Maßnahmen. Es braucht Transparenz über deren Wirkung. Hier setzen Sicherheits-Performance-Indikatoren (SPIs) an: Sie ermöglichen eine systematische Bewertung, Steuerung und Optimierung der Arbeitsschutzstrategie, insbesondere im Hinblick auf Fortbildungen.

Ohne messbare Kriterien bleibt unklar, ob Arbeitsschutzfortbildungen tatsächlich wirksam sind. Mit der Einführung geeigneter SPI im Bereich Fortbildung lassen sich Maßnahmen wirksam steuern und verbessern. Sie helfen bei der Priorisierung von Ressourcen, machen Trends und Schwachstellen frühzeitig sichtbar und fördern nachhaltige Verhaltensänderungen im Arbeitsschutz z. B. in die Verbindlichkeit der Führungskräfte in ihrer Sicherheitsverantwortung. Ein gut aufgebautes SPI-System liefert zudem eine belastbare Datengrundlage für Managemententscheidungen, macht den Erfolg von Investitionen in Prävention messbar und unterstützt die kontinuierliche Entwicklung einer starken Sicherheitskultur.

Die Einteilung für Zielsetzungen und das Aufzeigen unterschiedlicher Perspektiven umfasst den gesamten Prozess von der Teilnahme bis hin zur Wirkung.

Teilnahmeindikatoren

  • Anzahl und Quote der teilnehmenden Führungskräfte
  • Teilnahmehäufigkeit pro Jahr/ Abteilung/ Bereich
  • Anteil absolvierter Pflichtschulungen vs. Sollvorgabe

Fortbildungsquote Führungskräfte

  • Definition: Anteil der Führungskräfte, die im laufenden Jahr an einer vorgeschriebenen oder empfohlenen Arbeitsschutzfortbildung teilgenommen haben.
  • Formel: Anzahl geschulter Führungskräfte/ Gesamtzahl der Führungskräfte × 100 %
  • Zielwert: > 90 % pro Jahr

Fortbildungsintervall-Compliance

  • Definition: Anteil der Führungskräfte, deren letzte Schulung innerhalb des vorgeschriebenen Intervalls (z. B. max. 3 Jahre) liegt.
  • Zweck: Zeigt, ob gesetzliche oder interne Fortbildungsfristen eingehalten werden. Demnach stellt es einen Indikator für Nachhaltigkeit und Regelkonformität dar.
  • Visualisierungstipp ist ein Ampelsystem im Controlling-Dashboard mit Zeitverlauf und Ziel/ Ist-Vergleich:
    • Grün = aktuell
    • Gelb = bald überfällig
    • Rot = überfällig

Lern- und Wissensindikatoren

  • Ergebnisse standardisierter Wissenstests vor/ nach der Schulung
  • Selbsteinschätzung der Kompetenzentwicklung durch die Teilnehmenden
  • Beobachtete Verhaltensänderungen durch Vorgesetzte oder Sicherheitsbeauftragte

Ein signifikanter Anstieg der Testergebnisse zeigt den unmittelbaren Lernerfolg und ermöglicht Rückschlüsse auf die Qualität der Schulungsinhalte sowie -methoden. Eine Basisausbildung im Arbeitsschutz ist nicht nur ein Pflichtprogramm, sondern ein entscheidender Indikator für Führungsqualität. Sie schützt nicht nur Mitarbeitende, sondern auch das Unternehmen: rechtlich, organisatorisch und kulturell. Unternehmen, die Arbeitsschutz zur Chefsache machen und Lernprozesse strategisch verankern, handeln vorausschauend, im Sinne ihrer Mitarbeitenden, ihrer Prozesse und ihrer Verantwortung.

Folgend ein Vorschlag für einen SPI mit dem Fokus auf Ergebnisse standardisierter Wissenstests vor/ nach der Schulung. Dieser SPI dient der Messung und Verbesserung des sicherheitsrelevanten Wissensniveaus im Unternehmen. Dabei sind immer die Folgerungen/ Vorgaben für die betriebliche Praxis zu beachten:

  • Wissenstests zur Lernkontrolle (z. B. vor/ nach Schulung) sind in der Regel zulässig. Dabei ist die Mitbestimmung zu beachten. Weniger problematisch ist die Durchführung, wenn die Tests anonymisiert erfolgen oder nicht zur Leistungsbewertung herangezogen werden.
  • Wissenstests, die als Leistungsbewertung oder Bestandteil von Personalbeurteilungen dienen, unterliegen der Zustimmungspflichtig gemäß § 94 Abs. 2 BetrVG. Der Betriebsrat muss einbezogen und eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden.
  • Der Einsatz digitaler Testsysteme, die personenbeziehbaren Daten verarbeiten, erfordern eine Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Dies gilt beispielsweise bei LMS-Systemen (Learning Management Systems), die Ergebnisse dokumentieren.

SPI-Ziel und Inhalte

Die Messung und Bewertung des sicherheitsbezogenen Wissens (SGU) von Führungskräften erfolgt auf Basis standardisierter Wissenstests, z. B. gemäß SCC 017 oder angepassten SCC 17 Inhalten. Diese umfassen u. a. Themen wie Arbeitsschutzgesetzgebung und -überwachung, Gefährdungsbeurteilung, Schutzmaßnahmen, Unfallursachen, Erste Hilfe, Arbeitsmedizin, besondere Personengruppen sowie Kontrolle und Dokumentation.

SCC 17 als Standard für alle Führungskräfte

Die SCC 017 richtet sich formal an operative Führungskräfte wie Projekt- und Bauleiter, Meister, Poliere, Vorarbeiter oder Obermonteure. Diese tragen täglich Verantwortung für Arbeitssicherheit, Gesundheit und Umweltschutz (SGU) auf Baustellen oder in technischen Betrieben. Dennoch lässt sich der dahinterliegende Anspruch grundsätzlich auf alle Führungskräfte im Unternehmen ausweiten. Unabhängig von Hierarchiestufe, Fachbereich oder Branchenfokus gilt „Sicherheit, Gesundheit und Umwelt (SGU) sind Führungsaufgaben“, auf allen Ebenen.

  • Eine sinnvolle betriebliche Ergänzung umfasst: Benchmarking über mehrere Standorte, Teams oder Abteilungen, dies fördert interne Transparenz und gegenseitiges Lernen, durch Vergleich von Beteiligung, Wirkung und Nachhaltigkeit
  • Vorschlag: Benchmark mit Bestehensgrenze (70 % oder 49/70 Punkten vergleichbar mit SCC 017), um gezielte Fortbildungsmaßnahmen im Arbeitsschutz daraus abzuleiten.

Bewertungsskala:

Durchschnittliche Punktzahl (%)

Bewertung

Maßnahmenempfehlung

90-100 %

Sehr gut

Wissen auf hohem Niveau, keine Maßnahmen

80-89 %

Gut

Geringe Auffrischung empfohlen

70-79 %

Ausreichend

Regelmäßige Schulung erforderlich

<70 %

Mangelhaft

Sofortige Nachschulung, Wiederholung nötig

Visualisierung (Beispielauswertung):

Abteilung

Ø Punktzahl/ Bewertung

Empfehlung

Montage

85 % Gut

Nächste Schulung in 6 Monaten

Engineering

72 % Ausreichend

Auffrischung innerhalb 3 Monate

Projektleitung

68 % Mangelhaft

Sofortige Nachschulung

Mögliche Umsetzung solcher Wissenstest in Unternehmen:

  • Testfrequenz: jährlich oder halbjährlich
  • Testform: digital/ präsenz
  • Testumfang: ca. 70 Fragen, in multiple choice Form (analog zur SCC-Prüfung)
  • Auswertung: automatisiert über Learn-Management Systeme (LMS)
  • Maßnahmen: Themen und Schulungszyklen individuell nach Testergebnis

Wirkungsindikatoren

  • Häufigkeit und Art von Sicherheitsverstößen oder Unfällen vor und nach Schulungen
  • Zahl der gemeldeten Beinaheunfälle und sicherheitsbezogenen Beobachtungen
  • Verbesserungen in Gefährdungsbeurteilungen oder Audits nach Trainings

Häufigkeit von Sicherheitsvorfällen

Eine abnehmende Zahl von Sicherheitsvorfällen nach der Schulung kann auf wirksames Lernen und verbessertes Verhalten hindeuten. Allerdings müssen weitere externe Einflussfaktoren berücksichtigt werden.

Anzahl der erkannten und gemeldeten Gefahren

Ein Anstieg an erkannten und gemeldeten Gefahren weist auf eine erhöhte Aufmerksamkeit und ein gestärktes Gefahrenbewusstsein hin. Dies ist ein indirektes Zeichen für erfolgreichen Wissenstransfer und Engagement im Arbeitsschutz.

Anzahl der durchgeführten Risikobewertungen

Die Anzahl der durchgeführten Risikobewertungen kann auch als Wissensindikator interpretiert werden, wenn sie Ausdruck einer gestärkten Kompetenz zur Risikoeinschätzung nach einer Schulung ist. Sie zeigt zudem eine aktivere Umsetzung des Gelernten im Arbeitsalltag.

Anlassbezogene Fortbildungen nach Vorfällen

  • Definition: Anteil der sicherheitsrelevanten Ereignisse (z. B. Beinaheunfälle, Verstöße), nach denen betroffene Führungskräfte gezielt geschult wurden.
  • Zweck: Indikator für Reaktionsfähigkeit und Lernbereitschaft des Unternehmens nach Vorfällen zeigt, ob aus Ereignissen konkrete Maßnahmen folgen.

Zufriedenheits-/ Feedbackindikatoren

Rückmeldungen aus Feedbackbögen oder Online-Bewertungen aus Sicht der Teilnehmenden

  • Zufriedenheit
  • Relevanz
  • Verständlichkeit und Praxisnähe der Inhalte
  • Relevanz, Verständlichkeit und Praxisnähe
  • Empfehlungen

Gesamte Zufriedenheit der Teilnehmenden

  • Definition: Durchschnittliche Bewertung der Schulung auf einer standardisierten Zufriedenheitsskala (z. B. 1 = sehr unzufrieden bis 5 = sehr zufrieden).
  • Messgröße: Mittelwert aus Feedbackbögen oder digitalen Evaluationssystemen.
  • Zielwert: ≥ 4,0
  • Interpretation: Hohe Werte deuten auf eine gute Akzeptanz, Methodengüte und Durchführung hin.

Bewertung der Relevanz der Inhalte

  • Definition: Anteil der Teilnehmenden, die die Inhalte als „sehr relevant“ oder „relevant“ für ihre tägliche Führungsarbeit bewerten.
  • Messgröße: Prozentsatz der positiven Rückmeldungen aus einem spezifischen Bewertungsfeld (z. B. Frage: Wie relevant war die Schulung für Ihre Praxis?“)
  • Zielwert: ≥ 80 % Zustimmung
  • Interpretation: Gibt Auskunft über die Auswahl der Schulungsthemen/-inhalte zur betrieblichen Realität der Zielgruppe.

Praxisnähe der Schulung

  • Definition: Anteil der Teilnehmenden, die die Schulung als praxisnah oder mit direktem Bezug zur eigenen Tätigkeit bewerten.
  • Messgröße: Bewertung einer standardisierten Frage zu Praxisrelevanz.
  • Zielwert: ≥ 85 %
  • Interpretation: Unterstützt den Transfer des Gelernten in den Arbeitsalltag und ist eine wichtige Voraussetzung für die Wirksamkeit.

Verständlichkeit der vermittelten Inhalte

  • Definition: Anteil der Teilnehmenden, die die vermittelten Inhalte als „leicht verständlich" oder „gut nachvollziehbar“ bewerten.
  • Messgröße: Auswertung entsprechender Bewertungsfragen im Feedbackbogen.
  • Zielwert: ≥ 90 % positive Bewertung
  • Interpretation: Hohe Werte zeigen eine gute didaktische Aufbereitung, niedrigere Werte deuten auf Optimierungsbedarf bei Sprache, Struktur oder Komplexität hin.

Weiterempfehlungsrate (Net Promoter Score, NPS)

  • Definition: Kennzahl, die auf Basis der Frage Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie diese Schulung weiterempfehlen?“ berechnet wird.
  • Messgröße: NPS-Score (Skala von –100 bis +100).
  • Zielwert: ≥ +40
  • Interpretation: Ein hoher NPS signalisiert nicht nur Zufriedenheit, sondern auch emotionale Bindung und Vertrauen in die Qualität des Angebots.

Betriebliche Erweiterung und Integration von SPIs

Verknüpfung mit weiteren relevanten Kennzahlen, z. B.:

  • Unfallzahlen und Beinaheunfälle
  • Auditabweichungen und Auditquoten
  • Safety Culture Index / Sicherheitsklima-Befragungen, Krankenstand in risikoreichen Bereichen

Diese Kombination ermöglicht eine ganzheitliche Bewertung von Arbeitsschutz und Führungskultur. Alle Indikatoren lassen sich auch in Form einer Schulungs-Scorecard abbilden, die zur systematischen Verfolgung von Arbeitsschutzfortbildungen auf den vier beschriebenen Indikatorenebenen genutzt werden kann.

Schlagworte zum Thema:  Arbeitsschutz
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