Über lange Jahre war der Betriebsarzt i. d. R. der einzige Fachberater für betriebsbezogene Gesundheitsfragen und manchmal einem betreuten Betrieb über Jahrzehnte hinweg verbunden. Die Beratungsaufgaben nach ASiG teilte er sich mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit. Dieses durchaus bewährte Modell erfährt zurzeit eine gewisse Ausweitung. Gründe dafür sind:

  • Der Beratungsbedarf in der Arbeitswelt hat sich sehr spezialisiert und verschiebt sich allgemein vom technisch-stofflichen Bereich und der Gefahr körperlicher Überbeanspruchung hin zu latenten und eher degenerativ wirkenden körperlichen sowie psychischen Belastungen einer Belegschaft, die ihrerseits vielfältiger und älter wird. Daher ist in der Beratung nicht mehr nur eine bestimmte überschaubare Anzahl von Vorsorgeuntersuchungen relevant, sondern sehr vielfältige Beratungsleistungen, die nicht alle einen rein medizinischen Hintergrund haben, sondern z. B. eher psychologische, ergonomische oder soziale Fachexpertise verlangen.
  • Wegen des grundsätzlichen Ärztemangels ist die Beschäftigungssituation für Mediziner sehr offen. In der Folge kommt es in allen Bereichen des Gesundheitswesens und auch im Segment betriebsärztlicher Beratung zu einer höheren Fluktuation. Außerdem sind auch aus demografischen Gründen aktuell weniger erfahrene Arbeitsmediziner verfügbar. In der Folge kann nicht immer davon ausgegangen werden, dass jederzeit nach Bedarf ein rundum qualifizierter und ausreichend erfahrener Betriebsarzt zur Verfügung steht, der alle o. g. Arbeitsfelder gleichermaßen befriedigend bearbeiten kann. Vielmehr wird es auf Sicht immer wieder dazu kommen, dass bestimmte arbeitsmedizinische Dienstleistungen vom Dienstleistungsmarkt nicht voll bedient werden können, weil die Kapazitäten nicht zur Verfügung stehen.
  • Parallel dazu hat sich in der Arbeitswelt ein gestiegenes Bewusstsein dafür entwickelt, dass es sich lohnt, in gesunde und leistungsfähige Mitarbeiter zu investieren, zumal Fachkräftemangel in sehr vielen Branchen ein Thema ist. Dementsprechend haben viele Ausbildungseinrichtungen ihr Angebot erweitert und versorgen den Markt mit vielen gut qualifizierten BGM- oder sonstigen Gesundheitsberatern, die den Betrieben mit vielfältigen und effektiven Dienstleistungsangeboten zur Verfügung stehen.

Die Herausforderung besteht damit darin, die Beratungsleistung, die für einen guten Stand von Sicherheit und Gesundheitsschutz im Betrieb unerlässlich ist, unter den Voraussetzungen abzubilden, die die Arbeitswelt aktuell prägen.

 
Praxis-Tipp

Nicht jedes Defizit muss einen Mangel verursachen

Das Unternehmen verfügt über einen erfahrenen Betriebsarzt – aber nur an einem Standort?

Betriebsärztliche Beratung kann auch (nicht immer, aber manchmal durchaus) am Telefon erfolgen, und was vor Ort zu tun ist, kann dann gezielt und unter Anleitung delegiert werden. Innerhalb einer ASA-Sitzung kann ein Betriebsarzt, wenn der Fahraufwand angesichts seiner Kapazitäten nicht zu leisten ist, auch auf elektronischem Wege zugeschaltet werden.

Der Betriebsarzt erledigt eine Menge an Vorsorgen ...

... kennt sich aber noch nicht genügend im deutschen Arbeitsschutzrecht aus, um alle Fragen zum Mutterschutzgesetz zu beantworten? Vielleicht kann eine erfahrene Fachkraft für Arbeitssicherheit oder ein Anruf bei der BG weiterhelfen, um die anstehenden Fragen zu klären und das, was medizinisch zu entscheiden ist, mit dem Arzt zu besprechen.

Wir würden gern mehr zur praktischen Gesundheitsförderung tun ...

... aber unser Betriebsarzt kann die Zeit dafür nicht aufbringen (... oder ist auch einfach nicht der Typ dafür)? Dann kann (ggf. unter Beratung des Betriebsarztes) z. B. im ASA überlegt werden, welche Möglichkeiten es gibt, geeignete ergänzende Berater dazuzunehmen, sei es über Unfall- oder Krankenversicherungen oder auf dem freien Markt der Gesundheitsanbieter.

 
Praxis-Beispiel

Interdisziplinäre Betreuung

Überbetriebliche Dienstleister reagieren auf den sich verändernden Bedarf in der Beratung und bieten gezielt interdisziplinäre Beratungsmodelle an. Dabei werden Beratungsleistungen bedarfsgerecht zusammengestellt, indem (konform mit den Vorgaben des ASiG) unter der Federführung von Betriebsärzten bzw. Fachkräften für Arbeitssicherheit auch andere Professionen in die Regelberatung mit eingebunden werden. Unter der Voraussetzung, dass die ergänzenden Professionen (z. B. Psychologen, Sozial- und Gesundheitsberater) geeignet qualifiziert und gezielt ausgewählt sind, sodass damit eine fachliche Verbesserung der Beratungsleistung verbunden ist, wird diese Vorgehensweise von Aufsichtsbehörden bedenkenlos akzeptiert.

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