Nachhaltigkeit in der Druckindustrie

Grün gesetzt: Öko-Ausrichtung in der Druckbranche


Nachhaltigkeit in der Druckbranche

Beim Thema „Druck“ fällt einem nicht zuallererst „Nachhaltigkeit“ ein, schließlich hantiert die Branche unter hohem Energieeinsatz mit Papier und allerlei Chemikalien. Aber: Es hat sich sehr viel getan. Immer mehr Druckunternehmen bieten nachhaltigere Print-Produkte. Das liegt auch an der steigenden Nachfrage seitens der Auftraggeber.

6.300 überwiegend kleine und mittelständische Betriebe gehören zur Druckindustrie, schätzt der Bundesverband Druck+Medien (BVDM). In rund 83 Prozent der Betriebe arbeiten weniger als 20 sozialversicherungspflichtige Personen. Die Branche ist also sehr kleinteilig. Das ist in punkto ökologischer Nachhaltigkeit einerseits schwierig, denn eine umweltverträglichere Produktion ist häufig mit hohen Investitionen verbunden; andererseits sind die kleinen, oft inhabergeführten Unternehmen erfinderisch, innovativ und hoch motiviert, wenn es darum geht, Ressourcen zu sparen und umweltfreundlicher zu produzieren.

Viele Betriebe setzen mittlerweile auf zertifizierte und/oder Recyclingpapiere, nutzen Strom aus erneuerbaren Energien und verwenden ökologisch verträglichere Materialien. „Eine der größten Herausforderungen ist es, die Wahrnehmung von Print-Produkten zu verändern und das Bewusstsein zu schärfen, dass Print nachhaltig sein kann“, sagt Frauke Birk, zuständig für Marketing und Kommunikation bei der Druckerei Schaffrath in Geldern.

Nicht nur die EU-Regulatorik treibt – beispielsweise mit der Entwaldungsverordnung (EU Deforestation Regulation, EUDR) – die Nachhaltigkeit in der Branche voran, auch die Auftraggeber fordern sie immer stärker ein. Sie reagieren damit auf die steigende Öko-Sensibilität ihrer Zielgruppen, die beispielsweise nicht möchten, dass Magazine in Folie eingeschweißt sind.

Die Devise lautet: „Hartnäckig dranbleiben!“

Schaffrath ist ein Beispiel dafür, welche Anstrengungen Druckereien unternehmen, um nachhaltig zu wirtschaften: Die neue Entwaldungsverordnung schreckt bei Schaffrath niemanden, „wir halten uns stets auf dem aktuellen Stand und sind gut aufgestellt“, so Frauke Birk. Die Druckerei kennt ihre Lieferanten und bezieht ausschließlich zertifiziertes Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft in der EU.

Hohe Standards zu garantieren, ist aufwändig: Wissen muss aufgebaut, Prozesse müssen entwickelt, Schnittstellen etabliert und Kontrollmechanismen eingezogen werden. Kurzum: Es ist viel Verwaltungsarbeit vonnöten – und Verwaltung kostet Geld. Je kleiner der Betrieb, desto schwieriger ist solch ein Aufwand allein schon kostenseitig zu stemmen. Bei Schaffrath arbeitet ein eigenes „Green Team“ kontinuierlich an Nachhaltigkeitsthemen und stimmt sich dabei eng mit dem Management ab. Anfang 2025 hat Schaffrath eine weitere Photovoltaikanlage in Betrieb genommen. Das Wichtigste, um solche Projekte zu realisieren? „Gemeinsam das Ziel vor Augen zu haben und hartnäckig dranzubleiben!“, antwortet Green Team-Mitglied Anja Venne.

„Es ist nicht so, dass Produkte wesentlich teurer sind, wenn man sie nachhaltig produziert.“ Jonas Muhly, D.O.G. Lokay 

Das Thema „Dranbleiben“ beschäftigt auch Ralf Lokay. Er ist mit seiner vielfach zertifizierten und preisgekrönten Druckerei Lokay der unumstrittene Umweltpionier der Druckbranche; laut Eigenangaben zählt das Unternehmen mit Sitz in Reinheim zu den „umweltfreundlichsten Druckereien weltweit“. Seit 1998 setzt sich Ralf Lokay schon für nachhaltigen Druck ein; im November 2024 verkaufte er sein Vorzeigeunternehmen an die familiengeführte D.O.G.-Gruppe im 17 Kilometer entfernten Darmstadt. Standort, Belegschaft, Standards und das nachhaltige Angebot bleiben unter dem neuen Namen „D.O.G. Lokay“ erhalten, versichert Ralf Lokay, der ebenfalls weiterhin an Bord ist, er sagt: „Ich bin froh, dass ich jemanden gefunden habe, der mein Unternehmen im Sinne der Nachhaltigkeit weiterführen will.“

Ralf Lokay

Jonas Muhly, der das Umweltmanagement bei Lokay maßgeblich mit aufbaute, ist nun auch bei D.O.G. für die Nachhaltigkeit zuständig. Er räumt zunächst mal mit einem gängigen Vorurteil auf: „Es ist nicht so, dass wir für nachhaltige Druckprodukte höhere Preise erzielen können. Allerdings ist es auch nicht so, dass Produkte wesentlich teurer sind, wenn man sie nachhaltig produziert.“ Die Positionierung als Ökodruckerei habe sich gerade bei der Ansprache nachhaltigkeitsorientierter Kundenkreise immer ausgezahlt. Die Reinheimer drucken unter anderem für Kunden wie Weleda, Alnatura, WWF und NABU.

Mit Online-Druckereien, die im Sammeldruckverfahren produzieren, können die nachhaltigen kleinen Betriebe allerdings preislich nicht mithalten. Bei diesem Verfahren werden möglichst viele Kundenaufträge auf einem Druckbogen platziert. Das ist nicht nur günstiger, sondern laut Rolf Dittrich, Sprecher von Flyeralarm, auch ressourcenschonend: „Dadurch landet weniger Papier im Müll und weniger CO₂ in der Luft, denn der CO₂-Ausstoß, der bei der Produktion von Druckprodukten entsteht, ist beim Sammeldruck bis zu 70 Prozent geringer als beim herkömmlichen Akzidenzdruck.“ Die Massenproduktion hat in diesem Punkt die Nase vorn. Tatsächlich tüfteln kleinere Druckereien, die nicht auf Sammelformen arbeiten, an der Frage, wie sie das Verhältnis von Papiereinsatz und Papierabfall verbessern lässt.

Der Blaue Engel: die Königsdisziplin unter den Öko-Labels

Gerade, weil die Branche in Sachen Nachhaltigkeit oft kritisch beäugt wird, sind Labels wie der Blaue Engel, Cradle to Cradle oder Zertifikate über Umweltmanagementsysteme umso wichtiger und spielen eine immer größere Rolle. Der Blaue Engel ist nach wie vor die Königsdisziplin unter den Öko-Labels. Es ist valide, bekannt und glaubwürdig. Um ihn zu erhalten, müssen etliche Voraussetzungen erfüllt sein. „Es steckt viel Arbeit dahinter“, sagt Anja Venne. Aber: Die Mühe lohnt. Laut Jonas Muhly bestehen mittlerweile etliche Auftraggeber auf den Blauen Engel.

Anja Venne

Mittlerweile entscheiden sich immer mehr Unternehmen für Recyclingpapiere, entweder weil sie bei ihren Endkunden als nachhaltig wahrgenommen werden wollen oder weil sie in der Ökobilanz ihrer Lieferketten punkten müssen. Qualitativ, so Muhly, könnten nicht mal mehr Branchenprofis Recyclingpapiere von Frischfaserpapieren unterscheiden; die Zeiten, in denen sie grau, rauh, ziemlich hässlich und sofort als „öko“ erkennbar waren, sind vorbei.

Schritt für Schritt zum nachhaltigeren Print-Produkt

Ein Beispiel für das Umdenken auf Auftraggeberseite ist die Haufe Group: Volker Eith verantwortet hier als Teamleiter „Production Engineering“ die Produktion sämtlicher Druckprodukte. Bis vor drei, vier Jahren, erzählt Volker Eith, habe der Aspekt Nachhaltigkeit in der Medienproduktion eigentlich noch niemanden so richtig interessiert. Qualität, Termintreue und Preis waren die ausschlaggebenden Vergabekriterien. Mit der Energiekrise, Lieferkettenengpässen und dem Klimawandel rückte die nachhaltige Produktion in den Fokus.

„Dabei geht es um viel mehr als um Recyclingpapier“, sagt Volker Eith. Zuallererst brauche man ein schlagkräftiges Team, um das Thema intern nach vorne zu bringen. Er hat sich mit Dominik Dold aus dem strategischen Einkauf und Katharina Kocher, Expertin für die Print-Marketingunterlagen, zusammengetan. Ihr Ziel: die gesamte Medienproduktion Schritt für Schritt umzustellen und Haufe zum branchenweiten Marktführer in der nachhaltigen Magazin- und Zeitschriftenproduktion zu machen. „Wir haben gemeinsam ein Konzept entwickelt und sind im Haus auf die Teams im Vertrieb, im Produktmanagement, in der Druckvorstufe und anderen Abteilungen zugegangen, um sie zu überzeugen“, so Volker Eith.

Für die externen Partner entwickelte das Team einen Fragebogen, das verschiedene Nachhaltigkeitsaspekte, etwa zu sozialem Engagement, Zertifizierungen, dem Einsatz umweltfreundlicher Materialien oder der Nachhaltigkeit von Produktionsinfrastruktur und Logistikkonzept abfragt. Damit können sowohl potenzielle Partner als auch bestehende Lieferanten einschätzen, wo sie stehen – und an welchen Stellschrauben sie drehen müssen, um sich nachhaltiger aufzustellen.

Manchmal allerdings eignet sich die nachhaltigste Lösung nicht, zum Beispiel beim Druck des 1464-seitigen ESRS-Kommentars. Würde Haufe solche dicken Wälzer auf Recyclingpapier drucken, müssten zwei Bände produziert werden, was sie letztlich in der Öko-Bilanz schlechter dastehen ließe. Volker Eith resümiert: „Wir wollen Schritt für Schritt ein bisschen besser werden und wissen genau, dass die 100-Prozent-Lösung nie machbar ist.“

Die größte Herausforderung? Der Kunde!

An der Nachhaltigkeit im Druck geht kein Weg vorbei, sind sich viele Branchenprofis einig. Dabei geht es ihnen nicht nur darum, die Umwelt zu schützen, sondern auch das Unternehmen zukunftssicher aufzustellen. Wer seinen eigenen Strom verbraucht, macht sich unabhängig von Marktpreisen; wer Ressourcen schont, spart Geld; wer auf Chemikalien verzichtet, schont die Gesundheit der Mitarbeitenden, kurzum: Nachhaltigkeit lohnt sich langfristig auch wirtschaftlich.

Die größte Herausforderung auf dem Weg zu nachhaltigeren Druckprodukten, sagt Ralf Lokay, sei es, die Kunden aufzuklären und zu überzeugen. Gehen sie den Weg mit? Trauen sie sich, ein Material zu verändern? Sind sie bereit, Know-how aufzubauen und auf umweltschädliche Hilfsmittel zu verzichten? Haben sie die Geduld, bis die marktübliche Qualität auf nachhaltigem Weg erreicht ist? Diese Fragen sind entscheidend. „Umstellungen im Druckprozess sind sehr sensibel, was Weiterverarbeitung, Druckbild und Makulatur angeht. Da muss man erst mal Wissen aufbauen und Prozesse anpassen.” Aber, ergänzt der Druckprofi: Das alles sei technisch möglich und niemand müsse Angst vor den Umweltanforderungen haben. Ralf Lokay resümiert: „Es ist die Überzeugung, die es braucht – sowohl im eigenen Unternehmen als auch bei der Zielgruppe.“

Labels, Siegel, Audits und Informationen rund um nachhaltigen Druck

Die Druckindustrie wartet mit einer ganzen Phalanx an Siegeln, Zertifikaten und Umwelt-Labels für eine nachhaltige Medienproduktion auf. Der Bundesverband Druck + Medien hat sie freundlicherweise in alphabetischer Reihenfolge gelistet und gut erklärt. Zu finden unter:  BVDM Umweltlabels.
Mehr Informationen zur nachhaltigen Medienproduktion sowie ein Verzeichnis von Öko-Druckereien finden sich außerdem bei der Initiative umdex.de.


Schlagworte zum Thema:  Nachhaltigkeit , Nachhaltigkeitsmanagement
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