Earth Overshoot Day

Warum entwaldungsfreie Lieferketten heute wichtiger sind denn je


Earth Overshoot Day entwaldungsfreie Lieferketten

Die globale Entwaldung ist ein wesentlicher Treiber für den Verlust des ökologischen Gleichgewichts. Dieser Gastbeitrag beleuchtet, wie die EU mit der Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) auf das Problem reagiert und wie Unternehmen mithilfe moderner Technologien, transparenter Lieferketten und kooperativer Ansätze aktiv zur Lösung beitragen können.

Wenn das ökologische Konto ins Minus rutscht

Der 24. Juli 2025 markiert den diesjährigen Earth Overshoot Day – den Tag, an dem die Menschheit mehr natürliche Ressourcen und Ökosystemleistungen verbraucht hat, als die Erde im gesamten Jahr regenerieren kann. Dieses symbolische Datum beruht auf zwei zentralen Messgrößen:

  • Biokapazität der Erde: Die regenerative Kapazität von Ökosystemen, Biomasse nachhaltig zu erneuern.
  • Ökologischer Fußabdruck: Die Fläche an biologisch produktivem Land und Meer, die benötigt wird, um Ressourcen wie Nahrung und Holz bereitzustellen und Abfallprodukte wie CO₂ aufzunehmen.

Der Earth Overshoot Day wird berechnet, indem diese beiden Parameter miteinander ins Verhältnis gesetzt werden:

Earth Overshoot Day = (Biokapazität der Erde / Ökologischer Fußabdruck der Menschheit) × 365

Die Berechnung basiert auf Daten der Vereinten Nationen, insbesondere der Food and Agriculture Organization (FAO), sowie wissenschaftlichen Studien und Hochrechnungen.

Earth Overshoot Day 2025

Im Jahr 2025 benötigt die Menschheit Ressourcen und Dienstleistungen von der Natur, für deren Erneuerung 21,7 Milliarden Hektar erforderlich wären. Tatsächlich stehen jedoch nur 12,2 Milliarden Hektar an biologisch produktiver Fläche zur Verfügung. Das bedeutet: Wir verbrauchen in etwa das 1,8-fache dessen, was die Biosphäre jährlich erneuern kann.

Der Earth Overshoot Day rückt nahezu jedes Jahr weiter nach vorne und macht so das wachsende Ungleichgewicht zwischen Ressourcenverbrauch und natürlicher Regenerationsfähigkeit sichtbar.

Unter den zahlreichen Ursachen für diese Entwicklung sticht ein Faktor besonders hervor: die globale Entwaldung.

Wälder als Fundament des ökologischen Gleichgewichts

Wälder sind weit mehr als Holzlieferanten oder Lebensraum für Wildtiere. Sie zählen zu den bedeutendsten Biodiversitäts-Hotspots – vornehmlich in den Tropen und Subtropen – und sind essenzielle Kohlenstoffsenken. Darüber hinaus erbringen Wälder eine Vielzahl an Ökosystemdienstleistungen, die für das Leben auf der Erde unverzichtbar sind, darunter:

  • Klimaregulierung
  • Luftreinhaltung
  • Bodenbildung und -erhalt
  • Regulierung des Wasserkreislaufs
  • Hochwasserschutz
  • Aufrechterhaltung von Nährstoffkreisläufen
  • Photosynthese und Sauerstoffproduktion

Trotz ihrer herausragenden Bedeutung stehen Wälder unter wachsendem Druck – durch industrielle Landwirtschaft, Viehzucht, Infrastrukturentwicklung, Rohstoffabbau und vom Menschen verursachte Waldbrände.

Laut dem World Resources Institute (WRI) gingen im Jahr 2024 allein in den Tropen rund 6,7 Millionen Hektar ursprünglichen Regenwaldes verloren – eine Fläche fast so groß wie Panama. Das entspricht dem Verlust von 18 Fußballfeldern Tropenwald pro Minute. Die Folge: 3,1 Milliarden Tonnen Treibhausgasemissionen, eine deutlich verringerte Kapazität zur Kohlenstoffspeicherung und zunehmende ökologische Instabilität.

EUDR: So reagiert die EU auf die weltweite Entwaldung

Der Konsum in der Europäischen Union (EU) ist schätzungsweise für 10 Prozent der weltweiten Entwaldung verantwortlich – vor allem durch den Import von Palmöl und Soja sowie Holz, Kakao, Kaffee und Kautschuk. Das bedeutet: Die EU trägt direkt zur Entwaldung und zur Schädigung von Wäldern in anderen Teilen der Welt bei.

Um dem entgegenzuwirken, hat die EU die Entwaldungsverordnung (EUDR) auf den Weg gebracht. Ab dem 30. Dezember 2025 müssen Großunternehmen und ab dem 30. Juni 2026 auch KMU nachweisen, dass bestimmte Waren nicht mit Entwaldung oder Waldschädigung in den Herkunftsländern in Verbindung stehen. Die Verordnung gilt sowohl für Rohstoffe als auch für daraus hergestellte Erzeugnisse, darunter Ölpalmen und Palmöl, Soja und Sojaprodukte, Kakao und Schokolade, Holz, Papier, Möbel, Rindfleisch, Leder, Kaffee und Kautschuk.

Außerdem müssen Unternehmen sicherstellen, dass die Güter unter Einhaltung lokaler Gesetze produziert und die Rechte indigener Völker geachtet werden. Für Produkte aus Ländern mit geringem Risiko gilt eine vereinfachte Sorgfaltspflicht. Bei Verstößen drohen Geldbußen von bis zu 4 Prozent des gesamten Jahresumsatzes in der EU. Nicht-konforme Waren dürfen zudem nicht mehr auf dem EU-Markt angeboten werden.

Die Ziele, die die EU mit der Entwaldungsverordnung verfolgt, sind klar: die Reduzierung von CO₂-Emissionen durch Entwaldung und Waldschädigung, der Schutz von Ökosystemen und Biodiversität sowie die Förderung nachhaltiger Produktion und Rückverfolgbarkeit in Lieferketten.

So ambitioniert die EUDR ist, die Umsetzung bleibt komplex. Um die Anforderungen zu erfüllen, müssen Unternehmen:

  • Rohstoffe mithilfe präziser Geodaten bis zum Ursprung zurückverfolgen
  • Daten über mehrere Lieferkettenstufen hinweg erfassen und verifizieren – nicht nur von direkten Lieferanten
  • Risikoanalysen in Bezug auf Entwaldung und Menschenrechtsverletzungen durchführen
  • Gegenmaßnahmen für risikobehaftete Produkte bzw. Regionen umsetzen

All dies erfordert ein hohes Maß an Transparenz, eine belastbare Datengrundlage und eine enge Zusammenarbeit mit Lieferanten.

Drei zentrale Stellschrauben für entwaldungsfreie Lieferketten

Der Earth Overshoot Day macht das zunehmende Ungleichgewicht zwischen Ressourcenverbrauch und der Regenerationsfähigkeit der Ökosysteme deutlich – und zeigt zugleich auf, wo wir gezielt gegensteuern können.

1. Geschäftsmodelle neu ausrichten – Nachhaltigkeit ins Zentrum rücken

Die aktuellen Entwicklungen verdeutlichen die Dringlichkeit, traditionelle Geschäftsmodelle zu hinterfragen, Strategien neu zu denken und Nachhaltigkeit als zentralen Bestandteil unternehmerischen Handelns zu verankern.

Unternehmen können verantwortungsvolle Praktiken fördern, indem sie:

  • Richtlinien, KPIs und Strategien konsequent auf nachhaltige Wertschöpfung ausrichten
  • Ansätze der Kreislaufwirtschaft priorisieren, um den Druck auf die Natur und Emissionen zu reduzieren
  • Produkte mit verstärktem Fokus auf Langlebigkeit, Wiederverwendung, Reparaturfähigkeit und biologische Abbaubarkeit gestalten
  • Agroforstwirtschaft und klimaresiliente Landwirtschaft unterstützen
  • In Renaturierung und Wiederaufforstung investieren

Unternehmen sollten Nachhaltigkeit nicht nur als Reaktion auf Risiken betrachten, sondern sie vielmehr proaktiv verfolgen und dabei als abteilungsübergreifendes Querschnittsthema verstehen.

2. Transparente Lieferketten als Schlüssel zur Entwaldungsvermeidung

Lieferketten zählen zu den wirkungsvollsten Hebeln im Kampf gegen Entwaldung. Durch Investitionen in moderne Technologien, zuverlässige Daten und strategische Lieferantenbeziehungen auf Augenhöhe können Unternehmen über reine Compliance hinausgehen.

Zentrale Maßnahmen umfassen:

  • Detaillierte Geodatenanalysen zur Rückverfolgung von Rohstoffen bis auf Parzellenebene
  • Echtzeit-Risikoerkennung durch KI-gestützte Überwachung
  • Austausch risikobehafteter Lieferanten oder Unterstützung bei der Verbesserung der Landnutzungspraktiken
  • Verankerung von Waldschutz als Priorität in Beschaffungs- und Einkaufsstrategien

Wenn Unternehmen Transparenz in der Lieferkette als strategischen Vorteil begreifen, können sie nicht nur Risiken reduzieren, sondern einen aktiven Beitrag zum Schutz der Wälder leisten.

3. Kooperation als Treiber für systemischen Wandel

Wie bei den meisten Nachhaltigkeitsherausforderungen gilt auch hier: Kein Unternehmen kann die Entwaldung im Alleingang stoppen. Relevante Fortschritte lassen sich vor allem durch gezielte Zusammenarbeit über Branchen, Regionen und gesamte Wertschöpfungsketten hinweg erzielen.

Unternehmen können die Wirkung ihrer Maßnahmen verstärken, indem sie:

  • Branchenspezifischen Initiativen beitreten, um Standards zu harmonisieren und Daten zu teilen
  • Lieferanten als strategische Partner auf dem Weg zu nachhaltigeren Geschäftsmodellen betrachten, nicht nur als Erfüllungsgehilfen
  • Schulungs- und Qualifizierungsprogramme für Lieferanten etablieren
  • In Multi-Stakeholder-Allianzen mitwirken, um die Transparenz jenseits von Tier 1 zu verbessern
  • Mit lokalen Gemeinschaften und indigenen Bevölkerungen kooperieren, um Lösungen an die lokalen Gegebenheiten anzupassen

Eine starke Kooperation auf sämtlichen Ebenen führt zu einer besseren Abstimmung unter allen Beteiligten und letztlich zu wirksameren, dauerhaften Ergebnissen.

Nachhaltigkeit strategisch umsetzen

Der Earth Overshoot Day ist ein Aufruf zum Handeln. Viele Lösungen existieren bereits: Rückverfolgbare, entwaldungsfreie Lieferketten, kreislauforientiertes Produktdesign und verantwortungsvolle Beschaffungspraktiken zeigen auf, was möglich ist. Die Initiative „ The Power of Possibility“ hat beispielsweise konkrete Best Practices gesammelt, die in verschiedenen Themenbereichen und Branchen angewendet werden können.

Indem Unternehmen funktionierende Ansätze skalieren und fest in ihren Strategien verankern, leisten sie einen Beitrag dazu, nicht nur die Symptome, sondern auch die Ursachen des intensiven Ressourcenverbrauchs zu bekämpfen – und den Earth Overshoot Day Schritt für Schritt nach hinten zu verschieben.


Schlagworte zum Thema:  Nachhaltigkeitsmanagement , Biodiversität
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