Körperhaltung: Haltungsanalyse gegen Muskel-Skelett-Erkrankungen

Die Haltungsanalyse kann zur Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen beitragen, die nach wie vor die häufigste Ursache von Arbeitsunfähigkeit sind. Auf der Basis von Messverfahren, die sowohl orientierender als auch vertiefender Natur sein können, ist es damit möglich, die Körperhaltung der Beschäftigten zu analysieren und zu beurteilen, ob Präventionsmaßnahmen notwendig sind.

Um die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit erhalten bzw. verbessern zu können, ist die betriebliche Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) unumgänglich. Insbesondere vor dem Hintergrund älter werdender Belegschaften und der insgesamt längeren Lebensarbeitszeit erhält das Engagement für die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter einen zunehmend hohen Stellenwert im Rahmen des BGM.  Denn die Gesundheit der Beschäftigten trägt maßgeblich zur Wettbewerbsfähigkeit und zum Erfolg von Unternehmen bei.

Haltungsanalyse für gesunde Körperhaltungen

Im Hinblick auf die Prävention von MSE gibt es zwei Ansatzpunkte:

  1.  die Gestaltung gesundheitsgerechter Arbeitsbedingungen und
  2. die Förderung des gesundheitsgerechten Verhaltens der Beschäftigten.

Genau diese beiden Aspekte spielen auch eine zentrale Rolle, wenn es um die Frage physiologischer und damit auch gesundheitsförderlicher Körperhaltungen bei der Arbeit geht. Denn zum einen entscheiden die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz darüber, welche Körperhaltungen während der Ausübung einer Arbeitstätigkeit eingenommen werden können bzw. sogar eingenommen werden müssen und zum anderen können durch das individuelle Verhalten der Beschäftigten an ihrem Arbeitsplatz haltungsbedingte Belastungen entweder reduziert oder auch verstärkt werden.

Haltungsanalyse im Unternehmen

Zur Durchführung einer Haltungsanalyse im Unternehmen existieren verschiedene Verfahren, die sich jeweils unterschiedlichen Screening-Stufen zuordnen lassen:

  • Grob-Screening-Verfahren,
  • spezielle Screening-Verfahren,
  • Experten-Screening-Verfahren.

Haltungsanalyse mit Grob-Screening-Verfahren

Die Anwendung von Grob-Screening-Verfahren ermöglicht eine orientierende Erfassung und Bewertung der Körperhaltung in Bezug auf physische Belastungsfaktoren. Ein einfaches und praktikables Verfahren stellt in diesem Zusammenhang die Beobachtung dar. Auf Basis der Besichtigung der Arbeitsplätze und der optischen Begutachtung der am Arbeitsplatz verrichteten Tätigkeiten erfolgt eine subjektive Beurteilung der Körperhaltung in dem jeweiligen Arbeitskontext.

Die Dokumentation der Ergebnisse kann dabei beispielsweise anhand einer Tabelle oder mithilfe einer vorgefertigten Checkliste erfolgen. Zur Visualisierung der analysierten Körperhaltung kann die ausgeführte Arbeitstätigkeit anhand von softwaregestützten Foto- oder Videoaufnahmen dokumentiert werden. Dadurch besteht die Möglichkeit, bereits vor Ort oder in der späteren Analyse die Körperhaltung bzw. Bewegungsabläufe zu bewerten und entsprechende Korrekturen vorzunehmen bzw. einzuzeichnen. Infolgedessen können die so dokumentierten Körperhaltungen auch im Rahmen eines präventiven Verhaltenstrainings oder im Zuge einer Unterweisung sinnvoll genutzt werden.

Haltungsanalyse mit speziellen Screening-Verfahren

Zur vertiefenden Beurteilung von Körperhaltungen stehen mehrere Verfahren zur Verfügung, die eine Bewertung entsprechender Belastungsmuster erlauben. Ein in der Prävention von MSE oft angewendetes arbeitswissenschaftliches Verfahren zur Bewertung von Körperhaltungen ist die OWAS-Methode. Mit ihr können die während einer Tätigkeit auftretenden Körperhaltungen erfasst und klassifiziert werden und darüber hinaus die daraus entstehenden Belastungen für das Muskel-Skelett-System bestimmt werden.

Die Ermittlung der Körperhaltungen erfolgt dabei durch einen Beobachter, der vorzugsweise mithilfe einer Videoaufzeichnung die Art der Körperhaltungen und deren zeitlichen Anteil festhält. Begutachtet werden die Haltung des Rückens, der Arme und der Beine sowie die zu handhabenden Lastgewichte.

Aus der Kombination dieser verschiedenen Haltungen (Rücken, Arme und Beine) ergeben sich zunächst 84 mögliche Grundhaltungen, die sich unter Berücksichtigung der zu handhabenden Lasten auf 252 mögliche Haltungskombinationen erhöhen.

Zur statistischen Auswertung der OWAS-Methode müssen die unterschiedlichen Körperhaltungen mithilfe eines Erhebungsbogens kodiert werden. Zur Kodierung empfiehlt sich i. d. R. ein System von gleichen Intervallen von etwa 30 oder 60 Sekunden. Das bedeutet, dass alle 30 oder 60 Sekunden die Körperhaltung der aktuell ausgeführten Tätigkeit kodiert wird. Allerdings muss hier kritisch angemerkt werden, dass sich bei der Verwendung von festen Intervallen Fehler ergeben können, wenn der Wechsel einer Körperhaltung zur nächsten nicht unmittelbar vor dem Beobachtungsintervall erfolgt.

Aus den so vorgenommenen Kodierungen ermittelt die OWAS-Methode später die Häufigkeit von Haltungskombinationen inklusive des zeitlichen Anteils der einzelnen Körperhaltungen. Das Ergebnis dieser statistischen Auswertung führt schließlich zur Ableitung von Maßnahmenklassen, die eine Prioritätenliste für die präventive Arbeitsplatzgestaltung adressieren.

Die OWAS-Methode unterscheidet 4 Belastungsgruppen, denen 4 verschiedene Maßnahmenklassen zugeordnet werden:

  • Maßnahmenklasse 1: Die Körperhaltung ist normal. Maßnahmen zur Arbeitsgestaltung sind nicht notwendig.
  • Maßnahmenklasse 2: Die Körperhaltung ist belastend. Maßnahmen, die zu einer Verbesserung der Arbeitshaltung führen, sind in der nächsten Zeit durchzuführen.
  • Maßnahmenklasse 3: Die Körperhaltung ist deutlich belastend. Maßnahmen, die zu einer besseren Arbeitshaltung führen, müssen so schnell wie möglich vorgenommen werden.
  • Maßnahmenklasse 4: Die Körperhaltung ist deutlich schwer belastend. Maßnahmen, die zu einer besseren Arbeitshaltung führen, müssen unmittelbar ergriffen werden.

Haltungsanalyse mit Experten Screening-Verfahren

Ein in der Stufe der Experten-Screenings anzuwendendes Verfahren der vertiefenden Beurteilung von Körperhaltungen ist das sog. CUELA Messsystem, welches von arbeitswissenschaftlichen Experten angewendet wird. Das CUELA Messsystem (Computer-unterstützte Erfassung und Langzeit-Analyse von Belastungen des Muskel-Skelett-Systems) wurde vom Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung entwickelt, um Belastungen des Muskel-Skelett-Systems unmittelbar am Arbeitsplatz und unter realen Arbeitsbedingungen analysieren zu können.

Es eignet sich insbesondere zur Erfassung und Bewertung von Körperhaltungen und Bewegungen im Rahmen komplexer Arbeitsabläufe. Hierzu werden Sensoren auf der Arbeitskleidung und/oder an Arbeitsmitteln angebracht, die eine dreidimensionale Bewegungsmessung des Kopfes, des Rückens sowie der oberen und unteren Extremitäten ermöglichen. Ergänzt werden die Messungen durch eine Videoaufnahme der Arbeitssituation.

Im Weiteren kann das CUELA-Messsystem auch mit physiologischen Messverfahren (Herzschlagfrequenz, EMG, mobile Spirometrie zur Energieumsatzbestimmung) kombiniert werden. So können anschließend mithilfe einer speziellen Software spezifische Belastungsschwerpunkte identifiziert und entsprechend gezielte Präventionsmaßnahmen eingeleitet werden.

Haltungsanalyse im BGM

Weitere Informationen zur Haltungsanalyse von Beschäftigten, zur grundlegenden Biomechanik sowie zu Präventionsmaßnahmen finden Sie im Fachbeitrag Haltungsanalyse im BGM im Haufe Betriebliches Gesundheitsmanagement Office.