Emissionshandel, Klimazoll und Kompensation – was ist was im CO2-Markt?

Das Klima für Klimaschützende in Unternehmen ist so komplex wie noch nie: Die USA treten aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aus, bald kommt der CO₂-Zoll in der EU, und in den vergangenen Jahren gerieten freiwillige CO₂-Zertifikate immer wieder in Verruf.
Doch gerade, wer in diesem komplexen Umfeld einen kühlen Kopf bewahrt, kann sich aktuell gegenüber Kund:innen und Partner:innen so gut wie lange nicht als nachhaltiges Unternehmen positionieren.
Die Gelegenheit dafür ist günstig: Das früher häufig kritisierte Greenwashing ist vielerorts dem Greenhushing gewichen. Das bedeutet, man verschweigt positive Klimabeiträge, um Greenwashing-Vorwürfe zu vermeiden. Unternehmen können und müssen hier einen neuen Mittelweg finden. Proaktive Kommunikation regt andere Unternehmen zu mehr Klimaschutz an und ist eine Gelegenheit, sich vor allem von der außereuropäischen Konkurrenz abzuheben. Dafür ist es aber nötig, die entsprechenden Kohlenstoffmärkte und Mechanismen zu kennen, sich sicher in ihnen zu bewegen und vor allem glaubwürdig über die eigenen Bemühungen zu kommunizieren.
CBAM: Der CO₂-Zoll als neues Klimaschutzinstrument
Das jüngste und aktuell am meisten diskutierte Instrument zur Klimagasbegrenzung in der EU ist der sogenannte Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). Das Zollinstrument soll sicherstellen, dass Waren, die aus Drittstaaten in die EU importiert werden, denselben CO₂-Kosten unterliegen wie vergleichbare Produkte, die innerhalb der EU hergestellt werden. Damit will die EU verhindern, dass Unternehmen ihre Produktion in Länder mit laxeren Klimaschutzvorgaben verlagern und anschließend ihre Produkte günstiger in die EU importieren können. Im Fachjargon bezeichnet man dieses Phänomen als „Carbon Leakage“ – die Verlagerung von CO₂-intensiven Aktivitäten ins Ausland.
Die Verbindung zum EU-Emissionshandelssystem (ETS) entsteht, wenn Unternehmen in Zukunft Ausgleichszahlungen leisten müssen, weil sie Produkte importieren, die im Ausland CO₂-intensiv produziert wurden. Das importierende Unternehmen muss eine Abgabe auf die importierten Produkte zahlen, deren Preis sich am ETS-Zertifikatemarkt orientiert und die letztendlich wie ein Zoll wirkt. Steigt also der innereuropäische Preis für CO₂, erhöhen sich im gleichen Maße die Importkosten für Produkte mit Carbon Leakage.
Der Startzeitpunkt des CBAM dürfte sich allerdings noch einmal verschieben. Vor wenigen Wochen kündigte die EU-Kommission als Teil der sogenannten Omnibus-Initiative an, dass die betroffenen Unternehmen erst ab Februar 2027 unter den CBAM-Regelungen für ihre Carbon Leakage zahlen müssen. Ursprünglich geplanter Starttermin war Januar 2026. Außerdem soll die Zahl der betroffenen Unternehmen deutlich reduziert werden, um Bürokratiekosten zu sparen. Ebenfalls soll es möglich werden, bereits im Ausland gezahlte CO₂-Abgaben anrechnen zu lassen, um eine Doppelbelastung zu vermeiden.
EU-Emissionshandel: Markt mit steigendem CO₂-Preis
Das EU-Emissionshandelssystem (EU ETS) wiederum ist das älteste in der EU eingesetzte System zur Klimagasbegrenzung. Es basiert auf dem Prinzip „Cap and Trade“: Die EU legt eine Obergrenze – das sogenannte Cap – fest, das die erlaubte Gesamtmenge an Emissionen für bestimmte Industriezweige begrenzt. Unternehmen erhalten entsprechend dieser Gesamtbudgets Emissionsberechtigungen („Allowances“), die ihnen das Recht einräumen, eine bestimmte Menge an Treibhausgasen zu emittieren. Die zugeteilten Berechtigungen für die einzelnen Industriezweige sinken mit der Zeit, bis im Jahr 2050 Klimaneutralität erreicht sein soll. Wer weniger als erlaubt emittiert, kann seine Emissionsrechte gewinnbringend verkaufen; wer mehr emittiert, muss entsprechend zukaufen. Durch die sinkenden Allowances reduziert sich das Angebot an Verschmutzungsrechten immer weiter, wodurch der Preis steigt und damit der Anreiz immer größer wird, CO₂-arm zu produzieren. Durch den CBAM gilt dies künftig auch für im Ausland hergestellte Produkte.
Freiwilliger Markt mit großen Qualitätsunterschieden
Der dritte große Hebel, der auf die Klimabilanz von Unternehmen wirkt, sind freiwillige Kompensationsmaßnahmen, die in Form von Zertifikaten nachgewiesen werden. Es handelt sich hierbei nicht um die gesetzlichen Verschmutzungsrechte laut ETS, sondern um CO₂-Zertifikate, die das freiwillige Engagement von Unternehmen in eingesparten oder der Atmosphäre wieder entzogenen Tonnen CO₂ zählbar machen sollen. Freiwillige Kompensationsmaßnahmen bieten einerseits das Potenzial, den Klimabeitrag von Unternehmen sehr flexibel zu steuern und zu beeinflussen. Andererseits ist der Markt extrem fragmentiert – und die Qualitätsunterschiede entsprechend groß. Eine Anrechnung dieser CO₂-Zertifikate auf gesetzliche Vorgaben, etwa durch das EU ETS ist aktuell nicht möglich. Sie dienen deshalb eher als eigenständiges Instrument, um Projekte zu honorieren und zu finanzieren, die nachweislich Kohlendioxid aus der Luft ziehen oder neue Emissionen vermeiden – während im ETS nur Emissionsberechtigungen ausgestellt werden. Unternehmen können damit gegenüber der Öffentlichkeit ihren Willen dokumentieren, einen Klimabeitrag zu leisten.
Trotzdem können freiwillig gekaufte CO₂-Zertifikate nach wie vor einen sehr positiven Effekt für Unternehmen und Klima haben. Wichtig ist allerdings, die Qualität der dadurch unterstützten Projekte realistisch einzuschätzen und ehrlich darüber zu kommunizieren. In der Vergangenheit haben Unternehmen das häufig nicht getan. Der Grund dafür war oft, dass CO₂-Zertifikate durch die Angaben zu eingesparten oder vermiedenen Emissionen eine Vergleichbarkeit suggerieren, die in dieser Form nicht existiert.
Wer heute ein CO₂-Zertifikat kaufen möchte, wird auf verschiedenen Plattformen teilweise schon für wenige US-Dollar pro eingesparte Tonne Treibhausgas fündig. Andere Anbieter dagegen verlangen teilweise die zehnfache Summe. Insbesondere die sehr günstigen Projekte sind in den vergangenen Jahren immer weiter in Verruf geraten – das hat der gesamten Branche geschadet und den Trend zum Greenhushing überhaupt erst ausgelöst.
Vom „CO₂-Ausgleich“ zum Klimabeitrag
Die Lösung: Zunächst sollten Unternehmen sich vom Begriff „CO₂-Kompensation“ und der reinen Berechnung in Tonnen verabschieden. Stattdessen sollten sie über einen „Klimabeitrag“ sprechen. Dieser Klimabeitrag sollte in Projekte fließen, die nicht nur CO₂-Emissionen reduzieren, sondern auch einen positiven Beitrag zur Biodiversität und zur Gesellschaftsentwicklung in den Regionen leisten, wo sie angesiedelt sind. Der freiwillige CO₂-Markt bietet längst Gelegenheiten, beides zu verbinden – etwa durch Renaturierungsprojekte, die auch CO₂-Zertifikate ausstellen.
Sind diese Projekte sinnvoll aufgesetzt und werden zusammen mit der lokalen Bevölkerung vor Ort entwickelt, reduziert das die Gefahr erheblich, dass ihre Effekte übertrieben dargestellt werden, sie in Zukunft einer geänderten politischen Stimmung oder dem Widerstand der Bevölkerung zum Opfer fallen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, CO₂-Bindungsprojekte nicht nur finanziell zu versichern, sondern so gegen Ausfall abzusichern, dass ausgefallene CO₂-Zertifikate nicht einfach durch Geld, sondern durch gleichwertige Kompensationsmaßnahmen ersetzt werden.
Die Zukunft des CO₂-Marktes: Kombination aus freiwilligen und regulatorischen Maßnahmen
In Zukunft soll es außerdem zu größeren Wechselwirkungen zwischen gesetzlichem und freiwilligem CO₂-Markt kommen, etwa indem einzelne Mitgliedstaaten oder die EU-Kommission überlegen, wie sich die in CO₂-Zertifikaten verbrieften „Negativemissionen“ in ihr umfassendes Klimaschutzkonzept einbinden lassen. Die grundsätzliche Idee besteht darin, dass Unternehmen oder Organisationen, die Kohlendioxid entfernen, diese Kompensation auf ihre gesetzlichen Klimavorgaben anrechnen dürfen, ohne die oft streng reglementierten ETS-Emissionsrechte aufstocken zu müssen. Voraussetzung dafür ist aber eine strenge Qualitätskontrolle der anrechenbaren Zertifikate. So würden parallel zum klassischen Emissionshandel neue Anreize entstehen, aktiv Treibhausgabe aus der Atmosphäre zu binden.
Wie eine Kombination aus staatlichem und freiwilligem Emissionshandel aussehen könnte, zeigt zum Beispiel Australien. Dort verfolgt die Regierung seit einigen Jahren einen kombinierten Ansatz. Projekte, die zertifizierte Emissionsminderungen oder -entfernungen erzielen, können diese in Form sogenannter „Australian Carbon Credit Units“ (ACCUs) verkaufen. Diese ACCUs sind handelbar und können von Unternehmen entweder zur freiwilligen Kompensation ihrer Emissionen genutzt werden oder – sofern sie unter den sogenannten „Safeguard Mechanism“ fallen – zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Auflagen.
Der Safeguard Mechanism wiederum legt für große Emittenten Obergrenzen (Baselines) fest, ähnlich wie das ETS in der EU. Wird eine Grenze überschritten, können Firmen ACCUs kaufen und damit ähnlich wie in Europa ihre Verschmutzungsrechte erweitern. Damit ist eine gewisse Durchlässigkeit zwischen freiwilligem Markt und staatlichem Kontrollinstrument gegeben: Ein und derselbe ACCU kann prinzipiell sowohl auf dem freiwilligen Markt verwendet als auch von Unternehmen unter dem Safeguard Mechanism zur Einhaltung ihrer Baseline-Nachweise eingekauft werden. Dabei überwacht die Behörde „Clean Energy Regulator“, ob die Maßnahmen tatsächlich umgesetzt und die Emissionsminderungen korrekt erfasst werden.
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