Verlustverrechnung zwischen tarifbelasteten und mit Abgeltungsteuer belasteten Kapitalerträgen
Hintergrund: Unterschiedlich belastete Kapitalerträge
Bei der ESt-Veranlagung der Eheleute für 2009 gelangte das FA zu einem nicht ausgleichsfähigen Verlust bei den dem Abgeltungsteuersatz (25 % gem. § 32d Abs. 1 EStG) unterliegenden Einkünften des Ehemanns aus Kapitalvermögen in Höhe von 482 EUR. Den Antrag auf Verrechnung dieser negativen Einkünfte mit den tariflich besteuerten Kapitaleinkünften des Ehemanns (2.360 EUR) im Wege der Günstigerprüfung lehnte das FA ab. Ferner lehnte es den Abzug des Sparer-Pauschbetrags (1.602 EUR) von den tariflich besteuerten Kapitaleinkünften ab und rechnete ausländische Quellensteuer (130 EUR) nicht an. Ebenso entschied das FG und wies die Klage ab.
Entscheidung: Verlustausgleich bei abgeltend besteuerten negativen Kapitaleinkünften
Entgegen der Auffassung des FG kann der Ehemann mit seinem Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG den Verlust aus den dem Abgeltungsteuersatz unterliegenden Kapitaleinkünften mit den der Tarifbesteuerung unterliegenden Kapitaleinkünften verrechnen. Mit dem Antrag werden die Kapitaleinkünfte anstelle der Anwendung der Abgeltungsteuer den übrigen Einkünften i.S. des § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen Steuer unterworfen, wenn dies zu einer niedrigeren ESt führt. Der Regelung ist nicht zu entnehmen, dass die hinzuzurechnenden Kapitaleinkünfte positiv sein müssen. Denn das Gesetz spricht nur von "Kapitaleinkünften", was offenkundig auch Negativbeträge umfasst.
§ 32d Abs. 6 Satz 1 EStG ermöglicht jedoch keine unbeschränkte Hinzurechnung negativer Einkünfte aus Kapitalvermögen zu den übrigen Einkünften nach § 2 EStG. Eine generelle (vertikale) Verlustverrechnung negativer Einkünfte aus Kapitalvermögen mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten im Wege der Günstigerprüfung ist nach § 20 Abs. 6 Satz 2 (jetzt: Satz 1) EStG ausgeschlossen. Dieses Verbot der vertikalen Verlustverrechnung kann über einen Antrag auf Günstigerprüfung nicht durchbrochen werden. Die Günstigerprüfung ermöglicht nur einen vertikalen Verlustausgleich positiver Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem Kapitalertragsteuersatz unterlegen haben mit negativen Einkünften der übrigen Einkunftsarten.
Das Verrechnungsverbot greift nicht ein.
§ 20 Abs. 6 Satz 2 EStG enthält aber keine Beschränkung für einen horizontalen Verlustausgleich innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Verrechnung zwischen regelbesteuerten Kapitaleinkünften und der Abgeltungsteuer unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen ist daher nicht ausgeschlossen. Der Steuerbürger kann somit einen Antrag auf Günstigerprüfung stellen. Über den Antrag auf Günstigerprüfung werden die der Abgeltungsteuer unterliegenden negativen Kapitaleinkünfte zu Einkünften, die der tariflichen Steuer unterliegen. Das hat zur Folge, dass das Verrechnungsverbot des § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG nicht eingreift und die dem Abgeltungsteuersatz unterliegenden negativen Kapitaleinkünfte mit tariflich zu besteuernden Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden können, wenn dies zu einer niedrigeren ESt führt.
Der BFH hob das entgegenstehende FG-Urteil auf und verwies den Fall an das FG zurück. Dieses muss weiter prüfen, ob die abgeltend zu besteuernden negativen und die positiven tariflich besteuerten Kapitaleinkünfte der Höhe nach zutreffend ermittelt sind und ob die Anrechnung der ausländischen Steuer möglich ist. Die Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrags kommt weder durch einen Abzug unmittelbar von den tariflich zu besteuernden Kapitaleinkünften (2.360 EUR) noch durch Erhöhung der negativen Kapitaleinkünfte des Ehemanns (./. 482 EUR) in Betracht.
Hinweis: Verlustausgleich innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen
Die Entscheidung ist zu § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG a.F. ergangen. Durch das Gesetz v. 25.7.2014, BStBl I 2014, 1126, wurde Satz 1 aufgehoben. Der bisherige Satz 2 wurde Satz 1. Der BFH widerspricht dem BMF-Schreiben v. 18.1.2016, BStBl I 2016 S. 85 Rz. 119a. Nach Auffassung des BMF dürfen Verluste aus Kapitaleinkünften, die nach § 32d Abs. 1 EStG dem Abgeltungsteuersatz unterliegen, nicht mit positiven Erträgen aus Kapitaleinkünften, die der tariflichen Steuer nach § 32d Abs. 2 EStG unterliegen, verrechnet werden. Der BFH ergänzt, dass er insoweit ebenfalls eine allgemeine Berechtigung zur horizontalen Verlustverrechnung - außerhalb eines Günstigerprüfungs-Antrags - zwischen tariflich zu besteuernden und abgeltend zu besteuernden Kapitaleinkünften für ausgeschlossen hält.
BFH, Urteil v. 30.11.2016, VIII R 11/14; veröffentlicht am 12.4.2017
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