Entlastungsbetrag für Alleinerziehende im Trennungsjahr

Da allein stehende Mütter oder Väter oft größere Belastungen zu tragen haben, können sie nach § 24b Abs. 1 Satz 1 EStG einen Entlastungsbetrag abziehen. Es stellt sich die Frage, ob der Entlastungsbetrag bereits im Trennungsjahr gewährt werden muss.

Allein stehend im Sinne des § 24b Abs. 1 EStG Abs. 1 sind Steuerpflichtige, die nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingverfahrens erfüllen (§ 26 Abs. 3 EStG). Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, ermäßigt sich der Entlastungsbetrag um ein Zwölftel (§ 24b Abs. 4 EStG.)

Zur Auslegung des Begriffes "allein stehend" i.S.d. § 24b Abs. 3 EStG

Nach dem BMF-Schreiben vom 23.10.2017 (IV C 8 – S 2265-a/14/10005) sind nur Steuerpflichtige anspruchsberechtigt die

  • während des gesamten Veranlagungszeitraums nicht verheiratet/verpartnert sind oder die verheiratet/verpartnert sind, aber seit mindestens dem vorangegangenen Veranlagungszeitraum dauernd getrennt leben oder
  • die verwitwet sind oder
  • deren Ehegatte/Lebenspartner im Ausland lebt und nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig i.S.d. § 1 Abs. 1 oder 2 EStG ist.

Aufgrund dieser Anweisung des BMF lehnen die Finanzämter eine zeitanteilige Gewährung des Entlastungsbetrags im Trennungsjahr ab.

FG Berlin-Brandenburg: Entlastungsbetrag im Jahr der Heirat

Das FG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 20.7.2011, 1 K 2232/06) hat entschieden, dass einer alleinerziehenden Mutter, die die Voraussetzungen für die Gewährung des Entlastungsbetrags nach § 24b EStG erfüllt, der Entlastungsbetrag im Jahr der Heirat zeitanteilig bis einschließlich des Monats der Heirat zusteht.

Im Streitfall hatte die alleinerziehende Mutter eines 14 Jahre alten Sohnes im November 2004 geheiratet und war in 2005 mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Im Streitjahr 2004 hatte sie gemeinsam mit ihrem Sohn noch ganzjährig in ihrer alten Wohnung gewohnt. Für das Jahr 2004 beantragte sie die Durchführung der besonderen Veranlagung (§ 26c EStG). Während sie die ungekürzte Gewährung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende für 2004 beantragte, gewährte das Finanzamt den Entlastungsbetrag nur zeitanteilig bis einschließlich Oktober 2004. Mit der Hochzeit im November seien die Voraussetzungen für eine Gewährung entfallen (§ 24b Abs. 2 EStG).

Die von der Klägerin erhobene Klage wies das FG ab und entschied, dass die Frage, wer allein stehend sei, nach § 24b Abs. 2 EStG zu beurteilen sei. Danach sei der Entlastungsbetrag für den Zeitraum nach der Eheschließung nicht zu gewähren, da erausdrücklich daran anknüpft, dass der Steuerpflichtige nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingverfahrens erfüllt. Der Entlastungsbetrag sei nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut auch dann nicht zu gewähren, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingverfahrens vorgelegen haben, aber nicht das Splittingverfahren, sondern die besondere Veranlagung gewählt wird. Erfülle jedoch die Steuerpflichtige - wie im Streitfall - eindeutig die Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingverfahrens in 2004, entfalle damit ab dem Monat der Eheschließung auch der Anspruch auf den Entlastungsbetrag nach § 24b EStG. Im Streitfall war daher der Entlastungsbetrag auch noch für den Monat November (dem Heiratsmonat) zu gewähren und daher mit 11/12 (und nicht wie vom Finanzamt vorgenommen mit 10/12) zu berücksichtigen.

Niedersächsisches FG: Wahl der Einzelveranlagung im Trennungsjahr

Das Niedersächsische FG hat entschieden (Urteil v. 18.2.2020, 13 K 182/19), dass der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende bei Wahl der Einzelveranlagung im Trennungsjahr nach dem Monatsprinzip zeitanteilig für die Monate des Alleinstehens gewährt werden kann. Die Auslegung des Wortlauts des § 24b Abs. 3 Satz 1 EStG, dass die "Voraussetzungen für die Anwendung des Splitting-Verfahrens" erst dann erfüllt seien, wenn das Wahlrecht zugunsten der Zusammenveranlagung und des Splittingverfahrens ausgeübt worden sei, beseitige nach Auffassung des FG Wer-tungswidersprüche.

Denn im Trennungsjahr haben die Steuerpflichtigen die Wahl zwischen der Zusammenveranlagung und keinem Entlastungsbetrag und der Einzelveranlagung und einem anteiligen Entlastungsbetrag. Es komme zu keiner Lücke bei der Gewährung des Entlastungsbetrags im Trennungsjahr. Vielmehr werde dieser genau für die Monate gewährt, in denen der Steuerpflichtige tatsächlich alleinerziehend war. Damit werde nach Auffassung des FG die Auslegung dem gesetzgeberischen Willen, wie er sich in der Zwölftelung-Regelung des § 24b Abs. 4 EStG zeigt, gerecht.

Revisionsverfahren beim BFH anhängig

Da die Frage, ob bereits bei der Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts i. S. d. § 26 Abs. 1 EStG die Gewährung des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende gem. § 24b EStG ausgeschlossen ist, höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, hat das FG die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen. Diese wurde von dem Finanzamt auch eingelegt und wird beim BFH unter dem Az. III R 17/20 geführt.

In vergleichbaren Fällen sollten Betroffene gegen die ablehnenden Entscheidungen der Fämter unter Hinweis auf das vorstehende Revisionsverfahren Einspruch einlegen und auf das Ruhen des Verfahrens kraft Gesetzes nach § 363 Abs.2 AO verweisen.

Praxis-Hinweise

Ist die Einzelveranlagung mit Gewährung des anteiligen Entlastungsbetrags günstiger als die Zusammenveranlagung, sollte die Einzelveranlagung gewählt und der anteilige Entlastungsbetrag beantragt werden.

Da die Schließung von Kitas und Schulen während der Corona-Pandemie alle Familien vor große Herausforderungen gestellt hat, und alleinerziehende Mütter und Väter besonders betroffen sind, hat der Gesetzgeber mit dem "Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz" den Entlastungsbetrag für die Jahre 2020 und 2021 von bisher 1.908 EUR auf 4.008 angehoben und damit mehr als verdoppelt. Der Erhöhungsbetrag für jedes weitere Kind nach § 24b Abs. 2 Satz 2 EstG in Höhe von 240 EUR bleibt unverändert.

Schlagworte zum Thema:  Einkommensteuer, Arbeitnehmerbesteuerung