Nachhaltigkeitsinnovationen durch gute Methoden fördern - so gelingt es
Dieser Artikel ist ein Ausschnitt aus dem Buch „(Quer-) Einstieg ins Nachhaltigkeitsmanagement“, das 2024 bei Haufe erschienen ist. Hier geht es zum Buch. |
Aufgewachsen inmitten eines Baugebiets, waren meine Freunde und ich immer damit beschäftigt, Lager zu bauen, die uns unsichtbar machen sollten. Ob mitten in einer Brombeerhecke, in luftiger Höhe im Innern eines Bauschilds (das zu drei Seiten Schautafeln zeigte) oder inmitten ineinander verflochtener Pflanzen – wir waren sehr kreativ darin, alles zu verwenden, was wir in unserer Umgebung vorfanden. Trotzdem sind nur wenige von uns in typischen Kreativberufen gelandet.
Kann diese kindliche Kreativität im Laufe des Lebens verloren gehen? Gibt es Möglichkeiten, sie zurückzuholen? Ich bin überzeugt davon, dass mit den richtigen Methoden alle kreativ sein können! Wir brauchen diese Kreativität, wenn wir unsere Wirtschaft zukunftsfähig machen wollen. Und wir müssen schnell damit vorankommen.
Ich war in unzähligen Innovationsprojekten zu nachhaltigeren Produkten, Services oder Methoden. Mal als Teilnehmerin, mal als Projektleiterin, mal als Workshopmoderatorin. Manche der Konzepte für diese Projekte haben sehr gut funktioniert, andere nicht. Es gab stundenlange Diskussionen, die zum Aus eines Projekts führten: »Das haben wir schon mal probiert, das funktioniert nicht«, aber es gab auch Kurzprojekte, die bei allen Teilnehmenden eine enorme Begeisterung auslösten und auf die dann Taten und Marktumsetzung folgten.
Um ehrlich zu sein, Nachhaltigkeitsinnovationsprojekte unterscheiden sich von »normalen« Innovationsprojekten hauptsächlich durch die Fragestellungen, die Bewertungskriterien und dadurch, dass auch Nachhaltigkeitsexpertise im Team vorhanden sein muss.
Für mich gibt es fünf Grundsätze, die es wahrscheinlicher machen, dass ein Innovationsprojekt Erfolg – auch für die Nachhaltigkeit – hat:
Der Gute Laune Faktor
Und hier sind wir wieder beim »Lager-Bau« aus der Kindheit. Wenn uns etwas Spaß macht, sind wir kreativer, produktiver, kooperativer und erfolgreicher.
Es ist sicherlich eine Kunst, den kindlichen Spaßfaktor in Innovationsprojekten von Anfang bis Ende aufrechtzuerhalten. Spielerische Elemente lassen sich beispielsweise jedoch sehr gut in Workshops integrieren und ein durchgeplanter Workshop mit einem schnellen Tempo lässt selten Langeweile aufkommen. Ebenso ist es sinnvoll, stets zu versuchen, während des Projektverlaufs eine positive Grundeinstellung bei den Beteiligten hervorzurufen, die Formulierungen von Fragestellungen und Zielen sind hierbei sehr wichtig.
Tipp: Oft werden Nachhaltigkeitsprojekte begonnen, indem Probleme des Markts oder des Unternehmens erfasst werden. Das ist auch gut so. Für die kreative Weiterarbeit kann es dann aber sinnvoll sein, diese Probleme in positive Aufgaben umzuformulieren (Aus »Unser Produkt A hat einen zu großen CO₂-Fußabdruck!« wird »Was können wir tun, um den Fußabdruck von Produkt A zu verringern?«). |
Ein diverses Team
Was kommt heraus, wenn man eine Gruppe von »Fach-Nerds« eine Kunden-Innovation kreieren lässt? Vielleicht eine echte Innovation, vielleicht aber auch gar nichts. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine echte Innovation herauskommt, steigt jedenfalls, je vielfältiger das Team aufgestellt ist. Wenn sich Leute aus dem Marketing, Leute mit Kundenkontakt, technisch Versierte, das Management und weitere relevante Talente zusammentun, führt diese Vielfalt der Ansichten, Erfahrungen und Arbeitsweisen meist zu deutlich besseren Ergebnissen. Um gemeinsam, kreativ und erfolgreich arbeiten zu können, sollte man versuchen, jegliches Hierarchiedenken aus der Diskussion zu entfernen, auch wenn Führungskräfte teilnehmen.
Tipp: Das Team sollte nicht nur fachlich divers aufgestellt sein, es kann auch sinnvoll sein, sich über die Beteiligung von unterschiedlichen Persönlichkeiten Gedanken zu machen – die meisten Projekte profitieren davon (die Visionärin, der Skeptiker, die Macherin, der Entscheider…). |
Die Mischung der Arbeitsweisen
Die meisten von uns haben schon mal an einem Brainstorming teilgenommen, bei dem immer die gleichen Leute redeten und die Ideen der Lautesten oder Ranghöchsten festgehalten wurden. Viele Beteiligte kamen schlicht nicht zu Wort, auch wenn sie tolle Ideen gehabt hätten.
Um Innovationen voranzutreiben, ist es diesbezüglich sinnvoll, verschiedene Arbeitsweisen zu integrieren. Manche ziehen ihre Energie aus der stillen Arbeit, andere brauchend unbedingt den Austausch mit anderen. Indem wir zwischen diesen Modi wechseln, können alle den bestmöglichen Input leisten. Wenn sich im Laufe des Projekts immer wieder Phasen der Einzelarbeit mit inspirierenden Gruppendiskussionen abwechseln und alle einbezogen und gehört werden, kann die Gruppe als Ganzes schnell vorankommen. Gleichzeitig wird es nicht langweilig, aber auch nicht zu hektisch. Kreative Prozesse liefern schnell viele Ergebnisse, ebben aber auch schneller ab, wenn ein kritischer Zeitpunkt überschritten wird. Hier braucht es eine Änderung des Set-ups, Stimulus etc.
Prototypen, Geschwindigkeit und Feedback
Banden-Lager theoretisch zu planen, hätte wenig Spaß gemacht, und wir hätten die meisten guten Lösungen ohne das Ausprobieren von unzähligen verbesserungsfähigen Lösungen nie gefunden.
Bei Innovationen halte ich den Spruch »If you fail, fail fast!« für zielführend. Manche Dinge müssen ausprobiert werden und Innovationsideen profitieren enorm vom Feedback des Zielpublikums. Zum Beispiel können Design Sprints schnell zu neuen Lösungen einschließlich Feedbacks bei dafür offenen Unternehmen führen, bei anderen Firmen sind Versuchsreihen zielführender.
Auch wenn die Ausgestaltung des Projekts je nach Branche oder Projekt sehr unterschiedlich sein kann, ist der Fokus auf den Zielmarkt essenziell und sollte auch immer wieder überprüft werden (z. B. durch Interviews oder Testpersonen).
Tipp: Ein Thema, das sich immer wieder zeigt, ist, dass sehr langfristig angelegte Projekte über die Zeit an Impulsen, Begeisterung und Kreativität verlieren können. Insbesondere der Ideengenerierungsprozess profitiert von einem Zeitlimit. |
Die Konzeptionierung von Innovation
Wir alle kennen wahrscheinlich die Trägheit von Workshops, die last minute ohne wirkliches Konzept organisiert wurden. Ich habe im Rahmen eines großangelegten Multi-Stakeholder-Workshops mit einem Team von Workshop-Consultants zusammengearbeitet, die die 50-10-40 Regel propagierten, das heißt, 50 Prozent der Zeit fließt in die Vorbereitung des Events, lediglich 10 Prozent in die Durchführung und 40 Prozent in die Nachbereitung. Von den Workshop-Profis habe ich außerdem gelernt, wie wichtig es ist, den Workshop sehr genau durchzuplanen. Ich habe mir angewöhnt, eine minutengenaue Planung zu erstellen und diese auch so durchzuziehen, möglichst, ohne dass dem Team auffällt, wie genau alles geplant ist.
Aus meiner Erfahrung ist ein gutes Projekt- und Stakeholdermanagement extrem wichtig; alle wollen abgeholt, eingebunden und informiert werden. Zudem ist es aber auch wichtig, zügig voranzukommen, um nicht auf der Strecke an Motivation zu verlieren.
Tipp: Die Moderation von Workshops ist so essenziell für den Erfolg der Projekte, dass es sich meist lohnt, jemanden speziell für diese Aufgabe abzuordnen oder sogar Profis hinzuzuziehen. |
Dass Innovationen, die aus sogenannten »Pain Points« entstehen, oft erfolgreicher sind als Innovationen, die lediglich bestehende Produkte verbessern wollen, ohne dabei auf die wirklichen Probleme der Kundschaft einzugehen, ist wahrscheinlich nachvollziehbar. Aber wie findet man diese Probleme und wie kommt man dabei zu guten Ideen? Wie verfeinert man dann diese Ideen und baut daraus echte Lösungen? Und wie gelangen diese Lösungen zurück an die Kundschaft?
Ob große oder kleine Projekte, meist folgen sie einem ähnlichen Muster, das in der folgenden Grafik dargestellt wird:
Exemplarisch können wir diesen Prozess anhand meiner Kindheits-Bauinnovationen durchgehen: Wir kamen vom Problem, dass »unsere Eltern nerven« (Sammlung) zur umformulierten Aufgabe »Was können wir tun, damit unsere Eltern uns nicht so leicht finden« (Auswahl) zu vielen Ideen, aus denen wir den »unsichtbaren Lager-Bau« auswählten (Ideenauswahl) und in viele Prototypen umsetzten (Umsetzungsplan). Feedback bekamen wir automatisch, je nachdem ob wir gefunden wurden. Und dann hieß es entweder feiern oder Bau-Innovation verbessern.
Take-aways
Hier meine wichtigsten Take-aways bei der Organisation von Innovationsprojekten und den dazugehörigen Workshops:
- Teamgröße: Das Team sollte nicht zu groß und nicht zu klein sein, es sollte mindestens eine Person im Team sein, die Entscheidungen für die Firma treffen kann und will. Ideal sind zwischen 3 und 10 Personen, wobei für Einzelaufgaben kleinere Unter-Teams sinnvoll sind.
- Vorbereitung: Insbesondere zu Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen sollte viel Vorarbeit geleistet werden.
- Zeitlimit: Zu viel Zeit schadet dem Projekt (!)
- Kreativität: Die Ideengenerierung funktioniert am besten, wenn alle gleichzeitig, aber für sich arbeiten – ohne Ablenkung und in einem kreativen Rahmen.
- Vor-Ort-Workshops: Workshops haben die höchste Erfolgsquote, wenn sie in Persona stattfinden, für Online-Workshops ist der Aufwand der Vorbereitung wesentlich höher und die Gefahr, Leute an Ablenkungen zu verlieren, auch.
- Planung: Zur guten Laune bei Workshops gehört allerdings auch etwas ganz Banales, nämlich für ausreichend Essen (am besten gesund und leicht), Getränke, Koffein und auch Pausen zu sorgen. Frische Luft und körperliche Aktivität sind erwiesenermaßen Kreativ-Booster.
- Iterationen: Die Rückkopplung mit Nachhaltigkeitsbewertungskriterien ist im Projekt immer wieder sinnvoll. So kann die Richtung falls notwendig erfolgreich korrigiert werden. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Rückkopplung: Durch stetige Berechnung von Lebenszyklusanalysen mit zugehörigen CO2-Fußabdrücken ist es uns in einem aktuellen Innovationsprojekt gelungen, weniger nachhaltige Teillösungen auszuschließen und letztendlich eine CO2-Reduktion von 40 Prozent gegenüber dem Industriestandard zu erreichen.
- Wissens-Input: Es sollten viele Leute mit Expertise einbezogen werden (z. B. mit Beiträgen), nicht alle aber sollten Teil des Teams werden.
Erfolgreiche Innovationsprojekte verbreiten eine immense Euphorie im Unternehmen, selbst wenn es sich »nur« um kleinere Verbesserungen handelt. Künftige Projekte sind dadurch leichter umzusetzen. Aber auch nicht so erfolgreiche Projekte können zu einer guten Stimmung beitragen, insbesondere, wenn dadurch lange Prozesse abgekürzt werden.
Bei meinen Kindheitslagerprojekten stand im Mittelpunkt, ein tolles Lager zu bauen. Die Lösung am Ende – also das fertige Lager – war großartig, aber eigentlich sekundär. Wichtig war der Kreativ- und Bauprozess.
Und auch im Unternehmen möchte ich Möglichkeiten schaffen, sich neu zu erfinden und nicht nur einen Status quo zu verfestigen. Je länger ein Status quo anhält, desto schwerer wird es, diesen zu ändern und eine Gruppe von Menschen für Neues zu inspirieren. Für mich ist ein Projekt dann erfolgreich, wenn die Beteiligten im Anschluss fragen, wann wir das nächste Projekt zusammen durchführen.
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Dieser Artikel ist ein Ausschnitt aus dem Buch „(Quer-) Einstieg ins Nachhaltigkeitsmanagement“, das 2024 bei Haufe erschienen ist. Hier geht es zum Buch.
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