Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen in der Praxis

Teil einer Gefährdungsbeurteilung ist die Ermittlung psychischer Belastungen. Doch das geht nicht mit den gleichen Messinstrumenten wie bei anderen Gefährdungen. Wie also können die komplexen Zusammenhänge verstanden und positiv gestaltet werden?

Oft lässt sich nicht eindeutig unterscheiden, ob nur ein Teil oder ob die Summe von z. B. Arbeitsmenge, Komplexität der Arbeitsaufgabe, Arbeitszeit, mangelnder Qualifikation und fehlenden Entscheidungsspielräumen ein Problem für den Arbeitsschutz und die Gesundheit darstellen. Auch mangelnde Unterstützung, unangemessenes Führungsverhalten oder fehlende Wertschätzung können belastend sein. Doch wie lassen sich diese Belastungen messen?

Bekannte Verfahrensweisen sind für die Komplexität des Themas nicht geeignet

Das Projekt zur "Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung in der betrieblichen Praxis" der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zeigt, dass bekannte Verfahrensweisen oft nicht zur Lösung beitragen können. Die Gefährdungen durch psychische Belastungen sind äußerst komplex. Standardisierte Befragungs- und Beobachtungsinstrumente bieten höchstens einen Überblick über Belastungsausprägungen. Ein gestaltungsrelevantes Verständnis für konkrete Belastungssituation ergibt sich daraus aber nicht.

Über psychische Belastungen wird zwar gesprochen ...

Systematische Gefährdungsbeurteilungen zu psychischen Belastungen finden in den Betrieben bisher kaum statt, wie die Feldstudie belegt. Vor allem in Einzel- oder Gruppengesprächen, auch informeller Art, wird in kleinen und größeren Unternehmen über psychische Belastungen gesprochen. Diese Vorgehensweise ist jedoch meist wenig systematisch. Außerdem lassen sich so Angriffspunkt und Ziele für eine Veränderung nur schwer definieren.

... oft jedoch ohne Konsequenzen

Maßnahmen zur Reduzierung psychischer Belastungen werden bisher selten formuliert und umgesetzt. Sie scheitern u. a. an der mangelnden Bereitschaft der Geschäftsleitung, an unzureichendem Verständnis der Beschäftigten oder an fehlenden Handlungsspielräumen der Arbeitsschutzakteure.

Psychische Gefährdungen gehen über den Arbeitsschutz hinaus

Psychische Gefährdungen in der Arbeitswelt sind auch außerhalb des Arbeitsschutzes immer wieder ein Thema. Und dies sollte auch in Zukunft so sein, so ein Ergebnis der Studie. Zielgerichtete Maßnahmen sollten neben dem Arbeits- und Gesundheitsschutz im Unternehmen auch Teil der Arbeitszeit- und Leistungspolitik, der Personalplanung, der Qualifizierung sowie der Mitarbeiterführung sein.

Handlungssicherheit muss gestärkt werden

Damit Arbeitsschutzexperten und Interessenvertreter des Gesundheitsschutzes erfolgreich gegen psychische Belastungen im Betrieb aktiv werden können, müssen u. a. folgende Aspekte umgesetzt werden, so die Schlussfolgerungen der Wissenschaftler.

  • Das Fachwissen über psychosoziale Risiken und Möglichkeiten ist bei den zuständigen Experten zu verbessern.
  • Die Anforderungen des Arbeitsschutzes an eine gefährdungsvermeidende Gestaltung von Arbeit muss konkretisiert werden.
  • Der Fokus ist von der psychischen Belastung als Mess- und Beurteilungsproblem hin zur Gestaltung psychischer Belastungen zu verschieben.
  • Außerdem müssen Verfahren, Instrumente und Handlungshilfen entwickelt werden, mit denen Lösungen im jeweiligen Kontext entwickelt und umgesetzte werden können.

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