Der grüne Traum: Next Generation der Öko-Hotellerie

Das Hotel Luise in Erlangen zählt zu den Pionieren für Umwelt- und Klimaschutz. Seit 2010 bietet es klimaneutrale Übernachtungen und ist damit das erste Hotel in Franken und eines der ersten Hotels in Deutschland, die mit dem CO₂-Fußabdruck zertifiziert wurden. Seit 2015 ist das Hotel sogar „klimapositiv“ zertifiziert. 2023 kam das „EU-Ecolabel“ hinzu. Wer hier übernachtet, verursacht 58,6 Prozent weniger Treibhausgasemissionen als in anderen Hotels. Das Beispiel dient zugleich als Anregung, wie Hotels konkrete Ansätze erarbeiten und ihre Kreisläufe weiterentwickeln können, um Ressourcen zu schonen und gleichzeitig soziale Verantwortung zu übernehmen. Benjamin Förtsch, Inhaber und Geschäftsführer des Hotels Luise, möchte Menschen ermöglichen, das Thema Nachhaltigkeit hier zu „entdecken wie bei einer Schatzsuche. Aber ohne erhobenen Zeigefinger.“
Denken in Generationen
Im Alter von 25 Jahren übernahm Benjamin Förtsch, Jahrgang 1988, 2014 die operative Geschäftsführung des Hotels Luise. Dieses gilt als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit in Deutschland. Eigentlich wollte er nach einem BWL-Studium mit Schwerpunkt Wirtschaftspsychologie, Event- und Kulturmanagement und internationalen Stationen wie Malaysia und Oxford noch weiter die Welt erkunden. Doch dann erkrankte sein Vater, und er übernahm Verantwortung für das Hotel. Mit dem Generationenwechsel ging auch seine Mutter in den Ruhestand. Kurz nach der Übernahme stieß Förtsch das Konzept der nachwachsenden Hotelzimmer an, um das Hotel nachhaltig weiterzuentwickeln. Er wollte sein eigenes Flair hineinbringen und sich „nicht nur ins gemachte Nest setzen.“
Pioniere der Öko-Hotellerie
Das 1956 eröffnete Hotel wird inzwischen in dritter Generation innerhalb der Familie Förtsch geführt. Es ist in Erlangen fest verwurzelt und hat seine historischen Anfänge bei Benjamins Urgroßvater, der bereits 1920 das Gasthaus „Roter Ochse“ führte. 30 Jahre führten Klaus und Gudrun Förtsch das Hotel. Klaus Förtsch, der im Dezember 2018 starb, wurde früher von den Medien als „Grüner Spinner“ belächelt. Mit dem hoteleigenen Elektromobil holte er 1993 seinen Sohn Ben vom Kindergarten ab. Mit seinem Engagement gegen Einwegverpackungen und Plastikmüll und Investitionen in Solarenergie, Regenwassernutzung und Wärmedämmung war er damals seiner Zeit weit voraus. Seit 1991 wird das Engagement des „Naturhotels in der Stadt“ im Bereich „Umweltbewusster Hotel- und Gaststättenbetrieb“ regelmäßig mit der Goldmedaille der Bayerischen Ministerien für Wirtschaft und Umwelt ausgezeichnet. Das Hotel ist Mitglied bei Viabono, der deutschen Dachmarke für umweltfreundliches Reisen, und Gastgeberhotel in der Initiative „Klima-Hotels“. Seit 1997 engagierte sich Klaus Förtsch als „Umweltpaktteilnehmer der ersten Stunde“ im „Umweltpakt Bayern“ für Klima- und Umweltschutz. Als erstes Hotel in ganz Bayern wurde 1998 das Hotel Luise durch das EG-Ökoaudit validiert. Bis heute folgen weitere Preise und Würdigungen für Klimaschutz.
Seine CO₂-Emissionen berechnet das Hotel nach dem Corporate Value Chain (Scope 3) Standard des internationalen Rahmenwerks Greenhouse Gas Protocol. Fast jedes Detail wird hier auf seinen CO₂-Ausstoß hin überprüft und fließt in die Gesamtrechnung ein. Damit alles vollständig abgedeckt ist, schlägt Viabono auf die Gesamtsumme noch einen Risikozuschlag von 20 Prozent auf. Diesen Fußabdruck kompensiert das Hotel durch Zahlungen an ein Wiederaufforstungsprojekt in Panama. Dabei wird um zehn Prozent überkompensiert, was zu einem klimapositiven Fußabdruck führt.
Nachhaltigkeit braucht auch überzeugendes Marketing
Marketing faszinierte Ben Förtsch schon immer. Seine Eltern waren zwar „Nachhaltigkeits-, aber keine Marketingprofis“. Sein Anspruch ist, „dass ein überzeugendes ökologisches Angebot ganzheitlich gedacht sein muss – nicht nur in Bezug auf wirtschaftliche und soziale Aspekte, sondern auch bei Verpackung und Vertrieb.“ Nachhaltigkeit hat für ihn nichts mit Verzicht zu tun. Das soll im Hotel auch beispielhaft erlebt werden können: „Rundum nachhaltig wirtschaften und dennoch den gewohnten Lebensstil halten. Wenn uns das nicht gelingt, erreichen wir die breite Masse nicht“, sagt er. Zu den prägenden Erfahrungen von Ben Förtsch gehören auch die Besuche mit seiner Oma im Reformhaus, wo er die traditionelle Öko-Welt erlebte: „Viel guter Inhalt, aber keine ansprechende Verpackung.“ Das Marketing seiner persönlichen Philosophie soll dafür genutzt werden, auch anderen zu beweisen, dass es sich bei seinem Unternehmenskonzept um ein erfolgreiches Zukunftsmodell handelt. So sollen auch Partner animiert werden, abseits der Standardwege zu arbeiten und sich mit ökologischen Materialien und Bauweisen auseinanderzusetzen.
Ben Förtsch sammelte bereits nach seinen Studienabschlüssen als Trainee internationale Erfahrung im Öko-Hotelmanagement. Seine Erfahrungen in der Umsetzung der „Go Green“-Aktivitäten im Öko-Resort inspirierten und bestärkten ihn darin, sein Öko-Engagement auf lokaler Ebene konsequent weiterzuführen. Auch wenn Förtsch als kleiner Mittelständler mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert ist (z.B. geringes Budget für Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen, Fachkräftemangel etc.), so lässt er sich von seinem Ziel nicht abbringen. Er sieht das Hotel Luise auf einem stetigen Weg der Optimierung. Mit einem Aktionsplan für die nächsten Jahre sollen nachhaltige Projekte umgesetzt werden. Und er ist sich stets bewusst: „Wenn man die Welt verändern will, muss man erst mal sich selbst verändern.“
Klimapositivität, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft: Neue Maßstäbe in der Hotellerie
Für Ben Förtsch gehört Nachhaltigkeit zum Kerngeschäft. Die Zufriedenheit der Gäste begründet der Hotelier mit seinem breiten Nachhaltigkeitsansatz - vom Frühstück bis zur Einrichtung: Beim Hotelfrühstück fällt nach dem „Zero-Waste“-Prinzip möglichst wenig Abfall an (keine Plastikverpackung steht auf dem Büfett, dafür Bio- und fair gehandelte Produkte). Der Honig stammt von hoteleigenen Bienenstöcken.
Zur Ausstattung des Hotels gehören holzschonende Decken aus Stroh, die auf formaldehydhaltigen Kleber verzichten. In den „nachwachsenden“ Zimmern sind „Astronautenduschen“ eingebaut, die 90 Prozent Wasser und 80 Prozent Energie gegenüber herkömmlichen Duschen einsparen. Das Hoteldesign ist geprägt von der Natur und seinen Erfahrungen als Fotokünstler. Die Zimmerschlüsselkarte ist aus Holz, die Arbeitskleidung der Beschäftigten aus fairer Produktion und viele Objekte wie Blumentöpfe und Teppiche aus recyceltem Material. Es gibt einen eigenen Biotopgarten und einen bepflanzten Dachgarten. Zu den nachhaltigen Innovationen gehört ein eigener Mikrowald. All das verstärkt auch die Nachfrage nach Tagungen, die nachhaltigen Anforderungen entsprechen. „Emissionen, Abfallproduktion und der Einsatz von Wegwerfartikeln wird so niedrig wie möglich gehalten“, sagt Förtsch. Hier wird selbst recycelt und nur mit Mehrwegverpackungen gearbeitet. Aussortierte Möbel oder Wäsche wird an Sozialprojekte weitergegeben. Ökologie und Soziales sind eng miteinander verbunden. Dazu gehören auch faire Beziehungen zur Belegschaft, die zu 100 Prozent fest angestellt ist und sich an der Charta der Vielfalt orientiert. Von einigen Mitarbeitenden waren bereits die Eltern im Hotel Luise angestellt.
Alle bestehenden Maßnahmen werden stetig hinterfragt und um neue Ansätze ergänzt. Der Hotelier Ben Förtsch möchte das Kreislaufprinzip weiter ausbauen und „Luise“ zu einem „zirkulären Hotel“ machen: Jeder Aspekt des Hotels ist darauf ausgelegt, Ressourcen intelligent und nachhaltig zu nutzen. Dazu wurden bereits mehrere kleine und große Projekte umgesetzt: nachwachsende Hotelzimmer, die vollständig auf dem Cradle-to-Cradle-Konzept beruhen, Tische aus recycelten Kühlschränken, Cradle-to-Cradle Trinkbecher, eigene Upcycling- und Recyclingprojekte, der Lebensmittelautomat „Margalädla“ mit Produkten von regionalen Herstellern sowie eine „Zero-Waste-Philosophie“ in der Küche.
Wall of Change
Die Wall of Change ist ein einzigartiges Kommunikationsprojekt, um nachhaltigen Tourismus und Hotellerie weiter voranzubringen: Laubblattförmige Holzblättchen zeigen die etwa 270 kleinen und großen Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit, die das Haus bereits umgesetzt hat: Dazu gehören Milchkooperationen, hoteleigene Leihfahrräder, eigener Honig oder passive Kühlung der Räume. In der Vergangenheit hatte das Hotel zuerst eine Liste und dann eine Mindmap, um die Projekte darzustellen. Da dies zu sachlich und unemotional war, entstand die Idee der Wall of Change. Durch einen kurzen Text, der einen Link enthält, wird auf die digitale Wall of Change aufmerksam gemacht, auf der weitere Informationen zu finden sind. Die Wand vor Ort gilt als emotionaler „Entry Point“, der das Interesse wecken soll, um dann die digitale Wall of Change zu besuchen. Für dieses Gesamtkonzept wurde das Hotel mit dem deutschen Tourismuspreis ausgezeichnet.
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