Green Claims: Über Marketing, Kommunikation und CSR

Nachhaltigkeitskommunikation ist mehr als nur Imagepflege – sie ist ein elementarer Bestandteil der Unternehmensstrategie und wird durch neue gesetzliche Rahmenbedingungen zunehmend reguliert. Das bedeutet aber auch: Nachhaltigkeitsverantwortliche werden künftig auch stärker in die Validierung und Freigabe von Marketingaussagen eingebunden.

In einer Welt, die zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit legt, spielt die Kommunikation ökologischer und sozialer Unternehmensaktivitäten eine zentrale Rolle. Mit der bereits verabschiedeten Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel, besser bekannt als EmpCo-Richtlinie, und der noch in Diskussion befindlichen Green Claims Directive führt die Europäische Union strenge Regeln ein, um irreführende Umweltaussagen zu unterbinden und Verbraucher zu fundierten Entscheidungen zu befähigen. Greenwashing soll damit unterbunden werden.

Der rechtliche Rahmen für grüne Werbeaussagen wird enger gezogen

Die EmpCo-Richtlinie (Empowering Consumers for the Green Transition), offiziell als EU Directive 2024/825 bekannt, ist im Frühjahr 2024 in Kraft getreten und muss bis Ende März 2026 in nationales Recht umgesetzt werden, in Deutschland voraussichtlich durch Anpassungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Die EmpCo-Richtlinie regelt das Thema Nachhaltigkeitskommunikation aus Verbraucherschutzperspektive und verbietet irreführende Aussagen zur Nachhaltigkeit eines Unternehmens. 

Die Green Claims Directive soll diese Regelung künftig ergänzen. Sie ist allerdings noch nicht in Kraft, die Gespräche zwischen den EU-Institutionen laufen. Ein erstes Verhandlungstreffen fand Ende Januar 2025, das zweite Ende April 2025 statt. Letzteres blieb jedoch ergebnislos. Ein dritter Trilog ist für Ende Juni geplant. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens hängt vom Ergebnis dieser Verhandlungen ab. Sollte man sich noch in diesem Jahr einig werden, gilt die Green Claims Richtlinie in Deutschland voraussichtlich 2027 verbindlich. 

Jede umweltbezogene Werbeaussage muss dann durch wissenschaftliche Belege untermauert und von unabhängigen, akkreditierten Dritten geprüft sein. Außerdem müssen die Angaben klar, konkret, vergleichbar und verständlich sein. Es muss eindeutig sein, worauf sich die Aussage bezieht, zum Beispiel auf das gesamte Produkt oder nur einen Teil davon. Allgemeine, nicht belegbare Begriffe wie „umweltfreundlich“ oder „klimaneutral“ sind ohne entsprechenden Nachweis künftig verboten. Bei Verstößen drohen empfindliche Strafen, unter anderem hohe Geldbußen.

Vom Storytelling zur Beweisführung: Nachhaltigkeitskommunikation im Wandel

Beide Gesetze zielen darauf ab, Transparenz und Vertrauen in der Nachhaltigkeitskommunikation zu fördern und Greenwashing zu unterbinden. Und sie bringen für die Unternehmenskommunikation und das Marketing neue Anforderungen mit sich. Das betrifft auch interne Prozesse. So muss sich die Marketingabteilung künftig intensiver mit der CSR-Abteilung austauschen und abstimmen. Damit müssen zwei Abteilungen zueinander finden, die höchst unterschiedlich „ticken“: Während das Marketing häufig auf plakative Aussagen und Kampagnen setzt, steht bei CSR die tatsächliche Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele im Vordergrund – datenbasiert.

„Die neuen Anforderungen der Green Claims Directive werden die Zusammenarbeit zwischen Nachhaltigkeits- und Marketingabteilungen grundlegend verändern – und zwar zum Positiven, wenn man es richtig angeht“, sagt Ines Knecht, Vorstandsvorsitzende CSR Verband. Künftig reicht es nicht mehr, dass das Marketing kreative Umweltbotschaften formuliert – jede Aussage muss belegbar sein. 

Zusammenarbeit: CSR und Marketing künftig Hand-in-Hand

„Nachhaltigkeitsverantwortliche müssen viel stärker in die Kommunikation eingebunden werden, idealerweise schon bei der Entwicklung von Claims, nicht erst zur Freigabe“, sagt Knecht. Besonders hilfreich sei es, wenn ein Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht erstellt – „denn darin stecken oft genau die Zahlen, Fakten und Quellen, die später als Grundlage für glaubwürdige Kommunikation dienen können.“ Diese Berichte sind aus Sicht der Expertin mehr als nur Pflichtdokumente: Sie liefern die Basis für starke, belegbare Storys, die Marketing und Kommunikation kreativ aufgreifen können.

Im besten Fall arbeiten beide Abteilungen Hand in Hand: Das Marketing bringt Sprache und Storytelling, die Nachhaltigkeitsexperten liefern Inhalte und Substanz. „Unternehmen sollten dafür klare Prozesse schaffen – zum Beispiel eine Art ‚Green Claims Check‘ vor jeder Kampagne oder eine enge Abstimmung mit der Rechtsabteilung“, rät Knecht.

Die Art der Nachhaltigkeitskommunikation muss sich ebenfalls an die neuen Vorgaben anpassen, um glaubwürdig und rechtssicher zu bleiben. Künftig müssen Unternehmen präzise, wissenschaftlich belegte Aussagen formulieren und auf vage oder emotional aufgeladene Begriffe verzichten. Obwohl die Green Claims Directive noch in der Diskussion ist, sollten Unternehmen frühzeitig handeln. Denn feststeht: Unbeschwertes grünes Storytelling – das war gestern. Die Nachhaltigkeitskommunikation wird zu einer streng regulierten Disziplin.

Beweisführung: CSR muss Daten liefern

„Generell empfiehlt sich für Unternehmen, systematisch zu prüfen, welche Nachhaltigkeitsaussagen sie bereits kommunizieren – auf Unternehmens- wie auf Produktebene. Das gilt aus unserer Sicht unabhängig von der Weiterentwicklung der Regulatorik, denn gerade im Themenbereich Nachhaltigkeit ist eine vertrauenswürdige, transparente und nachvollziehbare Kommunikation essenziell“, sagt Julia Urbauer, Senior Manager Product Accounting & Strategy bei der Sustainable Unternehmensberatung. Sie rät zu einem umfassenden Blick: von der Website über Nachhaltigkeitsberichte bis hin zu Social Media. Entscheidend ist, ob Begriffe verwendet werden, die eine besonders positive Umweltwirkung suggerieren – zum Beispiel „umweltfreundlich“, „klimaneutral“, „nachhaltig produziert“, „green“, etc.

Im nächsten Schritt sollte laut Urbauer geprüft werden, ob es eine nachvollziehbare Definition für die gewählten Begriffe gibt und die zugrunde liegenden Daten oder Berechnungen dokumentiert und überprüfbar sind. „Unternehmen sollten genau dokumentieren, wie Aussagen zustande kommen – und sich ehrlich fragen, ob tatsächlich ein messbarer Umweltvorteil entsteht“, rät Urbauer.

Hier sind auch die CSR-Abteilungen gefragt. Sie müssen fundierte Daten liefern, um Aussagen datenbasiert zu untermauern. Ohne diese Daten drohen Greenwashing-Vorwürfe. Gleichzeitig müssen CSR-Teams ihre Prozesse so gestalten, dass sie die Marketingabteilung mit nachprüfbaren Informationen versorgen können. Die Rechtsabteilung könnte für die Kommunikation künftig eine Schlüsselrolle spielen, um die Konformität mit den neuen Richtlinien sicherzustellen.

Strategie-Falle: Schweigen ist keine Risiko-Minimierung

Greenwashing ist aber nicht nur ein rechtliches, sondern auch ein moralisches Problem, da es das Vertrauen der Verbraucher untergräbt. Um dem entgegenzutreten, stehen Unternehmen heutzutage oft vor dem Dilemma, wie viel sie über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen offenlegen, ohne Wettbewerbsvorteile zu verlieren – vor allem, wenn die Nachhaltigkeits-Bemühungen bisher eher auf Sparflamme stattfinden.  

Einige Unternehmen praktizieren daher „Greenhushing“, also das bewusste Schweigen über Nachhaltigkeitsmaßnahmen, um Risiken zu minimieren. Oft werden negative Reaktionen von Öffentlichkeit, Kunden oder anderen Stakeholdern befürchtet, welche die Nachhaltigkeitsbemühungen einer Firma als unzureichend ansehen könnten. Mitunter wird auch befürchtet, dass Nachhaltigkeitsaktivitäten als eine Art Schein-Nachhaltigkeit wahrgenommen werden und daher Vorwürfe des Greenwashings auslösen könnten. Doch die Risiken einer solchen Nicht-Kommunikations-Strategie sind groß: In einer zunehmend umweltbewussten Welt können Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsbemühungen verschweigen, das Vertrauen von Investoren verlieren und im Wettbewerb zurückbleiben. Auch das Image eines Unternehmens kann auf diese Weise Schaden nehmen.

Die EmpCo-Richtlinie und die Green Claims Directive sorgen dafür, dass künftig nur noch wahre und belegbare Umweltaussagen kommuniziert werden dürfen. Damit nehmen sie viel Verunsicherung aus dem Markt und treten indirekt auch dem Greenhushing entgegen. Die Green-Claims-Richtlinie befindet sich in der finalen Abstimmung und somit auf der Zielgeraden. Welche Standards und Zertifizierungen herangezogen werden können, um Nachhaltigkeits-Begriffe künftig belegbar und rechtssicher zu verwenden, wird man erst nach der Verabschiedung der Direktive und ihrer Umsetzung in deutsches Recht genau beurteilen können. Doch Unternehmen sind gut beraten, nicht belegbare Umweltaussagen bereits jetzt zu revidieren. 


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