Interview mit Kai Battenberg

Change Management in der Praxis: Der Weg zur torffreien Gartenerde


Nachhaltigkeit in der Praxis: Auf zur torffreien Gartenerde

Für die Gewinnung von Torf müssen Moore trockengelegt werden – ein Prozess, der nicht nur wertvolle Kohlenstoffspeicher zerstört, sondern auch die Artenvielfalt gefährdet. Die Baumarktkette toom hat daher entschieden, ihr Erdensortiment komplett torffrei zu gestalten und das Ziel 2025 erreicht. Im Interview erklärt Kai Battenberg, Head of Sustainability and Product Compliance, wie dieser Wandel umgesetzt wurde und welche Rolle Lieferanten sowie Kommunikation dabei spielten.

„Wir haben uns gefragt: Brauchen wir wirklich noch Torf?“

Herr Battenberg, warum war es für toom wichtig, das Erdensortiment vollständig auf torffreie Produkte umzustellen?

Kai Battenberg: Das Thema beschäftigt uns schon sehr lange – mich persönlich seit etwa 2015. Damals stellten wir uns die Frage: Brauchen wir wirklich noch Torf in unseren Blumenerden? Torf stammt aus trockengelegten Mooren. Durch die Trockenlegung werden zwangsläufig wertvolle Biotope zerstört, die eine wichtige Funktion als CO₂-Speicher erfüllen und Lebensraum für viele spezialisierte Arten bieten. Damit ist der Abbau von Torf schlecht fürs Klima und die Artenvielfalt. Wir kamen damals zu dem Schluss: Für Hobbyerden ist Torf eigentlich nicht notwendig! Deshalb haben wir eine Strategie entwickelt mit dem Ziel einer vollständigen Umstellung bis spätestens 2025.

Battenberg, Kai

Wer gab den Anstoß zu diesem Projekt?

Der Auftrag kam direkt aus der Geschäftsführung an den Bereich Nachhaltigkeit. Das zeigt deutlich, welchen Stellenwert dieses Thema von Anfang an hatte – auch auf höchster Ebene des Unternehmens.

Frühe Weichenstellung durch einen risikobasierten Ansatz

toom handelte damit bereits, bevor das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft seine „Torfminderungsstrategie“ veröffentlicht hat. Warum so früh?

Nachhaltigkeit ist ein zentraler Bestandteil unserer Unternehmenskultur bei toom und innerhalb der gesamten REWE Group. Wir verfolgen dabei einen risikobasierten Ansatz: Wo sehen wir in unseren Produktbereichen oder Lieferketten die größten Risiken für Mensch und Umwelt? Bei Blumenerden wurde schnell klar, dass erhebliche Herausforderungen im Klima- und Biodiversitätsschutz bestehen – bedingt durch den Einsatz von Torf. Da wir zudem große Mengen an Blumenerde verkaufen, war Handeln unumgänglich.

Warum enthalten Ihre angebotenen Topfpflanzen teilweise dennoch torfhaltige Erde?

Hier geht es langsamer voran als bei Blumenerden. Unsere Pflanzen beziehen wir direkt von Gärtnern, die sehr stark darauf angewiesen sind, dass ihre Kulturen gelingen. Daher sind sie etwas stärker in ihren gewohnten Methoden verhaftet. Aber auch hier verfolgen wir das Ziel der Torfreduktion und arbeiten gemeinsam mit unseren Lieferanten daran. Positiv ist: Immer mehr Partner erkennen darin eine Chance und treiben das Thema eigenständig voran.

Dem Institut der Deutschen Wirtschaft zufolge steigen die Preise für Gartenerden seit Jahren. Gab es vor diesem Hintergrund auch interne Bedenken gegen diese Strategie?

Unsere oberste Priorität lag immer darauf sicherzustellen, dass die Qualität stimmt. Von Beginn an war klar: Wir wollen torffrei werden – aber nur unter der Bedingung, dass unsere Produkte weiterhin qualitativ hochwertig bleiben und Kundenerwartungen erfüllen können. Über zehn Jahre hinweg testeten wir Ersatzstoffe intensiv und führten Pflanzversuche durch. Gegenwind gegen das Ziel selbst gab es nicht; jedoch hatten Spezialerden aufgrund technischer Anforderungen wie pH-Werten einen abgestuften Zeitplan zur Umstellung.

Erfolgsmodell Partnerschaft mit Lieferanten

Wie konnten Sie Ihre Lieferanten von diesem Weg überzeugen?

Unser Ansatz war völlige Transparenz. Bereits 2015 organisierten wir einen großen Lieferantentag speziell zu diesem Thema. Dort stellten wir unsere Strategie „torffrei bis 2025“ vor und luden alle relevanten Partner ein – vom Eigenmarkenhersteller bis hin zu Markenlieferanten –, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Wir wussten natürlich: Eine solche Transformation funktioniert nur partnerschaftlich. Deshalb haben wir klar kommuniziert, was unser Ziel ist und Raum für Diskussionen geschaffen, auch gerade in Bezug auf die Herausforderungen auf beiden Seiten.  Es ging darum Verständnis aufzubauen, statt Druck auszuüben. Unsere Botschaft lautete nie „Wenn ihr euch nicht anpasst, listen wir euch aus“, sondern vielmehr „Lasst uns gemeinsam schauen, wie dieser Weg gelingen kann“.

Und das lief völlig reibungslos ab?

Natürlich stieß unser Vorhaben nicht überall sofort auf Begeisterung; einige Prozesse mussten angepasst oder neue Rohstoffquellen erschlossen werden – was Zeit kostete – doch langfristig ergab sich daraus oft sogar ein Wettbewerbsvorteil. Besonders hilfreich war unsere langfristige Planungsperspektive über zehn Jahre hinweg. Sie ermöglichte allen Beteiligten schrittweise Anpassungen vorzunehmen sowie wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen zu treffen.


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