Psychosozialer Stress stellt eine umfassende – biologische, psychische und verhaltensmäßige – Reaktion (kritisch ausgeprägte Beanspruchung) des Organismus auf einen oder mehrere Stressoren (Belastungsfaktoren) dar. Stressoren können sowohl beobachtbare als auch individuell erlebte Anforderungen, Herausforderungen oder Bedrohungen sein. Die individuelle Reaktion auf den Stressor besteht dabei in einer kognitiven, emotionalen und körperlichen Aktivierung, die dazu dient, den Stressor zu verarbeiten und zu bewältigen. Die Intensität dieser Aktivierung ist von der Qualität, Intensität und Dauer des Stressors – oder einer Kumulation von Stressoren – sowie von den verfügbaren Ressourcen der betroffenen Person abhängig. Als Ressourcen können dabei individuelle/personale Kompetenzen ebenso wie situativ zur Verfügung stehende soziale bzw. strukturelle Unterstützung wirken. Folgt auf die Aktivierung eine angemessene Erholung, bildet eine einzelne Stressepisode eine gesunde Reaktion des Organismus und kann neben der Bewältigung der akuten Belastung auch positiv zur persönlichen Weiterentwicklung, z. B. durch Lernen und Erfolgserlebnisse, beitragen. Zu häufige oder zu intensive Stressepisoden sowie chronischer Stress stellen jedoch bedeutsame (mit-)verursachende, auslösende oder aggravierende Faktoren für viele der heute sozialmedizinisch besonders relevanten kardiovaskulären, muskulo-skelettalen, immunologischen, psychosomatischen und psychischen Erkrankungen dar.[1] Insbesondere chronischer Stress gefährdet im Zusammenhang mit einer unausgeglichenen Beanspruchungs-Erholungs-Bilanz sowie einem zunehmenden gesundheitlichen Risikoverhalten als inadäquatem Bewältigungsversuch die körperliche wie psychische Gesundheit (u. a. über eine nachhaltige Schwächung des Immunsystems, eine andauernde Aktivierung des Herz-Kreislauf-Systems, erhöhte muskulo-skelettale Anspannung, reduzierte kognitive Flexibilität und emotionale Überlastung). Chronischer Stress als gesundheitlicher Risikofaktor kann durch unterschiedliche Stressoren hervorgerufen werden, wozu insbesondere Arbeitsüberlastung und Überforderung, soziale Überlastung, Leistungsdruck, überfordernder Kommunikationsbedarf, Mangel an sozialer Anerkennung, Unzufriedenheit mit der Arbeit, soziale Spannungen und soziale Isolation zählen.[2] Dabei kann Arbeit alle Arten von Tätigkeiten, wie berufliche Arbeit, Familienarbeit oder die Pflege von Angehörigen, umfassen.

Stand bei der Erforschung des Stressphänomens ab den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts ("Allgemeines Anpassungssyndrom"[3]) zunächst die Gleichförmigkeit der Reaktion auf unterschiedlichste Reize (Stressoren) im Mittelpunkt, so hat die seitherige Forschung insbesondere die Bedeutung von Schutzfaktoren (Ressourcen) für die interindividuell sehr unterschiedliche Stärke der Stressreaktion sowie der von ihr ausgehenden gesundheitlichen Folgen herausgearbeitet.[4] Wie stark bei gegebener Belastung durch einen Stressor die Stressreaktion ausfällt, hängt in hohem Maße von den zur Verfügung stehenden Ressourcen ab. Ressourcen wirken unterstützend bei der Bewältigung von Stresssituationen und können selbst aktiv gestärkt werden.[5] Ressourcen sind entweder als genetisch angelegte oder erworbene Eigenschaften in der Person selbst oder in der Umwelt verortet. Zu den internen Ressourcen zählen (neuro-)biologische Schutzfaktoren (z. B. geringere Stressreagibilität) sowie individuelle Merkmale (wie z. B. ein aktiver Coping-Stil, Selbstwirksamkeitserwartung, kognitive Flexibilität, Erleben positiver Emotionen), aber auch erlernbare Fähigkeiten wie Zeit- und Selbstmanagementtechniken.[6] Ressourcen können aber auch extern durch die Umwelt bereitgestellt werden (situative Ressourcen, u. a. soziale Unterstützung, Anerkennung, Wertschätzung und Handlungsspielraum). Bei diesen externen bzw. situativen Ressourcen ist die persönliche Kompetenz zur Wahrnehmung und zum förderlichen Einsatz ein entscheidender Faktor der Wirksamkeit.

Im Rahmen des Stress- und Ressourcenmanagements kommt es darauf an, verfügbare personale Ressourcen zu aktivieren und deren Nutzung zu verbessern sowie personale Ressourcen, die nicht wahrgenommen werden, zugänglich zu machen und zukünftige personale Ressourcen aufzubauen.[7] Bei der Förderung von internen Ressourcen kommt positiven Emotionen eine besondere Rolle zu. Positive Emotionen erweitern den Gedankenhorizont und regen dazu an, neue Verhaltensweisen auszuprobieren. Die Möglichkeiten "verbreitern" oder "erweitern" sich. Erweiterte, neue und kreative Möglichkeiten, neue Sichtweisen auf Dinge und Ereignisse zu entwickeln und mit ihnen umzugehen, fördern wiederum den nachhaltigen Aufbau von persönlichen Ressourcen.[8]

Ressourcen können nicht nur akute oder chronische Stressreaktionen dämpfen und abmildern. Der Aufbau von Ressourcen wirkt auch präventiv für zukünftige Stressereignisse. Die Stärkung von internen Ressourcen (Resilienzfaktoren) ist daher für Personen mit und ohne Stressbelastung gesundheitsförderlic...

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