Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Schätzung des gemeinen Wertes von GmbH-Anteilen nach dem sog. Stuttgarter Verfahren sind Zuschläge wegen des höheren Verkehrswertes eines Betriebsgrundstücks auch dann möglich, wenn es sich dabei um ein Grundstück handelt, das die GmbH als Ersatzgrundstück in einem behördlichen Umlegungsverfahren erhalten hat.
2. Die bei der Ertragsbesteuerung zulässige Übertragung von stillen Reserven auf das Ersatzgrundstück (Abschnitt 35 EStR 1961) hat keinen Einfluß auf die Höhe der bei den Ertragsaussichten der GmbH zu berücksichtigenden AfA eines auf dem Ersatzgrundstück errichteten Betriebsgebäudes. Die AfA ist vielmehr nach den tatsächlichen Herstellungskosten des Gebäudes zu berücksichtigen.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 13 Abs. 2; VStR 1963 Abschn. 76 ff.
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Klägerin) ist eine GmbH mit einem voll eingezahlten Stammkapital von ... DM.
Auf Anordnung der Stadt W. mußte sie ihr Betriebsgrundstück nebst Betriebsgebäude für ein Umlegungsverfahren abgeben. Sie erhielt dafür ein unbebautes Grundstück und eine Entschädigung für das Betriebsgebäude. Das Grundstück bebaute sie mit einem Wohn- und Geschätfsgebäude. Gemäß Abschnitt 35 (EStR 1961 erhöhte sie in ihrer Steuerbilanz zum 31. Dezember ... den Bilanzwert ihres früheren Gebäudes um die Herstellungskosten für das neue Gebäude abzüglich der Entschädigung und einer im Jahr 1960 gebildeten Rücklage für Ersatzbeschaffung. Von dem sich hiernach ergebenden Bilanzwert schrieb sie jährlich 2 v. H. ab.
Das FA setzte den gemeinen Wert der Anteile der Steuerpflichtigen zum 31. Dezember 1962 auf X DM je 100 DM Stammkapital fest. Es ermittelte den gemeinen Wert nach dem sogenannten Stuttgarter Verfahren (Abschnitt 76 ff. VStR 1963). Es ging bei der Ermittlung des Vermögenswerts vom Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1963 aus und erhöhte den Einheitswert wegen des Verkehrswerts des neuen Betriebsgrundstücks um einen Zuschlag. Den Zuschlag errechnete es in der Weise, daß es die Gebäudeherstellungskosten um eine AfA von jeweils 2 % für die Jahre 1961 und 1962 und um den im Einheitswert des Betriebsvermögens bereits erfaßten Einheitswert des Betriebsgrundstücks minderte.
Die Steuerpflichtige legte gegen den Bescheid Einspruch ein. Sie hielt den Zuschlag für unberechtigt, weil sie zwangsweise das bisherige Grundstück habe abgeben und das neue Grundstück bebauen müssen. Es verstoße zudem grundsätzlich gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, da Grundstücke bei natürlichen Personen und bei Personengesellschaften nur mit den Einheitswerten der Vermögensteuer zugrunde gelegt würden. Der Zuschlag sei im übrigen zu hoch bemessen. Denn die Herstellungskosten des Gebäudes seien wegen der Beschleunigung des Umlegungsverfahrens durch unwirtschaftliche Aufwendungen beeinflußt worden.
Das FA erhöhte in der Einspruchsentscheidung den Zuschlag. Dies ergab einen gemeinen Wert der GmbH-Anteile von X DM je 100 DM Nennkapital. Das FA legte seiner Entscheidung eine Stellungnahme seines Bausachverständigen zugrunde, der den Verkehrswert des Grundstücks und des im November 1961 fertiggestellten Gebäudes unter Berücksichtigung einer AfA von 1 % und eines 20 %igen Abschlags auf den Gesamtwert ermittelt hatte.
Das FG, das die Gesellschafter der GmbH bzw. deren Erben zu dem Verfahren beigeladen hatte, setzte den gemeinen Wert der GmbH-Anteile auf Z DM je 100 DM Stammkapital herab und wies die Klage im übrigen ab. Es führte in dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1967 S. 442 (EFG 1967, 442) auszugsweise veröffentlichten Urteil aus, das FA habe bei der Schätzung des Gesamtvermögens den Unterschied zwischen dem Verkehrswert und dem Einheitswert des Grundstücks zu Recht dem Einheitswert des Betriebsvermögens hinzugerechnet. Gegen die Höhe des vom Bausachverständigen ermittelten Grundstücksverkehrswerts beständen keine Bedenken. Die bis zum Stichtag eingetretene Wertminderung des Gebäudes sei ausreichend berücksichtigt worden. Bei der Ermittlung des Vermögenswerts sei jedoch die künftige ertragsteuerliche Belastung der bei der Anteilsbewertung erfaßten stillen Reserven des Betriebsgrundstücks zu erfassen. Sie sei wie eine zinslose, in gleichen Jahresraten zu tilgende Schuld unter Anwendung der Hilfstafel 1a zum BewG zu bewerten und von dem Vermögen abzuziehen. Der Schätzung der Ertragsaussichten seien die tatsächlich erzielten Betriebsergebnisse der Jahre 1960 bis 1962 zugrunde zu legen. Es sei daher der Durchschnittsertrag dieser Jahre um den Unterschied zwischen der AfA nach dem tatsächlichen Grundstückswert und der AfA in der Steuerbilanz zu mindern.
Gegen das Urteil legte die Steuerpflichtige Revision ein mit dem Antrag, den gemeinen Wert ihrer Anteile nicht höher als auf ... DM je 100 DM Stammkapital festzustellen. Sie rügt Verletzung von Vorschriften materiellen Rechts. Sie ist der Ansicht, der obige Zuschlag widerspreche den Anweisungen in Abschnitt 35 EStR, nach denen sie die stillen Reserven des von der Umlegung betroffenen Grundstücks auf das neue Grundstück habe übertragen dürfen. Bei der Ermittlung des Grundstücksverkehrswerts und bei der Berechnung des Durchschnittsertrages sei zudem von einer Restnutzungsdauer des Gebäudes von 50 Jahren und somit von einer AfA von mindestens 2 v. H. auszugehen. Die Berechnung des FA ergebe eine Verzinsung des Vermögens von nur 2,7 v. H. Der gemeine Wert ihrer Anteile müsse bei einer derart niedrigen Verzinsung um einen weiteren Abschlag gemindert werden.
Der Bevollmächtigte der Steuerpflichtigen führte in der mündlichen Verhandlung ergänzend aus, es verstoße gegen den Gleichheitssatz, daß der Bewertung von Anteilen an einer KG der Einheitswert der Betriebsgrundstücke zugrunde gelegt werde, während für die Bewertung von GmbH-Anteilen der Verkehrswert der Betriebsgrundstücke maßgebend sein solle. Der Wert der GmbH-Anteile zeige sich eindeutig bei einer Versteigerung der Anteile. Er lasse sich zutreffend aber auch durch Auskünfte bei einer Bank oder einem Finanzmakler feststellen. Im Streitfall hätten die Anteile deshalb einen erheblich niedrigeren Wert, weil es sich um eine Familiengesellschaft handele und die Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag erheblichen Beschränkungen unterlägen. Bei der Versteigerung des Anteils einer im Oktober 1967 verstorbenen Gesellschafterin sei nur ein Erlös von ... DM je 100 DM Stammkapital erzielt worden. Das FA habe bei Festsetzung der Erbschaftsteuer für diesen GmbH-Anteil ebenfalls nur einen Wert von ... angesetzt. Bei der Ermittlung der Ertragsaussichten sei zu berücksichtigen, daß die Erträge des Unternehmens auf Grund der behördlich erzwungenen Umsiedlung gesunken seien. Eine Verzinsung von rd. 2,5 % des Kapitals rechtfertige nach Abschnitt 79 Abs. 3 VStR 1963 einen Abschlag von 30 %. Es sei zu bedenken, daß der Anteilseigner 5 % Vermögensteuer zahlen müsse und daß er sein Vermögen heutzutage gegen eine Verzinsung von 8 % anlegen könne.
Das FA legte gegen das Urteil des FG ebenfalls Revision ein. Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Revision der Steuerpflichtigen als unbegründet zurückzuweisen. Es rügt unrichtige Anwendung der §§ 69 und 13 Abs. 2 BewG. Es meint, etwaige künftige ertragsteuerliche Belastungen wegen Auflösung der bei der Anteilsbewertung erfaßten stillen Reserven des Betriebsgrundstücks könnten bei der Anteilsbewertung nicht berücksichtigt werden. Das FG habe bei der Berechnung der Ertragsaussichten übersehen, daß der Verkehrswert des Betriebsgrundstücks den Wert des Grund und Bodens mit enthalte. Die vom FG angesetzte AfA sei daher zumindest um 1 % des Bodenwerts zu mindern.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BewG sind GmbH-Anteile mit dem gemeinen Wert anzusetzen, d. h. nach § 10 BewG mit dem Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind nach § 10 Abs. 2 Satz 3 BewG ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen. Entsprechend dem bewertungsrechtlichen Stichtagsprinzip können für eine solche Wertermittlung nur Verkäufe in zeitlicher Nähe des Bewertungsstichtags herangezogen werden. Verkäufe, die Jahre nach dem Stichtag stattgefunden haben, sind nicht zu berücksichtigen (vgl. Urteil des BFH III R 122/67 vom 20. Dezember 1968, BFH 95, 280, BStBl II 1969, 373). Im Streitfall sind keine Anteile der Steuerpflichtigen in zeitlicher Nähe des Bewertungsstichtags 31. Dezember 1962 veräußert worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob die freiwillige Versteigerung des Anteils der verstorbenen Gesellschafterin zwecks Erbbauauseinandersetzung eine Veräußerung unter ungewöhnlichen Umständen im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 3 BewG war. Die Versteigerung muß für die Ermittlung des Werts der GmbH-Anteile zum 31. Dezember 1962 jedenfalls deshalb ausscheiden, weil sie mehr als fünf Jahre nach diesem Stichtag stattfand.
Da sich der gemeine Wert der Anteile aus Verkäufen nicht ableiten läßt, ist er nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen. Die Finanzverwaltung hat zur Ermittlung dieses Werts und um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch Anwendung einfacher und für alle Unternehmen gleicher Schätzungsmethoden zu gewährleisten, ein besonderes Schätzungsverfahren, das sog. Stuttgarter Verfahren (Abschnitt 76 ff. VStR 1963) entwickelt. Der Senat hat die Grundsätze dieses Verfahrens stets als ein wertvolles und die Einheitlichkeit der Bewertung gewährleistendes Hilfsmittel zur Feststellung des gemeinen Werts von nichtnotierten Aktien und Anteilen anerkannt (vgl. Urteil des Senats III R 135/67 vom 18. Dezember 1968, BFH 95, 266, BStBl II 1969, 370). Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung wäre nicht mehr gewährleistet, wenn das FA sich - wie die Steuerpflichtige meint- bei der Bewertung von GmbH-Anteilen generell oder im Einzelfall nach Gutachten und Auskünften von Banken und Finanzmaklern richten würde, zumal die Betriebswirtschaft zur Ermittlung des Werts von GmbH-Anteilen unterschiedliche Methoden entwickelt hat.
Bei der Ermittlung des gemeinen Werts von GmbH-Anteilen nach den Grundsätzen des Stuttgarter Verfahrens ist zur Berechnung des Vermögenswerts das gesamte Vermögen der Gesellschaft anzusetzen (Abschnitt 77 Abs. 1 VStR 1963). Auszugehen ist vom Einheitswert des Betriebsvermögens. Betriebsgrundstücke sind im Einheitswert des Betriebsvermögens mit ihren Einheitswerten erfaßt (§§ 66 Abs. 2, 57 Abs. 3 BewG). Da die nach den Wertverhältnissen zum 1. Januar 1935 ermittelten Einheitswerte des Grundvermögens in der Regel erheblich unter den Verkehrswerten der Grundstücke liegen, ist der Einheitswert bebauter Grundstücke, deren Gebäude nach dem 21. Juni 1948 errichtet wurden, im allgemeinen nach Abschnitt 77 Abs. 3 Satz 2 VStR 1963 um den Unterschied zu den Anschaffungs- oder Gestehungskosten abzüglich der normalen ertragsteuerlichen AfA zu erhöhen. Der Zuschlag kann nach Abschnitt 77 Abs. 3 Satz 4 VStR 1963 im Einzelfall auch höher bemessen werden. Der Senat hat auch diese Regelung in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich gebilligt (vgl. Urteil III 359/61 vom 15. Oktober 1964, HFR 1965, 153). Nach der Entscheidung des Senats III R 122/67 vom 20. Dezember 1968 (a. a. O.) ist hierbei jedoch der tatsächliche Verkehrswert des Grundstücks zu ermitteln und der Anteilsbewertung zugrunde zu legen, wenn die Gesellschaft die Angemessenheit der Zuschläge bestreitet.
Das FA ist nach diesen Grundsätzen verfahren. Es hat den Unterschied zwischen dem Verkehrswert und dem Einheitswert des Betriebsgrundstücks zunächst durch einen Zuschlag nach Abschnitt 77 Abs. 3 Satz 2 VStR 1963 erfaßt. Da die Steuerpflichtige den Zuschlag im Einspruchsverfahren dem Grunde und der Höhe nach bestritt, hat es den Verkehrswert des Grundstücks durch seinen Bausachverständigen unter Berücksichtigung einer AfA von 1 % schätzen lassen und den Unterschied zum Einheitswert des Grundstücks dem Einheitswert des Betriebsvermögens in der Einpruchsentscheidung hinzugesetzt. Es hat die Steuerpflichtige zuvor gemäß den BFH-Urteilen VI 264/61 U vom 1. Dezember 1961 (BFH 74, 371, BStBl III 1962, 140) und I 372/62 vom 2. Februar 1966 (BFH 85, 234, BStBl III 1966, 294) auf die Möglichkeit der Verböserung nach dem damals geltenden § 243 Abs. 3 AO a. F. hingewiesen. Nach Auffassung des FG hat der Sachverständige die bis zum Bewertungsstichtag eingetretene Wertminderung des Gebäudes mit 1 % ausreichend berücksichtigt. Der Senat ist als Revisionsinstanz an diese tatsächliche Feststellung gebunden, da Rechtsfehler insoweit nicht ersichtlich sind. Es handelt sich nach dem Gutachten um ein in Stahlbetonskelettweise errichtetes Massivgebäude mit Lagerräumen, Lagerbüro, Ausstellungsräumen und der Wohnung des geschäftsführenden Gesellschafters. Für solche Gebäude ist nach den Richtlinien des BdF für die Wertermittlung von Grundstücken im Verkehr mit Bundesbehörden vom 16. April 1955 nebst Ergänzungen in der Regel von einer Nutzungsdauer von 80 bis 100 Jahren auszugehen (vgl. Rössler-Langner, Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten, 2. Aufl., S. 129 ff. und Anhang 15 S. 341). Die Steuerpflichtige hat keine konkreten Tatsachen dafür vorgebracht, daß bei ihrem Betriebsgebäude eine geringere Nutzungsdauer anzunehmen sei. FA und FG waren nicht verpflichtet, den der Körperschaftsteuerveranlagung zugrunde liegenden Abschreibungssatz von 2 v. H. zu übernehmen. Die Anteilsbewertung ist ein selbständiges Verfahren, das nicht an die Sachverhaltswürdigung im Körperschaftsteuerveranlagungsverfahren gebunden ist. Außerdem ist die Einheitsbewertung allein auf die technische Nutzungsdauer abzustellen. Der ertragsteuerlichen AfA dagegen liegt der Gedanke der wirtschaftlichen Gleichverteilung des durch die Gebäudebenutzung entstehenden Aufwandes zugrunde. Sie wird von der wirtschaftlichen Abnutzung beeinflußt.
Der Zuschlag entfällt nicht, weil die Steuerpflichtige ihr bisheriges Betriebsgrundstück zwangsweise in das Umlegungsverfahren einbringen und das neu erworbene Grundstück bebauen mußte. Für die Anteilsbewertung ist nach § 13 Abs. 2 BewG der gemeine Wert der Anteile maßgebend. Dieser richtet sich nach dem tatsächlichen Wert des Betriebsvermögens, gleichviel, ob die Gesellschaft die Wirtschaftsgüter auf Grund eines freien Entschlusses oder zwangsläufig angeschafft hat. Ohne das Umlegungsverfahren hätte das FA das bisherige Betriebsgrundstück ebenfalls mit dem Verkehrswert bei der Anteilsbewertung berücksichtigen müssen. Soweit die Steuerpflichtige die sogenannten stillen Reserven ihres bisherigen Betriebsgrundstücks, d. h. den Unterschied zwischen dem Steuerbilanzwert und dem tatsächlichen Wert des Grundstücks, in Gestalt der Entschädigung ohne einkommensteuerliche Belastung auf ihr neues Grundstück übertragen hat, wird ihr dieser Vorteil durch die Anteilsbewertung nicht genommen.
Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, daß der Gesellschafter einer GmbH seinen Anteil an der GmbH mit einem nach dem Verkehrswert der Betriebsgrundstücke ermittelten Wert der Vermögensteuer unterwerfen muß, während der Kommanditist seinen Anteil an der KG mit einem Wert versteuern muß, dem lediglich der Einheitswert der Betriebsgrundstücke zugrunde liegt. Die Steuerpflichtige übersieht bei diesem Vergleich, daß die GmbH im Gegensatz zur KG eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit ist, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a VStG selbst unbeschränkt vermögensteuerpflichtig ist. Sie fällt mit dem auf der Grundlage des Einheitswerts ihrer Betriebsgrundstücke ermittelten Einheitswert ihres Betriebsvermögens in gleicher Weise unter die Vermögensteuer wie der Kommanditist mit seinem Betriebsvermögen, nämlich seinem Anteil am Einheitswert der KG. Die Vermögensbesteuerung eines GmbH-Anteils in der Hand des Anteilseigners läßt sich nicht mit der eines Kommanditanteils, sondern nur mit der Vermögensbesteuerung von Anteilen an anderen Kapitalgesellschaften, wie insbesondere der Besteuerung von Aktien, vergleichen. Aktien werden, wenn sie im Inland einen Börsenkurswert haben, nach § 13 Abs. 1 BewG mit dem auf der Grundlage von Angebot und Nachfrage ermittelten Steuerkurswert angesetzt. Ihm liegt ebenso wie dem gemeinen Wert von GmbH-Anteilen der tatsächliche Wert des Betriebsvermögens einschließlich der Betriebsgrundstücke zugrunde. Nach dem Urteil des Senats III 160/64 vom 1. Dezember 1967 (BFH 91, 169, BStBl II 1968, 293) verstößt es nicht gegen das GG, daß Wertpapiere mit ihrem Steuerkurswert, Grundstücke dagegen mit ihren Einheitswerten der Vermögensteuer zugrunde gelegt werden. Die Grundsätze dieses Urteils gelten entsprechend, wenn der Wert einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht nach Steuerkurswerten zu ermitteln, sondern bei nicht börsenfähigen Anteilsrechten mangels entsprechender Verkäufe gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen ist.
2. Der Senat hebt die Vorentscheidung auf, da das FG die künftigen ertragsteuerlichen Belastungen, die später bei Auflösung der bei der Anteilsbewertung erfaßten stillen Reserven des Betriebsgrundstücks entstehen können, zu Unrecht bei der Ermittlung des Vermögenswerts der Gesellschaft berücksichtigt hat. Der Senat hat bereits in den Urteilen III 359/61 (a. a. O.) und III 263/63 (a. a. O.) den Abzug derart ungewisser künftiger Steuerschulden abgelehnt, da eine solche Minderung des Gesellschaftsvermögens mit dem bewertungsrechtlichen Stichtagsprinzip nicht vereinbar ist. An dieser Ansicht hat er in den Entscheidungen III R 135/67 (a. a. O.), III R 29/66 vom 20. Dezember 1968 (BFH 95, 273) und III R 122/67 (a. a. O.) festgehalten. Dort hat er zu der auch vom FG erhobenen Kritik eingehend Stellung genommen. Auf die Urteile wird Bezug genommen.
3. Das FA ist zur Ermittlung der Ertragsaussichten der Gesellschaft zutreffend nach Abschnitt 78 Abs. 1 VStR 1963 von den Betriebsergebnissen der Jahre 1960 bis 1962 ausgegangen. Es hat hierbei jedoch, wie das FG im Ergebnis zu Recht ausführt, die AfA für das neue Betriebsgebäude nicht in vollem Umfang erfaßt.
Das Stuttgarter Verfahren regelt die AfA bei Ermittlung der Betriebsergebnisse in Abschnitt 78 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 VStR 1963. Hiernach sollen Sonderabschreibungen von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens, z. B. auf Grund der Vorschriften der §§ 7 a, 7 b, 7d und 7e EStG oder des § 16 BHG 1962 dem Einkommen der Jahre 1960 bis 1962 hinzugerechnet werden, wobei jedoch die normalen Absetzungen von den Anschaffungs- und Herstellungskosten nach § 7 EStG unberührt bleiben sollen. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten sollen auch dann für die normale AfA maßgebend sein, wenn die normale AfA für einkommensteuerliche Zwecke nach § 7a Abs. 1, § 7d Abs. 1 EStG 1960/1961 oder nach § 16 Abs. 1 BHG 1962 nach dem Restwert zu bemessen ist, der nach Durchführung der Sonderabschreibungen als Buchwert verblieben ist. Der Senat hat diese Regelung im Urteil III R 135/67 (a. a. O. Begründung zu III) gebilligt. Die Ertragsaussichten der Gesellschaft richten sich nach dem künftigen ausschüttungsfähigen Ertrag, d. h. nach dem Teil künftiger Gewinne, der voraussichtlich für eine Ausschüttung an die Gesellschafter zur Verfügung stehen wird (vgl. auch Urteil des Senats III 396/58 S vom 19. Dezember 1960, BFH 72, 241, BStBl III 1961, 92). Dieser Betrag ist, da eine freie Schätzung zu großen Schwierigkeiten führen würde, nach dem ausschüttungsfähigen Ertrag der letzten drei Jahre vor dem Bewertungsstichtag zu ermitteln. Der Ertrag dieser Jahre soll um eine normale ertragsteuerliche AfA von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens, nicht aber um höhere oder niedrigere Abschreibungen gemindert werden. Die Beträge, die einer normalen AfA von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten entsprechen, stehen für eine Ausschüttung an die Gesellschafter nicht zur Verfügung, da das Kapital der Gesellschaft erhalten bleiben muß. Würde die Gesellschaft sie ausschütten, würde sie ihr Eigenkapital aufzehren.
Die Steuerpflichtige hat im Streitfall in ihren Steuerbilanzen für 1961 und 1962 keine erhöhten Sonderabschreibungen, sondern eine im Verhältnis zum tatsächlichen Wertverzehr zu niedrige AfA von ihrem neu errichteten Betriebsgebäude vorgenommen. Die geringen AfA-Beträge beruhen darauf, daß die Steuerpflichtige die stillen Reserven ihres bisherigen Betriebsgrundstücks nach der Billigkeitsregelung in Abschnitt 35 EStR 1961 auf das neue Betriebsgrundstück übertragen hat. Sie brauchte die Entschädigung für das alte Gebäude nicht als Gewinn zu versteuern; sie durfte dafür aber die Herstellungskosten des neuen Gebäudes nur mit dem bisherigen Grundstücksbilanzwert aktivieren, der um die Entschädigung und eine im Jahr 1960 gebildete Rücklage für Ersatzbeschaffung zu mindern war. Sie konnte daher die AfA nur von einem Bilanzwert von ... DM vornehmen. Zur Ermittlung des ausschüttungsfähigen Ertrags muß hier der Gewinn der Jahre 1961 und 1962 in entsprechender Anwendung des Abschnitts 78 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 VStR 1963 ebenso um den Unterschied zwischen der ertragsteuerlich angesetzten AfA und einer normalen AfA von den Entstehungskosten des Betriebsgebäudes gemindert werden, als wenn die Steuerpflichtige z. B. nach Durchführung von Sonderabschreibungen nach §§ 7a Abs. 1, 7d Abs. 1 EStG ertragsteuerlich nur eine AfA von dem noch vorhandenen Buchwert abgesetzt hätte. Eine AfA von den Entstehungskosten des neuen Betriebsgebäudes ist im Streitfall wirtschaftlich gerechtfertigt, da sie auf effektiven Bauaufwendungen und einem tatsächlichen Wertverzehr des Gebäudes beruht. Sie hätte zwar in den Jahren 1960 und 1961 ertragsteuerlich einen höheren Gewinn erzielt, wenn sie die stillen Reserven ihres bisherigen Betriebsgrundstücks nicht auf das neue Grundstück übertragen, sondern in Gestalt der Entschädigung versteuert hätte. Diese Überlegung steht jedoch der Berücksichtigung einer AfA von den Herstellungskosten des neuen Gebäudes bei der Bewertung von GmbH-Anteilen nicht entgegen. Denn die erzwungene Hergabe des einzigen Betriebsgrundstücks gegen ein anderes unbebautes Grundstück und gegen Zahlung einer Entschädigung für das bisherige Betriebsgebäude von über ... DM ist bei einem Einkommen der Steuerpflichtigen zwischen rd. ... DM und ... DM ein so außergewöhnliches Ereignis, daß die Entschädigung bei Schätzung des künftigen ausschüttungsfähigen Ertrags ohnehin hätte außer Betracht bleiben müssen.
Das FG hat die fiktive AfA im Streitfall nach dem vom Bausachverständigen des FA ermittelten Verkehrswert des Grundstücks, d. h. einschließlich des Grund und Bodens, ermittelt. Diese Berechnung ist, wie das FA zu Recht hervorhebt, schon deshalb fehlerhaft, weil in dem Betrag der Wert des Grund und Bodens enthalten ist, der nicht abgeschrieben werden kann. Das FA durfte die AfA auch nicht nach dem hiernach verbleibenden Verkehrswert des Gebäudes ansetzen, da dieser Wert nicht den tatsächlichen Herstellungskosten des Gebäudes entspricht. Dieser Unterschied wirkt sich wie folgt aus: Gemäß den obigen Ausführungen zu 1. ist von einer Nutzungsdauer des Gebäudes von 100 Jahren auszugehen. Das Einkommen der Steuerpflichtigen für die Jahre 1961 und 1962 ist daher bei Berücksichtigung einer AfA von 1 % von den Entstehungskosten des Gebäudes um jeweils ... DM zu mindern. Dies führt zu einem Ertragshundertsatz von ... v. H.
4. Die Steuerpflichtige begehrt einen Abschlag vom gemeinen Wert ihrer Anteile nach Abschnitt 79 Abs. 3 VStR 1963, weil die Verzinsung des Vermögens unverhältnismäßig gering sei. Abschnitt 79 Abs. 3 VStR 1963 sieht einen Abschlag bis zu 30 % des ermittelten Werts vor, wenn nachhaltig unverhältnismäßig geringe Erträge einem großen Vermögen gegenüberstehen. Im Streitfall entspricht der ausschüttungsfähige Durchschnittsertrag einer Verzinsung von 2,4 v. H. des Vermögenswerts. Dieser Verzinsung steht, da sie auf der Grundlage des realen Vermögenswerts ermittelt wurde, nicht - wie die Steuerpflichtige meint - ein Vermögensteuersatz von 5 %, sondern nach § 8 Satz 1 VStG nur ein Satz von 1 % gegenüber. Ob eine Verzinsung von 2,4 v. H. des Vermögenswerts einen Abschlag nach § 79 Abs. 3 VStR 1963 rechtfertigen kann, braucht der Senat nicht generell zu entscheiden. Der Steuerpflichtigen kann der Abschlag im Streitfall jedenfalls deshalb nicht gewährt werden, weil nach den Verhältnissen am Bewertungsstichtag 31. Dezember 1962 nicht nachhaltig mit einer Verzinsung von 2,4 v. H. zu rechnen war. Es ist hierbei vor allem zu berücksichtigen, daß die Betriebsergebnisse der Jahre 1960 bis 1962 um über 50 % gestiegen sind und sich im Jahre 1963 noch weiter erhöht haben. Geht man von dem Betriebsergebnis des Jahres 1962 abzüglich der zusätzlichen AfA und eines Abschlags nach Abschnitt 78 Abs. 3 VStR 1963 aus, so ergibt dies einen ausschüttungsfähigen Ertrag von ... DM und damit eine Verzinsung von 3,3 % des Vermögenswerts. Eine solche Verzinsung war zum 31. Dezember 1962 im Verhältnis zu anderen Kapitalgesellschaften der gleichen Branche nicht außergewöhnlich niedrig. Laut statistischem Jahrbuch 1964 (Seite 396) betrug die durchschnittliche Rendite von Aktien der Wirtschaftsgruppe Handel im Jahr 1962 2,42 v. H. und im Jahr 1963 2,43 v. H. des Kurswerts. Die von der Steuerpflichtigen hervorgehobenen schlechten Betriebsergebnisse späterer Jahre und die heutigen Zinssätze können bei der Anteilsbewertung zum 31. Dezember 1962 nicht berücksichtigt werden.
Der Steuerpflichtigen kann ein Abschlag nach Abschnitt 79 Abs. 3 VStR 1963 auch deshalb nicht gewährt werden, weil es sich um eine Familiengesellschaft handelt, bei der die Gesellschafter, wie die Steuerpflichtige vorträgt, gewissen Beschränkungen unterworfen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des RFH und BFH (vgl. RFH-Urteil III A 37/37 vom 8. Juni 1937, RStBl 1937, 929, und BFH-Urteil III 115/65 vom 22. November 1968, BFH 94, 535, BStBl II 1969, 225) stehen der sich aus der Eigenart der Familiengesellschaft ergebenden schweren Übertragbarkeit und Beleihbarkeit der Anteile gewisse Vorteile gegenüber, wie z. B. die innere Stärke der Verwaltung und die Möglichkeit, eine Geschäftspolitik auf lange Sicht zu betreiben. Soweit persönliche Verhältnisse auf die Vertragsgestaltung eingewirkt haben, müssen sie nach § 10 Abs. 2 Satz 3 BewG außer Betracht bleiben.
Der Senat hebt daher die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung auf und stellt den gemeinen Wert der Anteile der Steuerpflichtigen zum 31. Dezember 1962 auf ... DM je 100 DM Stammkapital fest. Er weist im übrigen die Revision des FA und die Revision der Steuerpflichtigen als unbegründet zurück.
Fundstellen
Haufe-Index 69061 |
BStBl II 1970, 610 |
BFHE 1970, 225 |